Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



Herrn Lovelace, oder zwischen dem letztern und
Jhrem Vetter Morden entstehen mag, welcher,
wie ich höre, nun angekommen ist, und beschlos-
sen hat, daß Jhnen Gerechtigkeit widerfahren
soll.

Dieß ist eine Betrachtung, die Jhr Gewis-
sen billig rühren muß: verzeihen Sie mir, wer-
theste Fräulein, ich denke, daß ich nun meine
Pflicht thue. Es ist eine Betrachtung, woran
Jhnen mehr gelegen seyn muß, als an der großen
Gewalt, welche bey einer solchen Fräulein, als Sie
sind, ihrer Sittsamkeit, wie ich weiß, dadurch ge-
schehen muß, daß Sie gegen ihn öffentlich vor
Gericht erscheinen sollen. Dieses, stelle ich mir
vor, wird die Hauptschwierigkeit seyn, welche Sie
dagegen zu machen haben. Allein, gnädige Fräu-
lein, ich weiß, daß Sie erhabene Vorzüge genug
besitzen, ihre Schamhaftigkeit der unverdecktesten
Wahrheit aufzuopfern, wenn es Noth, Gerech-
tigkeit und Ehre von Jhnen fordern. Liederli-
che Leute, und diejenigen, welche unschuldigen
Frauenzimmern Gewalt thun, würden in der
That,
und am meisten von denen, die den größ-
ten Abscheu vor ihren Handlungen hätten, aufge-
muntert werden: wenn die verletzte Sittsamkeit
sich niemals über das Unrecht beklagen sollte, das
ihr von den schändlichen Leuten, welche sie an-
greifen, widerfahren ist.

Mit einem Worte, die Ersetzung der Schan-
de, welche Jhrer Familie angethan ist, beruhet
itzo auf Jhrem eignen Entschlusse: und sie kann

nur



Herrn Lovelace, oder zwiſchen dem letztern und
Jhrem Vetter Morden entſtehen mag, welcher,
wie ich hoͤre, nun angekommen iſt, und beſchloſ-
ſen hat, daß Jhnen Gerechtigkeit widerfahren
ſoll.

Dieß iſt eine Betrachtung, die Jhr Gewiſ-
ſen billig ruͤhren muß: verzeihen Sie mir, wer-
theſte Fraͤulein, ich denke, daß ich nun meine
Pflicht thue. Es iſt eine Betrachtung, woran
Jhnen mehr gelegen ſeyn muß, als an der großen
Gewalt, welche bey einer ſolchen Fraͤulein, als Sie
ſind, ihrer Sittſamkeit, wie ich weiß, dadurch ge-
ſchehen muß, daß Sie gegen ihn oͤffentlich vor
Gericht erſcheinen ſollen. Dieſes, ſtelle ich mir
vor, wird die Hauptſchwierigkeit ſeyn, welche Sie
dagegen zu machen haben. Allein, gnaͤdige Fraͤu-
lein, ich weiß, daß Sie erhabene Vorzuͤge genug
beſitzen, ihre Schamhaftigkeit der unverdeckteſten
Wahrheit aufzuopfern, wenn es Noth, Gerech-
tigkeit und Ehre von Jhnen fordern. Liederli-
che Leute, und diejenigen, welche unſchuldigen
Frauenzimmern Gewalt thun, wuͤrden in der
That,
und am meiſten von denen, die den groͤß-
ten Abſcheu vor ihren Handlungen haͤtten, aufge-
muntert werden: wenn die verletzte Sittſamkeit
ſich niemals uͤber das Unrecht beklagen ſollte, das
ihr von den ſchaͤndlichen Leuten, welche ſie an-
greifen, widerfahren iſt.

Mit einem Worte, die Erſetzung der Schan-
de, welche Jhrer Familie angethan iſt, beruhet
itzo auf Jhrem eignen Entſchluſſe: und ſie kann

