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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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durch meine Seele nicht in Bewegung gebracht
werde! - - und daß sie durch einen Besuch all-
zu sehr in Unordnung gerathen
würde: so
wollte ich nicht daran denken. - - Jedoch wie
kann ich die Vorstellung, woran ich mich erinnern
muß, ertragen, daß sie damals, da sie das letzte
mal von mir ging; als ihre Unschuld so siegreich
die Oberhand über meine vorsetzliche Schuld be-
hielte, daß es genug war, sie dem Leben wieder
zur Freundinn zu machen und über alle so edelmü-
thig ausgestandene Beleidigungen hinauszusetzen;
mit einem unheilbaren Bruch in ihrem Herzen
weggegangen, und das das letzte mal gewesen
seyn sollte, da ich sie jemals sehen würde! - -
Wie, wie kann ich diese Betrachtung ertragen!

O Bruder! wie zerreißt mich mein Gewis-
sen, das so gar deinen stumpfen Anmerkungen eine
durchschneidende Schärfe giebt! - - Selbst die-
sen Augenblick wollte ich die ganze Welt dafür
hingeben, daß ich durch eine frohe Veränderung,
die darzwischen kommen möchte, diesen grausamen
Zuchtmeister mit seinen Vorwürfen von mir trei-
ben könnte! - - Verdrießlich über mich selbst!
- - Verdrießlich über das Andenken meiner
schändlichen Ränke und meiner geringen, mei-
ner nur auf einen Augenblick gegenwärtigen
Entzückung; O ich schändlicher Dieb und Rau-
ber! welche mir eine so dauerhafte und so
schwere Gewissensangst über den Hals gebracht
hat! Was wollte ich darum geben, daß ich mich
nicht einer so grausamen und undankbaren Treu-

losig-
Siebenter Theil. T



durch meine Seele nicht in Bewegung gebracht
werde! ‒ ‒ und daß ſie durch einen Beſuch all-
zu ſehr in Unordnung gerathen
wuͤrde: ſo
wollte ich nicht daran denken. ‒ ‒ Jedoch wie
kann ich die Vorſtellung, woran ich mich erinnern
muß, ertragen, daß ſie damals, da ſie das letzte
mal von mir ging; als ihre Unſchuld ſo ſiegreich
die Oberhand uͤber meine vorſetzliche Schuld be-
hielte, daß es genug war, ſie dem Leben wieder
zur Freundinn zu machen und uͤber alle ſo edelmuͤ-
thig ausgeſtandene Beleidigungen hinauszuſetzen;
mit einem unheilbaren Bruch in ihrem Herzen
weggegangen, und das das letzte mal geweſen
ſeyn ſollte, da ich ſie jemals ſehen wuͤrde! ‒ ‒
Wie, wie kann ich dieſe Betrachtung ertragen!

O Bruder! wie zerreißt mich mein Gewiſ-
ſen, das ſo gar deinen ſtumpfen Anmerkungen eine
durchſchneidende Schaͤrfe giebt! ‒ ‒ Selbſt die-
ſen Augenblick wollte ich die ganze Welt dafuͤr
hingeben, daß ich durch eine frohe Veraͤnderung,
die darzwiſchen kommen moͤchte, dieſen grauſamen
Zuchtmeiſter mit ſeinen Vorwuͤrfen von mir trei-
ben koͤnnte! ‒ ‒ Verdrießlich uͤber mich ſelbſt!
‒ ‒ Verdrießlich uͤber das Andenken meiner
ſchaͤndlichen Raͤnke und meiner geringen, mei-
ner nur auf einen Augenblick gegenwaͤrtigen
Entzuͤckung; O ich ſchaͤndlicher Dieb und Rau-
ber! welche mir eine ſo dauerhafte und ſo
ſchwere Gewiſſensangſt uͤber den Hals gebracht
hat! Was wollte ich darum geben, daß ich mich
nicht einer ſo grauſamen und undankbaren Treu-

loſig-
Siebenter Theil. T
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[289/0295] durch meine Seele nicht in Bewegung gebracht werde! ‒ ‒ und daß ſie durch einen Beſuch all- zu ſehr in Unordnung gerathen wuͤrde: ſo wollte ich nicht daran denken. ‒ ‒ Jedoch wie kann ich die Vorſtellung, woran ich mich erinnern muß, ertragen, daß ſie damals, da ſie das letzte mal von mir ging; als ihre Unſchuld ſo ſiegreich die Oberhand uͤber meine vorſetzliche Schuld be- hielte, daß es genug war, ſie dem Leben wieder zur Freundinn zu machen und uͤber alle ſo edelmuͤ- thig ausgeſtandene Beleidigungen hinauszuſetzen; mit einem unheilbaren Bruch in ihrem Herzen weggegangen, und das das letzte mal geweſen ſeyn ſollte, da ich ſie jemals ſehen wuͤrde! ‒ ‒ Wie, wie kann ich dieſe Betrachtung ertragen! O Bruder! wie zerreißt mich mein Gewiſ- ſen, das ſo gar deinen ſtumpfen Anmerkungen eine durchſchneidende Schaͤrfe giebt! ‒ ‒ Selbſt die- ſen Augenblick wollte ich die ganze Welt dafuͤr hingeben, daß ich durch eine frohe Veraͤnderung, die darzwiſchen kommen moͤchte, dieſen grauſamen Zuchtmeiſter mit ſeinen Vorwuͤrfen von mir trei- ben koͤnnte! ‒ ‒ Verdrießlich uͤber mich ſelbſt! ‒ ‒ Verdrießlich uͤber das Andenken meiner ſchaͤndlichen Raͤnke und meiner geringen, mei- ner nur auf einen Augenblick gegenwaͤrtigen Entzuͤckung; O ich ſchaͤndlicher Dieb und Rau- ber! welche mir eine ſo dauerhafte und ſo ſchwere Gewiſſensangſt uͤber den Hals gebracht hat! Was wollte ich darum geben, daß ich mich nicht einer ſo grauſamen und undankbaren Treu- loſig- Siebenter Theil. T

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/295>, abgerufen am 22.11.2024.