Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



Verwandten möchten Sie wenigstens zum Still-
schweigen
beredet haben (*).

Diese - - Jedoch wozu nun diese unnütze
Erinnerungen des Vergangenen? Jch sollte un-
glücklich seyn - - damit ich glücklich wäre: das
ist meine Hoffnung. - - Weil ich mich also mit
dieser Hoffnung beruhige: so will ich ohne eine
weitere Vorbereitung zur Antwort auf den Jnhalt
Jhrer geneigten Zuschrift einige wenige Zeilen
schreiben; wofern ich nur, da ich an Sie schrei-
be, wenig schreiben kann.

Erlauben Sie mir dann, mich zu erklären,
daß ich glaube, Jhre Gründe würden in einem
jeden andern Fall von dieser Art unbeantwort-
lich gewesen seyn, nur nicht in demjenigen, der
die unglückliche Clarissa Harlowe betrifft.

Es ist gewiß, daß Personen, welche keine öf-
fentliche Beschämung
ertragen können, ge-
doppelt sorgfältig bedenken sollten, wie sie sich der
Gefahr aussetzen, in einem geheimen Fehltritt
zu gerathen, der sie vielleicht in jene Schaam brin-
gen mag. Was aber mich selbst anlanget: so
setzen Sie, daß von dem hinfälligen Zustande,

worinn
(*) Der kaltsinnige Besuch, welchen dieser gute Geist-
liche beredet war bey ihr abzulegen, wie im II
Theile, S. 275 u. f. gedacht ist, woran jedoch ihre
Großmuth nicht zuließ, ihn zu erinnern, mochte
der Fräulein Grund an die Hand geben, zu ge-
denken, daß er vielmehr zu jener Partey, weil sie
die Seite war, auf welcher die Eltern stunden,
als zu der ihrigen geneigt wäre.



Verwandten moͤchten Sie wenigſtens zum Still-
ſchweigen
beredet haben (*).

Dieſe ‒ ‒ Jedoch wozu nun dieſe unnuͤtze
Erinnerungen des Vergangenen? Jch ſollte un-
gluͤcklich ſeyn ‒ ‒ damit ich gluͤcklich waͤre: das
iſt meine Hoffnung. ‒ ‒ Weil ich mich alſo mit
dieſer Hoffnung beruhige: ſo will ich ohne eine
weitere Vorbereitung zur Antwort auf den Jnhalt
Jhrer geneigten Zuſchrift einige wenige Zeilen
ſchreiben; wofern ich nur, da ich an Sie ſchrei-
be, wenig ſchreiben kann.

Erlauben Sie mir dann, mich zu erklaͤren,
daß ich glaube, Jhre Gruͤnde wuͤrden in einem
jeden andern Fall von dieſer Art unbeantwort-
lich geweſen ſeyn, nur nicht in demjenigen, der
die ungluͤckliche Clariſſa Harlowe betrifft.

Es iſt gewiß, daß Perſonen, welche keine oͤf-
fentliche Beſchaͤmung
ertragen koͤnnen, ge-
doppelt ſorgfaͤltig bedenken ſollten, wie ſie ſich der
Gefahr ausſetzen, in einem geheimen Fehltritt
zu gerathen, der ſie vielleicht in jene Schaam brin-
gen mag. Was aber mich ſelbſt anlanget: ſo
ſetzen Sie, daß von dem hinfaͤlligen Zuſtande,

