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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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Aber ich wollte euch vielmehr durch meinen
Mund stärken, und meine Lippen sollten sich
nur bewegen, euren Kummer zu lindern.

Warum wollt ihr ein Blatt, das hin und
her getrieben wird, zerbrechen? Warum
wollt ihr
die dürre Stoppel verfolgen? War-
um wollt ihr
bittere Worte gegen mich schrei-
ben, und mir die Sünden meiner Jugend auf-
legen?

Barmherzigkeit kommt zur Zeit der Trüb-
sal gelegen, wie Regenwolken zur Zeit der
Dürre.

Sind meiner Tage nicht wenige? So hö-
ret dann auf, und lasset mich alleine, damit
ich ein wenig Trost empfinden möge - - -
Ehe ich dahin gehe, von wannen ich nicht wie-
der kommen werde: selbst zu dem Lande der
Finsterniß und Schatten des Todes.

Postscript.
Diese vortreffliche Fräulein hat, durch einen Brief
von Frau Norton, Nachricht, daß der Obrist
Morden eben in England angekommen ist. Er
ist itzo die einzige Person, welche sie zu sehen
wünschet.
Jch ließ einige Eifersucht darüber merken, daß
ihm zu der Vollziehung ihres letzten Willens
der Vorzug vor mir gegeben werden möchte.
Sie erklärte sich aber, daß sie es nunmehr gar
nicht zu thun gedächte: weil ein solches Amt,
wenn er es annehmen sollte, woran sie doch
zweifelte, nach der Beschaffenheit einiger Pa-
piere, welche in dem Fall nothwendig durch
seine


Aber ich wollte euch vielmehr durch meinen
Mund ſtaͤrken, und meine Lippen ſollten ſich
nur bewegen, euren Kummer zu lindern.

Warum wollt ihr ein Blatt, das hin und
her getrieben wird, zerbrechen? Warum
wollt ihr
die duͤrre Stoppel verfolgen? War-
um wollt ihr
bittere Worte gegen mich ſchrei-
ben, und mir die Suͤnden meiner Jugend auf-
legen?

Barmherzigkeit kommt zur Zeit der Truͤb-
ſal gelegen, wie Regenwolken zur Zeit der
Duͤrre.

Sind meiner Tage nicht wenige? So hoͤ-
ret dann auf, und laſſet mich alleine, damit
ich ein wenig Troſt empfinden moͤge ‒ ‒ ‒
Ehe ich dahin gehe, von wannen ich nicht wie-
der kommen werde: ſelbſt zu dem Lande der
Finſterniß und Schatten des Todes.

Poſtſcript.
Dieſe vortreffliche Fraͤulein hat, durch einen Brief
von Frau Norton, Nachricht, daß der Obriſt
Morden eben in England angekommen iſt. Er
iſt itzo die einzige Perſon, welche ſie zu ſehen
wuͤnſchet.
Jch ließ einige Eiferſucht daruͤber merken, daß
ihm zu der Vollziehung ihres letzten Willens
der Vorzug vor mir gegeben werden moͤchte.
Sie erklaͤrte ſich aber, daß ſie es nunmehr gar
nicht zu thun gedaͤchte: weil ein ſolches Amt,
wenn er es annehmen ſollte, woran ſie doch
zweifelte, nach der Beſchaffenheit einiger Pa-
piere, welche in dem Fall nothwendig durch
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[786/0792] Aber ich wollte euch vielmehr durch meinen Mund ſtaͤrken, und meine Lippen ſollten ſich nur bewegen, euren Kummer zu lindern. Warum wollt ihr ein Blatt, das hin und her getrieben wird, zerbrechen? Warum wollt ihr die duͤrre Stoppel verfolgen? War- um wollt ihr bittere Worte gegen mich ſchrei- ben, und mir die Suͤnden meiner Jugend auf- legen? Barmherzigkeit kommt zur Zeit der Truͤb- ſal gelegen, wie Regenwolken zur Zeit der Duͤrre. Sind meiner Tage nicht wenige? So hoͤ- ret dann auf, und laſſet mich alleine, damit ich ein wenig Troſt empfinden moͤge ‒ ‒ ‒ Ehe ich dahin gehe, von wannen ich nicht wie- der kommen werde: ſelbſt zu dem Lande der Finſterniß und Schatten des Todes. Poſtſcript. Dieſe vortreffliche Fraͤulein hat, durch einen Brief von Frau Norton, Nachricht, daß der Obriſt Morden eben in England angekommen iſt. Er iſt itzo die einzige Perſon, welche ſie zu ſehen wuͤnſchet. Jch ließ einige Eiferſucht daruͤber merken, daß ihm zu der Vollziehung ihres letzten Willens der Vorzug vor mir gegeben werden moͤchte. Sie erklaͤrte ſich aber, daß ſie es nunmehr gar nicht zu thun gedaͤchte: weil ein ſolches Amt, wenn er es annehmen ſollte, woran ſie doch zweifelte, nach der Beſchaffenheit einiger Pa- piere, welche in dem Fall nothwendig durch ſeine

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 786. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/792>, abgerufen am 22.11.2024.