halten. Es ist ihr gestern ausnehmend beschwer- lich gewesen.
Allein, ehe wir weiter reden, sprach ich, wo sie außerhalb Hauses ist: so können sie nichts dagegen einzuwenden haben, daß ich in alle Zim- mer oben und unten kucke; weil mir gesagt ist, daß sie sich wirklich hier im Hause befindet.
Jn Wahrheit, mein Herr, sie ist nicht hier. Sie können ihrer Begierde Genüge thun; wo es ihnen gefällt: aber Fr. Smithinn und ich haben sie bis an die Sänfte begleitet. Wir waren ge- nöthigt, ihr zu einer Stütze zu dienen: so schwach war sie. Wohin, sagte sie, kann ich gehen, Fr. Lovick? Wohin kann ich gehen, Fr. Smithinn? - - Der grausame, grausame Mensch! Sagen sie ihm, daß ich ihn so genannt habe, wo er wie- der kommt. - - Gott gebe ihm die Ruhe, wel- che er mir nicht lassen will!
Holdselige Fräulein! rief ich, schlug die Au- gen nieder und zog mein Schnupftuch hervor.
Die Witwe weinte. Jch wünschte, sagte sie, daß ich eine so vortreffliche Fräulein, die so vieles ausstehen muß, niemals gekannt hätte! Jch lie- be sie, als mein eignes Kind!
Fr. Smithinn weinte.
Hierauf ließ ich meine Hoffnung fahren, sie für dießmal zu sehen. Es kränkte mich über alle Maaßen, daß ich mich betrogen fand, und hör- te, wie schlecht sie sich befände.
O daß sie mich in den Stand setzen wollte, sprach ich, das ihr widerfahrne Unrecht und Uebel
wie-
halten. Es iſt ihr geſtern ausnehmend beſchwer- lich geweſen.
Allein, ehe wir weiter reden, ſprach ich, wo ſie außerhalb Hauſes iſt: ſo koͤnnen ſie nichts dagegen einzuwenden haben, daß ich in alle Zim- mer oben und unten kucke; weil mir geſagt iſt, daß ſie ſich wirklich hier im Hauſe befindet.
Jn Wahrheit, mein Herr, ſie iſt nicht hier. Sie koͤnnen ihrer Begierde Genuͤge thun; wo es ihnen gefaͤllt: aber Fr. Smithinn und ich haben ſie bis an die Saͤnfte begleitet. Wir waren ge- noͤthigt, ihr zu einer Stuͤtze zu dienen: ſo ſchwach war ſie. Wohin, ſagte ſie, kann ich gehen, Fr. Lovick? Wohin kann ich gehen, Fr. Smithinn? ‒ ‒ Der grauſame, grauſame Menſch! Sagen ſie ihm, daß ich ihn ſo genannt habe, wo er wie- der kommt. ‒ ‒ Gott gebe ihm die Ruhe, wel- che er mir nicht laſſen will!
Holdſelige Fraͤulein! rief ich, ſchlug die Au- gen nieder und zog mein Schnupftuch hervor.
Die Witwe weinte. Jch wuͤnſchte, ſagte ſie, daß ich eine ſo vortreffliche Fraͤulein, die ſo vieles ausſtehen muß, niemals gekannt haͤtte! Jch lie- be ſie, als mein eignes Kind!
Fr. Smithinn weinte.
Hierauf ließ ich meine Hoffnung fahren, ſie fuͤr dießmal zu ſehen. Es kraͤnkte mich uͤber alle Maaßen, daß ich mich betrogen fand, und hoͤr- te, wie ſchlecht ſie ſich befaͤnde.
O daß ſie mich in den Stand ſetzen wollte, ſprach ich, das ihr widerfahrne Unrecht und Uebel
wie-
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halten. Es iſt ihr geſtern ausnehmend beſchwer-
lich geweſen.
Allein, ehe wir weiter reden, ſprach ich,
wo ſie außerhalb Hauſes iſt: ſo koͤnnen ſie nichts
dagegen einzuwenden haben, daß ich in alle Zim-
mer oben und unten kucke; weil mir geſagt iſt,
daß ſie ſich wirklich hier im Hauſe befindet.
Jn Wahrheit, mein Herr, ſie iſt nicht hier.
Sie koͤnnen ihrer Begierde Genuͤge thun; wo es
ihnen gefaͤllt: aber Fr. Smithinn und ich haben
ſie bis an die Saͤnfte begleitet. Wir waren ge-
noͤthigt, ihr zu einer Stuͤtze zu dienen: ſo ſchwach
war ſie. Wohin, ſagte ſie, kann ich gehen, Fr.
Lovick? Wohin kann ich gehen, Fr. Smithinn?
‒ ‒ Der grauſame, grauſame Menſch! Sagen
ſie ihm, daß ich ihn ſo genannt habe, wo er wie-
der kommt. ‒ ‒ Gott gebe ihm die Ruhe, wel-
che er mir nicht laſſen will!
Holdſelige Fraͤulein! rief ich, ſchlug die Au-
gen nieder und zog mein Schnupftuch hervor.
Die Witwe weinte. Jch wuͤnſchte, ſagte ſie,
daß ich eine ſo vortreffliche Fraͤulein, die ſo vieles
ausſtehen muß, niemals gekannt haͤtte! Jch lie-
be ſie, als mein eignes Kind!
Fr. Smithinn weinte.
Hierauf ließ ich meine Hoffnung fahren, ſie
fuͤr dießmal zu ſehen. Es kraͤnkte mich uͤber alle
Maaßen, daß ich mich betrogen fand, und hoͤr-
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O daß ſie mich in den Stand ſetzen wollte,
ſprach ich, das ihr widerfahrne Unrecht und Uebel
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 828. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/834>, abgerufen am 24.11.2024.
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