worinn
(*) Der kaltſinnige Beſuch, welchen dieſer gute Geiſt-
liche beredet war bey ihr abzulegen, wie im II
Theile, S. 275 u. f. gedacht iſt, woran jedoch ihre
Großmuth nicht zuließ, ihn zu erinnern, mochte
der Fraͤulein Grund an die Hand geben, zu ge-
denken, daß er vielmehr zu jener Partey, weil ſie
die Seite war, auf welcher die Eltern ſtunden,
als zu der ihrigen geneigt waͤre.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="100"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Verwandten mo&#x0364;chten Sie wenig&#x017F;tens zum <hi rendition="#fr">Still-<lb/>
&#x017F;chweigen</hi> beredet haben <note place="foot" n="(*)">Der kalt&#x017F;innige Be&#x017F;uch, welchen die&#x017F;er gute Gei&#x017F;t-<lb/>
liche beredet war bey ihr abzulegen, wie im <hi rendition="#aq">II</hi><lb/>
Theile, S. 275 u. f. gedacht i&#x017F;t, woran jedoch ihre<lb/>
Großmuth nicht zuließ, ihn zu erinnern, mochte<lb/>
der Fra&#x0364;ulein Grund an die Hand geben, zu ge-<lb/>
denken, daß er vielmehr zu jener Partey, weil &#x017F;ie<lb/>
die <hi rendition="#fr">Seite</hi> war, auf welcher die <hi rendition="#fr">Eltern</hi> &#x017F;tunden,<lb/>
als zu der ihrigen geneigt wa&#x0364;re.</note>.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Die&#x017F;e</hi> &#x2012; &#x2012; Jedoch wozu nun die&#x017F;e unnu&#x0364;tze<lb/>
Erinnerungen des Vergangenen? Jch <hi rendition="#fr">&#x017F;ollte</hi> un-<lb/>
glu&#x0364;cklich &#x017F;eyn &#x2012; &#x2012; damit ich glu&#x0364;cklich wa&#x0364;re: das<lb/>
i&#x017F;t meine Hoffnung. &#x2012; &#x2012; Weil ich mich al&#x017F;o mit<lb/>
die&#x017F;er Hoffnung beruhige: &#x017F;o will ich ohne eine<lb/>
weitere Vorbereitung zur Antwort auf den Jnhalt<lb/>
Jhrer geneigten Zu&#x017F;chrift einige wenige Zeilen<lb/>
&#x017F;chreiben; wofern ich <hi rendition="#fr">nur,</hi> da ich an <hi rendition="#fr">Sie</hi> &#x017F;chrei-<lb/>
be, wenig &#x017F;chreiben kann.</p><lb/>
          <p>Erlauben Sie mir dann, mich zu erkla&#x0364;ren,<lb/>
daß ich glaube, Jhre Gru&#x0364;nde wu&#x0364;rden in einem<lb/>
jeden <hi rendition="#fr">andern</hi> Fall von die&#x017F;er Art unbeantwort-<lb/>
lich gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, nur nicht in demjenigen, der<lb/>
die unglu&#x0364;ckliche <hi rendition="#fr">Clari&#x017F;&#x017F;a Harlowe</hi> betrifft.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t gewiß, daß Per&#x017F;onen, welche keine <hi rendition="#fr">o&#x0364;f-<lb/>
fentliche Be&#x017F;cha&#x0364;mung</hi> ertragen ko&#x0364;nnen, ge-<lb/>
doppelt &#x017F;orgfa&#x0364;ltig bedenken &#x017F;ollten, wie &#x017F;ie &#x017F;ich der<lb/>
Gefahr aus&#x017F;etzen, in einem <hi rendition="#fr">geheimen Fehltritt</hi><lb/>
zu gerathen, der &#x017F;ie vielleicht in jene Schaam brin-<lb/>
gen mag. Was aber <hi rendition="#fr">mich &#x017F;elb&#x017F;t</hi> anlanget: &#x017F;o<lb/>
&#x017F;etzen Sie, daß von dem hinfa&#x0364;lligen Zu&#x017F;tande,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">worinn</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0106] Verwandten moͤchten Sie wenigſtens zum Still- ſchweigen beredet haben (*). Dieſe ‒ ‒ Jedoch wozu nun dieſe unnuͤtze Erinnerungen des Vergangenen? Jch ſollte un- gluͤcklich ſeyn ‒ ‒ damit ich gluͤcklich waͤre: das iſt meine Hoffnung. ‒ ‒ Weil ich mich alſo mit dieſer Hoffnung beruhige: ſo will ich ohne eine weitere Vorbereitung zur Antwort auf den Jnhalt Jhrer geneigten Zuſchrift einige wenige Zeilen ſchreiben; wofern ich nur, da ich an Sie ſchrei- be, wenig ſchreiben kann. Erlauben Sie mir dann, mich zu erklaͤren, daß ich glaube, Jhre Gruͤnde wuͤrden in einem jeden andern Fall von dieſer Art unbeantwort- lich geweſen ſeyn, nur nicht in demjenigen, der die ungluͤckliche Clariſſa Harlowe betrifft. Es iſt gewiß, daß Perſonen, welche keine oͤf- fentliche Beſchaͤmung ertragen koͤnnen, ge- doppelt ſorgfaͤltig bedenken ſollten, wie ſie ſich der Gefahr ausſetzen, in einem geheimen Fehltritt zu gerathen, der ſie vielleicht in jene Schaam brin- gen mag. Was aber mich ſelbſt anlanget: ſo ſetzen Sie, daß von dem hinfaͤlligen Zuſtande, worinn (*) Der kaltſinnige Beſuch, welchen dieſer gute Geiſt- liche beredet war bey ihr abzulegen, wie im II Theile, S. 275 u. f. gedacht iſt, woran jedoch ihre Großmuth nicht zuließ, ihn zu erinnern, mochte der Fraͤulein Grund an die Hand geben, zu ge- denken, daß er vielmehr zu jener Partey, weil ſie die Seite war, auf welcher die Eltern ſtunden, als zu der ihrigen geneigt waͤre.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/106
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/106>, abgerufen am 25.11.2024.