verfluchen; und die von dir gebrauchten Namen des Drachen und der Schlangen, ob sie sich gleich so gut zur Sache schickten. Denn hätte ich diese Stellen gelesen: so hätte sie daraus ab- nehmen müssen, daß du von Anfange gewußt, was sie für Creaturen wären; und ein so schänd- licher Kerl gewesen, als du wirklich gewesen bist, da du eine Person von so reiner Tugend unter sie gebracht hast. Jch beschloß mit dem Absatz, mit welchem du selbst schließest: Eine Zeile! Eine Zeile! Ein Königreich für eine Zeile! etc. Jedoch sagte ich ihr; weil sie merkte, daß ich eines und das andere vorbey ließ; es wären noch mehr hestige Ausdrücke darinn: aber weil diesel- ben bequemer wären, mir die Aufrichtigkeit des Briefstellers zu zeigen, als von einem so zärtli- chen Ohr, wie sie hätte, angehört zu werden; fo hätte ich sie lieber übergehen wollen.
Sie haben genug gelesen, sprach sie - - Er ist ein gottloser, gottloser Mensch! - - Jch sehe, er hat sich vorgenommen gehabt, mich, auf was für Art es seyn möchte, in seiner Gewalt zu ha- ben. So wie seine Handlungen beschaffen ge- wesen sind, darf ich im geringsten nicht zweifeln, was er für Absichten geheget habe. Sie wissen vermuthlich von seinem schändlichen Tomlinson - - Sie wissen - - Jedoch was nützt das Re- den? - - Niemals ist wohl ein so vorsetzlich fal- sches Herz in einem Menschen gewesen - - Nichts kann wahrer seyn, dachte ich! - - Was hat er nicht gelobet! Was hat er nicht erfunden!
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verfluchen; und die von dir gebrauchten Namen des Drachen und der Schlangen, ob ſie ſich gleich ſo gut zur Sache ſchickten. Denn haͤtte ich dieſe Stellen geleſen: ſo haͤtte ſie daraus ab- nehmen muͤſſen, daß du von Anfange gewußt, was ſie fuͤr Creaturen waͤren; und ein ſo ſchaͤnd- licher Kerl geweſen, als du wirklich geweſen biſt, da du eine Perſon von ſo reiner Tugend unter ſie gebracht haſt. Jch beſchloß mit dem Abſatz, mit welchem du ſelbſt ſchließeſt: Eine Zeile! Eine Zeile! Ein Koͤnigreich fuͤr eine Zeile! ꝛc. Jedoch ſagte ich ihr; weil ſie merkte, daß ich eines und das andere vorbey ließ; es waͤren noch mehr heſtige Ausdruͤcke darinn: aber weil dieſel- ben bequemer waͤren, mir die Aufrichtigkeit des Briefſtellers zu zeigen, als von einem ſo zaͤrtli- chen Ohr, wie ſie haͤtte, angehoͤrt zu werden; fo haͤtte ich ſie lieber uͤbergehen wollen.
Sie haben genug geleſen, ſprach ſie ‒ ‒ Er iſt ein gottloſer, gottloſer Menſch! ‒ ‒ Jch ſehe, er hat ſich vorgenommen gehabt, mich, auf was fuͤr Art es ſeyn moͤchte, in ſeiner Gewalt zu ha- ben. So wie ſeine Handlungen beſchaffen ge- weſen ſind, darf ich im geringſten nicht zweifeln, was er fuͤr Abſichten geheget habe. Sie wiſſen vermuthlich von ſeinem ſchaͤndlichen Tomlinſon ‒ ‒ Sie wiſſen ‒ ‒ Jedoch was nuͤtzt das Re- den? ‒ ‒ Niemals iſt wohl ein ſo vorſetzlich fal- ſches Herz in einem Menſchen geweſen ‒ ‒ Nichts kann wahrer ſeyn, dachte ich! ‒ ‒ Was hat er nicht gelobet! Was hat er nicht erfunden!
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verfluchen; und die von dir gebrauchten Namen
des Drachen und der Schlangen, ob ſie ſich
gleich ſo gut zur Sache ſchickten. Denn haͤtte
ich dieſe Stellen geleſen: ſo haͤtte ſie daraus ab-
nehmen muͤſſen, daß du von Anfange gewußt,
was ſie fuͤr Creaturen waͤren; und ein ſo ſchaͤnd-
licher Kerl geweſen, als du wirklich geweſen biſt,
da du eine Perſon von ſo reiner Tugend unter
ſie gebracht haſt. Jch beſchloß mit dem Abſatz,
mit welchem du ſelbſt ſchließeſt: Eine Zeile!
Eine Zeile! Ein Koͤnigreich fuͤr eine Zeile!
ꝛc. Jedoch ſagte ich ihr; weil ſie merkte, daß ich
eines und das andere vorbey ließ; es waͤren noch
mehr heſtige Ausdruͤcke darinn: aber weil dieſel-
ben bequemer waͤren, mir die Aufrichtigkeit des
Briefſtellers zu zeigen, als von einem ſo zaͤrtli-
chen Ohr, wie ſie haͤtte, angehoͤrt zu werden; fo
haͤtte ich ſie lieber uͤbergehen wollen.
Sie haben genug geleſen, ſprach ſie ‒ ‒ Er
iſt ein gottloſer, gottloſer Menſch! ‒ ‒ Jch ſehe,
er hat ſich vorgenommen gehabt, mich, auf was
fuͤr Art es ſeyn moͤchte, in ſeiner Gewalt zu ha-
ben. So wie ſeine Handlungen beſchaffen ge-
weſen ſind, darf ich im geringſten nicht zweifeln,
was er fuͤr Abſichten geheget habe. Sie wiſſen
vermuthlich von ſeinem ſchaͤndlichen Tomlinſon
‒ ‒ Sie wiſſen ‒ ‒ Jedoch was nuͤtzt das Re-
den? ‒ ‒ Niemals iſt wohl ein ſo vorſetzlich fal-
ſches Herz in einem Menſchen geweſen ‒ ‒ Nichts
kann wahrer ſeyn, dachte ich! ‒ ‒ Was hat
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/367>, abgerufen am 24.11.2024.
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