Jch nehme meine Feder noch einmal wieder. Jch dachte, daß ich mein letztes Lebewohl an Sie abgelassen hätte. Mir ist niemals so gar wunderlich zu Muthe gewesen. Es war etwas, das meinen Verstand gänzlich zu benebeln schien - - Jch weiß nicht, wie ich es beschreiben soll! - - Jch glaube, ich thue mir Schaden damit, daß ich so viel schreibe, und allzu viel über mich nehme: allein ein wirksames Gemüth kann nicht müßig seyn; wenn es gleich durch Krankheit des Leibes als wie mit trüben Wolken umzogen wird.
Jch will sehen, ob mir die Luft und eine un- terbrochne Aufmerksamkeit helfen wollen - - Wollen sie aber nicht helfen: so bekümmern Sie sich nicht um mich, meine wertheste Freundinn. - - Jch werde glücklich seyn. Ja ich bin es schon itzo mehr, als ich noch vor kurzem glaubte, daß ich es jemals in diesem Leben seyn könnte. - - Jedoch, wie fest hänget sich dieser Leib an! - - Wie beschwerlich ist er!
Um sieben.
Jch konnte diesen Brief nicht mit einem so trau- rigen Beschluß, wie Sie dafür gehalten ha- ben würden, abgehen lassen. Deswegen wartete ich so lange, ihn zu schließen, bis ich sehen möchte, wie ich mich befände, wenn ich von meiner Ver- änderung in der Luft zurückkäme. Und nun, muß ich sagen, ist mir ganz anders. So munter! - - daß ich mit eben so vieler Lebhaftigkeit, als ich an-
gefan-
Um drey, Freytags.
Jch nehme meine Feder noch einmal wieder. Jch dachte, daß ich mein letztes Lebewohl an Sie abgelaſſen haͤtte. Mir iſt niemals ſo gar wunderlich zu Muthe geweſen. Es war etwas, das meinen Verſtand gaͤnzlich zu benebeln ſchien ‒ ‒ Jch weiß nicht, wie ich es beſchreiben ſoll! ‒ ‒ Jch glaube, ich thue mir Schaden damit, daß ich ſo viel ſchreibe, und allzu viel uͤber mich nehme: allein ein wirkſames Gemuͤth kann nicht muͤßig ſeyn; wenn es gleich durch Krankheit des Leibes als wie mit truͤben Wolken umzogen wird.
Jch will ſehen, ob mir die Luft und eine un- terbrochne Aufmerkſamkeit helfen wollen ‒ ‒ Wollen ſie aber nicht helfen: ſo bekuͤmmern Sie ſich nicht um mich, meine wertheſte Freundinn. ‒ ‒ Jch werde gluͤcklich ſeyn. Ja ich bin es ſchon itzo mehr, als ich noch vor kurzem glaubte, daß ich es jemals in dieſem Leben ſeyn koͤnnte. ‒ ‒ Jedoch, wie feſt haͤnget ſich dieſer Leib an! ‒ ‒ Wie beſchwerlich iſt er!
Um ſieben.
Jch konnte dieſen Brief nicht mit einem ſo trau- rigen Beſchluß, wie Sie dafuͤr gehalten ha- ben wuͤrden, abgehen laſſen. Deswegen wartete ich ſo lange, ihn zu ſchließen, bis ich ſehen moͤchte, wie ich mich befaͤnde, wenn ich von meiner Ver- aͤnderung in der Luft zuruͤckkaͤme. Und nun, muß ich ſagen, iſt mir ganz anders. So munter! ‒ ‒ daß ich mit eben ſo vieler Lebhaftigkeit, als ich an-
gefan-
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Um drey, Freytags.
Jch nehme meine Feder noch einmal wieder.
Jch dachte, daß ich mein letztes Lebewohl an
Sie abgelaſſen haͤtte. Mir iſt niemals ſo gar
wunderlich zu Muthe geweſen. Es war etwas,
das meinen Verſtand gaͤnzlich zu benebeln ſchien
‒ ‒ Jch weiß nicht, wie ich es beſchreiben ſoll!
‒ ‒ Jch glaube, ich thue mir Schaden damit,
daß ich ſo viel ſchreibe, und allzu viel uͤber mich
nehme: allein ein wirkſames Gemuͤth kann nicht
muͤßig ſeyn; wenn es gleich durch Krankheit des
Leibes als wie mit truͤben Wolken umzogen wird.
Jch will ſehen, ob mir die Luft und eine un-
terbrochne Aufmerkſamkeit helfen wollen ‒ ‒
Wollen ſie aber nicht helfen: ſo bekuͤmmern Sie
ſich nicht um mich, meine wertheſte Freundinn.
‒ ‒ Jch werde gluͤcklich ſeyn. Ja ich bin es
ſchon itzo mehr, als ich noch vor kurzem glaubte,
daß ich es jemals in dieſem Leben ſeyn koͤnnte. ‒ ‒
Jedoch, wie feſt haͤnget ſich dieſer Leib an! ‒ ‒
Wie beſchwerlich iſt er!
Um ſieben.
Jch konnte dieſen Brief nicht mit einem ſo trau-
rigen Beſchluß, wie Sie dafuͤr gehalten ha-
ben wuͤrden, abgehen laſſen. Deswegen wartete
ich ſo lange, ihn zu ſchließen, bis ich ſehen moͤchte,
wie ich mich befaͤnde, wenn ich von meiner Ver-
aͤnderung in der Luft zuruͤckkaͤme. Und nun, muß
ich ſagen, iſt mir ganz anders. So munter! ‒ ‒
daß ich mit eben ſo vieler Lebhaftigkeit, als ich an-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/147>, abgerufen am 04.12.2024.
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