Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



von einander, als wenn eine Bewegung uns bey-
de regierte, eine Ursache uns beyde rührte.

Der Obrist seufzete, als wenn ihm das Herz
bersten wollte. Endlich sagte er mit aufgehabe-
nem Gesichte und Händen und gegen mich gekehr-
tem Rücken, zu sich selbst: Gnädiger Himmel,
stehe mir bey! - - Und ist es so, o Meisterstück
der Natur! Darauf hielte er ein wenig inne - -
Und müssen wir nicht mehr - - Niemals mehr!
- - Meine preiswürdige, preiswürdige Base!
- - Hierbey sprach er einige andere Worte aus,
welche seine Seufzer unvernehmlich machten. - -
Hernach sagte er, als wenn er sich wieder fassete
- - Vergeben sie mir, mein Herr! - - Entschul-
digen sie mich, Herr Belford; und, indem er bey
mir weghuschte: Jch hoffe, sie bald zu sehen, mein
Herr! - - Hiemit ging er die Treppe hinunter,
und zum Hause hinaus, und ließ mich unbeweg-
lich, wie eine Säule.

Nachdem ich wieder zu mir selbst gekommen
war: war es beynahe nur, um über das, was ich
damals eine ungleiche Regierung der Vorsicht
nannte, zu klagen. Jch vergaß ihre glückliche
Zubereitung und noch glücklichern Ausgang aus
der Welt. Jch vergaß, daß ihr nur das gemei-
ne Schicksal wiederfahren war, und sie bey dem-
selben gesieget, einen jeden aber der Glückseligkeit
weniger versichert hinterlassen hatte, ob gleich
eben so gewiß, daß es dereinst sein Schicksal seyn
würde.

Sie



von einander, als wenn eine Bewegung uns bey-
de regierte, eine Urſache uns beyde ruͤhrte.

Der Obriſt ſeufzete, als wenn ihm das Herz
berſten wollte. Endlich ſagte er mit aufgehabe-
nem Geſichte und Haͤnden und gegen mich gekehr-
tem Ruͤcken, zu ſich ſelbſt: Gnaͤdiger Himmel,
ſtehe mir bey! ‒ ‒ Und iſt es ſo, o Meiſterſtuͤck
der Natur! Darauf hielte er ein wenig inne ‒ ‒
Und muͤſſen wir nicht mehr ‒ ‒ Niemals mehr!
‒ ‒ Meine preiswuͤrdige, preiswuͤrdige Baſe!
‒ ‒ Hierbey ſprach er einige andere Worte aus,
welche ſeine Seufzer unvernehmlich machten. ‒ ‒
Hernach ſagte er, als wenn er ſich wieder faſſete
‒ ‒ Vergeben ſie mir, mein Herr! ‒ ‒ Entſchul-
digen ſie mich, Herr Belford; und, indem er bey
mir weghuſchte: Jch hoffe, ſie bald zu ſehen, mein
Herr! ‒ ‒ Hiemit ging er die Treppe hinunter,
und zum Hauſe hinaus, und ließ mich unbeweg-
lich, wie eine Saͤule.

Nachdem ich wieder zu mir ſelbſt gekommen
war: war es beynahe nur, um uͤber das, was ich
damals eine ungleiche Regierung der Vorſicht
nannte, zu klagen. Jch vergaß ihre gluͤckliche
Zubereitung und noch gluͤcklichern Ausgang aus
der Welt. Jch vergaß, daß ihr nur das gemei-
ne Schickſal wiederfahren war, und ſie bey dem-
ſelben geſieget, einen jeden aber der Gluͤckſeligkeit
weniger verſichert hinterlaſſen hatte, ob gleich
eben ſo gewiß, daß es dereinſt ſein Schickſal ſeyn
wuͤrde.