nur
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0100" n="94"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Herrn Lovelace, oder zwi&#x017F;chen dem letztern und<lb/>
Jhrem Vetter Morden ent&#x017F;tehen mag, welcher,<lb/>
wie ich ho&#x0364;re, nun angekommen i&#x017F;t, und be&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en hat, daß Jhnen Gerechtigkeit widerfahren<lb/>
&#x017F;oll.</p><lb/>
          <p>Dieß i&#x017F;t eine Betrachtung, die Jhr Gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en billig ru&#x0364;hren muß: verzeihen Sie mir, wer-<lb/>
the&#x017F;te Fra&#x0364;ulein, ich denke, daß ich nun meine<lb/>
Pflicht thue. Es i&#x017F;t eine Betrachtung, woran<lb/>
Jhnen mehr gelegen &#x017F;eyn muß, als an der großen<lb/>
Gewalt, welche bey einer &#x017F;olchen Fra&#x0364;ulein, als Sie<lb/>
&#x017F;ind, ihrer Sitt&#x017F;amkeit, wie ich weiß, dadurch ge-<lb/>
&#x017F;chehen muß, daß Sie gegen ihn o&#x0364;ffentlich vor<lb/>
Gericht er&#x017F;cheinen &#x017F;ollen. Die&#x017F;es, &#x017F;telle ich mir<lb/>
vor, wird die Haupt&#x017F;chwierigkeit &#x017F;eyn, welche Sie<lb/>
dagegen zu machen haben. Allein, gna&#x0364;dige Fra&#x0364;u-<lb/>
lein, ich weiß, daß Sie erhabene Vorzu&#x0364;ge genug<lb/>
be&#x017F;itzen, ihre Schamhaftigkeit der unverdeckte&#x017F;ten<lb/>
Wahrheit <hi rendition="#fr">aufzuopfern,</hi> wenn es Noth, Gerech-<lb/>
tigkeit und Ehre von Jhnen fordern. Liederli-<lb/>
che Leute, und diejenigen, welche un&#x017F;chuldigen<lb/>
Frauenzimmern Gewalt thun, wu&#x0364;rden <hi rendition="#fr">in der<lb/>
That,</hi> und am mei&#x017F;ten von denen, die den gro&#x0364;ß-<lb/>
ten Ab&#x017F;cheu vor ihren Handlungen ha&#x0364;tten, aufge-<lb/>
muntert werden: wenn die verletzte Sitt&#x017F;amkeit<lb/>
&#x017F;ich niemals u&#x0364;ber das Unrecht beklagen &#x017F;ollte, das<lb/>
ihr von den &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Leuten, welche &#x017F;ie an-<lb/>
greifen, widerfahren i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Mit einem Worte, die Er&#x017F;etzung der Schan-<lb/>
de, welche Jhrer Familie angethan i&#x017F;t, beruhet<lb/>
itzo auf Jhrem eignen Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e: und &#x017F;ie kann<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nur</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0100] Herrn Lovelace, oder zwiſchen dem letztern und Jhrem Vetter Morden entſtehen mag, welcher, wie ich hoͤre, nun angekommen iſt, und beſchloſ- ſen hat, daß Jhnen Gerechtigkeit widerfahren ſoll. Dieß iſt eine Betrachtung, die Jhr Gewiſ- ſen billig ruͤhren muß: verzeihen Sie mir, wer- theſte Fraͤulein, ich denke, daß ich nun meine Pflicht thue. Es iſt eine Betrachtung, woran Jhnen mehr gelegen ſeyn muß, als an der großen Gewalt, welche bey einer ſolchen Fraͤulein, als Sie ſind, ihrer Sittſamkeit, wie ich weiß, dadurch ge- ſchehen muß, daß Sie gegen ihn oͤffentlich vor Gericht erſcheinen ſollen. Dieſes, ſtelle ich mir vor, wird die Hauptſchwierigkeit ſeyn, welche Sie dagegen zu machen haben. Allein, gnaͤdige Fraͤu- lein, ich weiß, daß Sie erhabene Vorzuͤge genug beſitzen, ihre Schamhaftigkeit der unverdeckteſten Wahrheit aufzuopfern, wenn es Noth, Gerech- tigkeit und Ehre von Jhnen fordern. Liederli- che Leute, und diejenigen, welche unſchuldigen Frauenzimmern Gewalt thun, wuͤrden in der That, und am meiſten von denen, die den groͤß- ten Abſcheu vor ihren Handlungen haͤtten, aufge- muntert werden: wenn die verletzte Sittſamkeit ſich niemals uͤber das Unrecht beklagen ſollte, das ihr von den ſchaͤndlichen Leuten, welche ſie an- greifen, widerfahren iſt. Mit einem Worte, die Erſetzung der Schan- de, welche Jhrer Familie angethan iſt, beruhet itzo auf Jhrem eignen Entſchluſſe: und ſie kann nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/100
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/100>, abgerufen am 23.05.2024.