"zweifelung gebracht, und ihr eine Verachtung "gegen das Leben eingeflößet. Jch eröffnete ihm "daß sie so gut gewesen wäre, mir einen Brief zu- "zuschicken, damit sie mich von einem Besuch, den "ich mir fest vorgenommen hatte, abhalten möchte: "einen Brief, auf den ich große Hoffnung bauete; "weil sie mich in demselben versicherte, daß sie im "Begriff ware nach ihres Varers Hause abzu- "gehen, und daß ich sie daselbst sehen möch- "te, wofern ich es nicht durch meine eigne "Schuld hinderte.
Obr. Jst es möglich? Haben sie sich so ernstlich bemühet, mein Herr? Und hat sie ihnen wirklich einen solchen Brief zugeschickt?
Der Lord M. bekräftigte beydes, und auch, daß ich aus Gehorsam gegen ihr Verlangen, und wegen ihrer gethanen Anzeige, wieder von Lan- don herunter gekommen wäre, ohne das Vergnü- gen gehabt zu haben, welches ich mir vorgesetzt, sie zu sehen.
Es ist vollkommen wahr, Herr Obrist, sprach ich; und ich würde ihnen dieß schon vorher gesagt haben: allein ihre Hitze machte, daß ich Beden- ken trug, es zu thun; denn es hatte das Anse- hen, wie ich gesagt habe, als wenn ich mich durch einen niederträchtigen Vergleich ergeben wollte. Eine Feigheit, um welcher willen ich mich selbst eben so sehr verachtet haben würde, wenn ich da- zu aufgelegt gewesen wäre, als ich von ihnen ver- achtet zu werden erwartet haben möchte.
Der
Siebenter Theil. O
„zweifelung gebracht, und ihr eine Verachtung „gegen das Leben eingefloͤßet. Jch eroͤffnete ihm „daß ſie ſo gut geweſen waͤre, mir einen Brief zu- „zuſchicken, damit ſie mich von einem Beſuch, den „ich mir feſt vorgenommen hatte, abhalten moͤchte: „einen Brief, auf den ich große Hoffnung bauete; „weil ſie mich in demſelben verſicherte, daß ſie im „Begriff ware nach ihres Varers Hauſe abzu- „gehen, und daß ich ſie daſelbſt ſehen moͤch- „te, wofern ich es nicht durch meine eigne „Schuld hinderte.
Obr. Jſt es moͤglich? Haben ſie ſich ſo ernſtlich bemuͤhet, mein Herr? Und hat ſie ihnen wirklich einen ſolchen Brief zugeſchickt?
Der Lord M. bekraͤftigte beydes, und auch, daß ich aus Gehorſam gegen ihr Verlangen, und wegen ihrer gethanen Anzeige, wieder von Lan- don herunter gekommen waͤre, ohne das Vergnuͤ- gen gehabt zu haben, welches ich mir vorgeſetzt, ſie zu ſehen.
Es iſt vollkommen wahr, Herr Obriſt, ſprach ich; und ich wuͤrde ihnen dieß ſchon vorher geſagt haben: allein ihre Hitze machte, daß ich Beden- ken trug, es zu thun; denn es hatte das Anſe- hen, wie ich geſagt habe, als wenn ich mich durch einen niedertraͤchtigen Vergleich ergeben wollte. Eine Feigheit, um welcher willen ich mich ſelbſt eben ſo ſehr verachtet haben wuͤrde, wenn ich da- zu aufgelegt geweſen waͤre, als ich von ihnen ver- achtet zu werden erwartet haben moͤchte.
