Sie haben niemals einen Teufel in einem so ver- zweifelten Aufzuge gesehen! Kaum hat er einen Rock für seinen Leib, und einen Schuh für seinen Fuß. Ein kahlköpfichter Lumpenhund! Und doch kann er sich nicht überwinden, eine Perucke zu kaufen, damit er seinen kahlen Kopf verberge. Denn er ist so begierig, als die Hölle: niemals zufrieden; und doch gewaltig reich.
Ey, mein Herr, es ist gewiß etwas Scherz hierbey. Ein Mann von gemeinen Gaben weiß nicht, wie er sich in einem solchen Cavallier fin- den soll, als sie sind. Allein, mein Herr, wo et- was wahres an der Erzählung ist: was ist es denn für ein Mensch? Etwa ein Jude, oder ein filzich- ter Bürger, vermuthe ich, der sich wegen der be- druckten Umstände der Fräulein etwas herausge- nommen haben mag: und ihr lebhafter Witz giebt ihm eine Bildung, wie es ihnen gesällig ist.
Wahrlich, der Nichtswürdige hat in allen Grafschaften in England, und auch außer Eng- land, Güter.
Etwa ein ostindischer Staathalter, vermuthe ich, wo etwas daran ist. Die Fräulein war einmal auf die Gedanken gerathen, weit in die Fremde zu gehen. Aber ich bilde mir ein, mein Herr, sie haben alle diese Zeit über gescherzt. Wäre das nicht: so müßten wir gewiß von ihm gehöret haben - -
Von ihm gehört! Ja, mein Herr, wir haben alle von ihm gehöret - - Aber keiner von uns hat Lust, sich ihn zum Vertrauten zu machen - -
aus-
D d 4
Sie haben niemals einen Teufel in einem ſo ver- zweifelten Aufzuge geſehen! Kaum hat er einen Rock fuͤr ſeinen Leib, und einen Schuh fuͤr ſeinen Fuß. Ein kahlkoͤpfichter Lumpenhund! Und doch kann er ſich nicht uͤberwinden, eine Perucke zu kaufen, damit er ſeinen kahlen Kopf verberge. Denn er iſt ſo begierig, als die Hoͤlle: niemals zufrieden; und doch gewaltig reich.
Ey, mein Herr, es iſt gewiß etwas Scherz hierbey. Ein Mann von gemeinen Gaben weiß nicht, wie er ſich in einem ſolchen Cavallier fin- den ſoll, als ſie ſind. Allein, mein Herr, wo et- was wahres an der Erzaͤhlung iſt: was iſt es denn fuͤr ein Menſch? Etwa ein Jude, oder ein filzich- ter Buͤrger, vermuthe ich, der ſich wegen der be- druckten Umſtaͤnde der Fraͤulein etwas herausge- nommen haben mag: und ihr lebhafter Witz giebt ihm eine Bildung, wie es ihnen geſaͤllig iſt.
Wahrlich, der Nichtswuͤrdige hat in allen Grafſchaften in England, und auch außer Eng- land, Guͤter.
Etwa ein oſtindiſcher Staathalter, vermuthe ich, wo etwas daran iſt. Die Fraͤulein war einmal auf die Gedanken gerathen, weit in die Fremde zu gehen. Aber ich bilde mir ein, mein Herr, ſie haben alle dieſe Zeit uͤber geſcherzt. Waͤre das nicht: ſo muͤßten wir gewiß von ihm gehoͤret haben ‒ ‒
Von ihm gehoͤrt! Ja, mein Herr, wir haben alle von ihm gehoͤret ‒ ‒ Aber keiner von uns hat Luſt, ſich ihn zum Vertrauten zu machen ‒ ‒
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Sie haben niemals einen Teufel in einem ſo ver-
zweifelten Aufzuge geſehen! Kaum hat er einen
Rock fuͤr ſeinen Leib, und einen Schuh fuͤr ſeinen
Fuß. Ein kahlkoͤpfichter Lumpenhund! Und
doch kann er ſich nicht uͤberwinden, eine Perucke
zu kaufen, damit er ſeinen kahlen Kopf verberge.
Denn er iſt ſo begierig, als die Hoͤlle: niemals
zufrieden; und doch gewaltig reich.
Ey, mein Herr, es iſt gewiß etwas Scherz
hierbey. Ein Mann von gemeinen Gaben weiß
nicht, wie er ſich in einem ſolchen Cavallier fin-
den ſoll, als ſie ſind. Allein, mein Herr, wo et-
was wahres an der Erzaͤhlung iſt: was iſt es denn
fuͤr ein Menſch? Etwa ein Jude, oder ein filzich-
ter Buͤrger, vermuthe ich, der ſich wegen der be-
druckten Umſtaͤnde der Fraͤulein etwas herausge-
nommen haben mag: und ihr lebhafter Witz
giebt ihm eine Bildung, wie es ihnen geſaͤllig iſt.
Wahrlich, der Nichtswuͤrdige hat in allen
Grafſchaften in England, und auch außer Eng-
land, Guͤter.
Etwa ein oſtindiſcher Staathalter, vermuthe
ich, wo etwas daran iſt. Die Fraͤulein war
einmal auf die Gedanken gerathen, weit in die
Fremde zu gehen. Aber ich bilde mir ein, mein
Herr, ſie haben alle dieſe Zeit uͤber geſcherzt.
Waͤre das nicht: ſo muͤßten wir gewiß von ihm
gehoͤret haben ‒ ‒
Von ihm gehoͤrt! Ja, mein Herr, wir haben
alle von ihm gehoͤret ‒ ‒ Aber keiner von uns
hat Luſt, ſich ihn zum Vertrauten zu machen ‒ ‒
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/429>, abgerufen am 24.11.2024.
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