lebendige Seele soll, vor meinen Ohren, etwas zur Verkleinerung der Fräulein Howe sagen, oh- ne daß ich mich darüber regen sollte.
Wohl geredet, Herr Hickmann. Jhre Hi- tze, bey einer solchen vermeynten Veranlassung, misfällt mir nicht. Was ich aber sagen wollte, ist dieses, daß nach meiner Meynung keine Frauensperson in der Welt ist, die sich mit der Fräulein Clarissa Harlowe vergleichen sollte, bis sie ihre Proben ausgestanden, und sich bey und nach denselben so gehalten hätte, als sie gethan hat. Sie sehen, mein Herr, ich rede gegen mich selbst. Sie sehen, ich thue es. Denn für so einen Freygeist in der Lebensart man mich auch hält: so werde ich doch niemals die Regeln von dem, was recht und unrecht ist, meinen Handlun- gen unterwürfig machen.
Das ist recht, mein Herr. Das ist wirklich edelmüthig, will ich sagen. Aber es ist Scha- de - - verzeihen sie mir, mein Herr - - es ist Schade, daß ein Mann, der einen so feinen Aus- spruch thun kann, auch seine Handlungen dem- selben nicht gemäß einrichten will.
Das ist eine andere Sache, Herr Hickmann. Wir fehlen alle in einigen Stücken. Jch wün- sche nicht, daß die Fräulein Howe solche Proben auszuhalten haben sollte: und freue mich, daß sie bey einem so guten Manne keine solche Ge- fahr läuft.
Der arme Hickmann! - - Er sahe so aus, als wenn er nicht wüßte, ob ich ihm eine
Höf-
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lebendige Seele ſoll, vor meinen Ohren, etwas zur Verkleinerung der Fraͤulein Howe ſagen, oh- ne daß ich mich daruͤber regen ſollte.
Wohl geredet, Herr Hickmann. Jhre Hi- tze, bey einer ſolchen vermeynten Veranlaſſung, misfaͤllt mir nicht. Was ich aber ſagen wollte, iſt dieſes, daß nach meiner Meynung keine Frauensperſon in der Welt iſt, die ſich mit der Fraͤulein Clariſſa Harlowe vergleichen ſollte, bis ſie ihre Proben ausgeſtanden, und ſich bey und nach denſelben ſo gehalten haͤtte, als ſie gethan hat. Sie ſehen, mein Herr, ich rede gegen mich ſelbſt. Sie ſehen, ich thue es. Denn fuͤr ſo einen Freygeiſt in der Lebensart man mich auch haͤlt: ſo werde ich doch niemals die Regeln von dem, was recht und unrecht iſt, meinen Handlun- gen unterwuͤrfig machen.
Das iſt recht, mein Herr. Das iſt wirklich edelmuͤthig, will ich ſagen. Aber es iſt Scha- de ‒ ‒ verzeihen ſie mir, mein Herr ‒ ‒ es iſt Schade, daß ein Mann, der einen ſo feinen Aus- ſpruch thun kann, auch ſeine Handlungen dem- ſelben nicht gemaͤß einrichten will.
Das iſt eine andere Sache, Herr Hickmann. Wir fehlen alle in einigen Stuͤcken. Jch wuͤn- ſche nicht, daß die Fraͤulein Howe ſolche Proben auszuhalten haben ſollte: und freue mich, daß ſie bey einem ſo guten Manne keine ſolche Ge- fahr laͤuft.
Der arme Hickmann! ‒ ‒ Er ſahe ſo aus, als wenn er nicht wuͤßte, ob ich ihm eine
Hoͤf-
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lebendige Seele ſoll, vor meinen Ohren, etwas
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ne daß ich mich daruͤber regen ſollte.
Wohl geredet, Herr Hickmann. Jhre Hi-
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misfaͤllt mir nicht. Was ich aber ſagen wollte,
iſt dieſes, daß nach meiner Meynung keine
Frauensperſon in der Welt iſt, die ſich mit der
Fraͤulein Clariſſa Harlowe vergleichen ſollte, bis
ſie ihre Proben ausgeſtanden, und ſich bey und
nach denſelben ſo gehalten haͤtte, als ſie gethan
hat. Sie ſehen, mein Herr, ich rede gegen mich
ſelbſt. Sie ſehen, ich thue es. Denn fuͤr ſo
einen Freygeiſt in der Lebensart man mich auch
haͤlt: ſo werde ich doch niemals die Regeln von
dem, was recht und unrecht iſt, meinen Handlun-
gen unterwuͤrfig machen.
Das iſt recht, mein Herr. Das iſt wirklich
edelmuͤthig, will ich ſagen. Aber es iſt Scha-
de ‒ ‒ verzeihen ſie mir, mein Herr ‒ ‒ es iſt
Schade, daß ein Mann, der einen ſo feinen Aus-
ſpruch thun kann, auch ſeine Handlungen dem-
ſelben nicht gemaͤß einrichten will.
Das iſt eine andere Sache, Herr Hickmann.
Wir fehlen alle in einigen Stuͤcken. Jch wuͤn-
ſche nicht, daß die Fraͤulein Howe ſolche Proben
auszuhalten haben ſollte: und freue mich, daß
ſie bey einem ſo guten Manne keine ſolche Ge-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/425>, abgerufen am 24.11.2024.
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