Der
Siebenter Theil. O
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0215"n="209"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>„zweifelung gebracht, und ihr eine Verachtung<lb/>„gegen das Leben eingefloͤßet. Jch eroͤffnete ihm<lb/>„daß ſie ſo gut geweſen waͤre, mir einen Brief zu-<lb/>„zuſchicken, damit ſie mich von einem Beſuch, den<lb/>„ich mir feſt vorgenommen hatte, abhalten moͤchte:<lb/>„einen Brief, auf den ich große Hoffnung bauete;<lb/>„weil ſie mich in demſelben verſicherte, daß ſie im<lb/>„Begriff ware <hirendition="#fr">nach ihres Varers Hauſe abzu-<lb/>„gehen, und daß ich ſie daſelbſt ſehen moͤch-<lb/>„te, wofern ich es nicht durch meine eigne<lb/>„Schuld hinderte.</hi></p><lb/><p><hirendition="#fr">Obr.</hi> Jſt es moͤglich? Haben ſie ſich ſo<lb/>
ernſtlich bemuͤhet, mein Herr? Und hat ſie ihnen<lb/>
wirklich einen ſolchen Brief zugeſchickt?</p><lb/><p>Der Lord M. bekraͤftigte beydes, und auch,<lb/>
daß ich aus Gehorſam gegen ihr Verlangen, und<lb/>
wegen ihrer gethanen Anzeige, wieder von Lan-<lb/>
don herunter gekommen waͤre, ohne das Vergnuͤ-<lb/>
gen gehabt zu haben, welches ich mir vorgeſetzt,<lb/>ſie zu ſehen.</p><lb/><p>Es iſt vollkommen wahr, Herr Obriſt, ſprach<lb/>
ich; und ich wuͤrde ihnen dieß ſchon vorher geſagt<lb/>
haben: allein ihre Hitze machte, daß ich Beden-<lb/>
ken trug, es zu thun; denn es hatte das Anſe-<lb/>
hen, wie ich geſagt habe, als wenn ich mich durch<lb/>
einen niedertraͤchtigen Vergleich ergeben wollte.<lb/>
Eine Feigheit, um welcher willen ich <hirendition="#fr">mich ſelbſt</hi><lb/>
eben ſo ſehr verachtet haben wuͤrde, wenn ich da-<lb/>
zu aufgelegt geweſen waͤre, als ich von <hirendition="#fr">ihnen</hi> ver-<lb/>
achtet zu werden erwartet haben moͤchte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Siebenter Theil.</hi> O</fw><fwplace="bottom"type="catch">Der</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[209/0215]
„zweifelung gebracht, und ihr eine Verachtung
„gegen das Leben eingefloͤßet. Jch eroͤffnete ihm
„daß ſie ſo gut geweſen waͤre, mir einen Brief zu-
„zuſchicken, damit ſie mich von einem Beſuch, den
„ich mir feſt vorgenommen hatte, abhalten moͤchte:
„einen Brief, auf den ich große Hoffnung bauete;
„weil ſie mich in demſelben verſicherte, daß ſie im
„Begriff ware nach ihres Varers Hauſe abzu-
„gehen, und daß ich ſie daſelbſt ſehen moͤch-
„te, wofern ich es nicht durch meine eigne
„Schuld hinderte.
Obr. Jſt es moͤglich? Haben ſie ſich ſo
ernſtlich bemuͤhet, mein Herr? Und hat ſie ihnen
wirklich einen ſolchen Brief zugeſchickt?
Der Lord M. bekraͤftigte beydes, und auch,
daß ich aus Gehorſam gegen ihr Verlangen, und
wegen ihrer gethanen Anzeige, wieder von Lan-
don herunter gekommen waͤre, ohne das Vergnuͤ-
gen gehabt zu haben, welches ich mir vorgeſetzt,
ſie zu ſehen.
Es iſt vollkommen wahr, Herr Obriſt, ſprach
ich; und ich wuͤrde ihnen dieß ſchon vorher geſagt
haben: allein ihre Hitze machte, daß ich Beden-
ken trug, es zu thun; denn es hatte das Anſe-
hen, wie ich geſagt habe, als wenn ich mich durch
einen niedertraͤchtigen Vergleich ergeben wollte.
Eine Feigheit, um welcher willen ich mich ſelbſt
eben ſo ſehr verachtet haben wuͤrde, wenn ich da-
zu aufgelegt geweſen waͤre, als ich von ihnen ver-
achtet zu werden erwartet haben moͤchte.
Der
Siebenter Theil. O
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/215>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.