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0469" n="463"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
von einander, als wenn eine Bewegung uns bey-<lb/>
de regierte, eine Ur&#x017F;ache uns beyde ru&#x0364;hrte.</p><lb/>
          <p>Der Obri&#x017F;t &#x017F;eufzete, als wenn ihm das Herz<lb/>
ber&#x017F;ten wollte. Endlich &#x017F;agte er mit aufgehabe-<lb/>
nem Ge&#x017F;ichte und Ha&#x0364;nden und gegen mich gekehr-<lb/>
tem Ru&#x0364;cken, zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t: Gna&#x0364;diger Himmel,<lb/>
&#x017F;tehe mir bey! &#x2012; &#x2012; Und i&#x017F;t es &#x017F;o, o Mei&#x017F;ter&#x017F;tu&#x0364;ck<lb/>
der Natur! Darauf hielte er ein wenig inne &#x2012; &#x2012;<lb/>
Und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir nicht mehr &#x2012; &#x2012; <hi rendition="#fr">Niemals mehr!</hi><lb/>
&#x2012; &#x2012; Meine preiswu&#x0364;rdige, preiswu&#x0364;rdige Ba&#x017F;e!<lb/>
&#x2012; &#x2012; Hierbey &#x017F;prach er einige andere Worte aus,<lb/>
welche &#x017F;eine Seufzer unvernehmlich machten. &#x2012; &#x2012;<lb/>
Hernach &#x017F;agte er, als wenn er &#x017F;ich wieder fa&#x017F;&#x017F;ete<lb/>
&#x2012; &#x2012; Vergeben &#x017F;ie mir, mein Herr! &#x2012; &#x2012; Ent&#x017F;chul-<lb/>
digen &#x017F;ie mich, Herr Belford; und, indem er bey<lb/>
mir weghu&#x017F;chte: Jch hoffe, &#x017F;ie bald zu &#x017F;ehen, mein<lb/>
Herr! &#x2012; &#x2012; Hiemit ging er die Treppe hinunter,<lb/>
und zum Hau&#x017F;e hinaus, und ließ mich unbeweg-<lb/>
lich, wie eine Sa&#x0364;ule.</p><lb/>
          <p>Nachdem ich wieder zu mir &#x017F;elb&#x017F;t gekommen<lb/>
war: war es beynahe nur, um u&#x0364;ber das, was ich<lb/><hi rendition="#fr">damals</hi> eine ungleiche Regierung der Vor&#x017F;icht<lb/>
nannte, zu klagen. Jch vergaß ihre glu&#x0364;ckliche<lb/>
Zubereitung und noch glu&#x0364;cklichern Ausgang aus<lb/>
der Welt. Jch vergaß, daß ihr nur das gemei-<lb/>
ne Schick&#x017F;al wiederfahren war, und &#x017F;ie bey dem-<lb/>
&#x017F;elben ge&#x017F;ieget, einen jeden aber der Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit<lb/>
weniger ver&#x017F;ichert hinterla&#x017F;&#x017F;en hatte, ob gleich<lb/>
eben &#x017F;o gewiß, daß es derein&#x017F;t &#x017F;ein Schick&#x017F;al &#x017F;eyn<lb/>
wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[463/0469] von einander, als wenn eine Bewegung uns bey- de regierte, eine Urſache uns beyde ruͤhrte. Der Obriſt ſeufzete, als wenn ihm das Herz berſten wollte. Endlich ſagte er mit aufgehabe- nem Geſichte und Haͤnden und gegen mich gekehr- tem Ruͤcken, zu ſich ſelbſt: Gnaͤdiger Himmel, ſtehe mir bey! ‒ ‒ Und iſt es ſo, o Meiſterſtuͤck der Natur! Darauf hielte er ein wenig inne ‒ ‒ Und muͤſſen wir nicht mehr ‒ ‒ Niemals mehr! ‒ ‒ Meine preiswuͤrdige, preiswuͤrdige Baſe! ‒ ‒ Hierbey ſprach er einige andere Worte aus, welche ſeine Seufzer unvernehmlich machten. ‒ ‒ Hernach ſagte er, als wenn er ſich wieder faſſete ‒ ‒ Vergeben ſie mir, mein Herr! ‒ ‒ Entſchul- digen ſie mich, Herr Belford; und, indem er bey mir weghuſchte: Jch hoffe, ſie bald zu ſehen, mein Herr! ‒ ‒ Hiemit ging er die Treppe hinunter, und zum Hauſe hinaus, und ließ mich unbeweg- lich, wie eine Saͤule. Nachdem ich wieder zu mir ſelbſt gekommen war: war es beynahe nur, um uͤber das, was ich damals eine ungleiche Regierung der Vorſicht nannte, zu klagen. Jch vergaß ihre gluͤckliche Zubereitung und noch gluͤcklichern Ausgang aus der Welt. Jch vergaß, daß ihr nur das gemei- ne Schickſal wiederfahren war, und ſie bey dem- ſelben geſieget, einen jeden aber der Gluͤckſeligkeit weniger verſichert hinterlaſſen hatte, ob gleich eben ſo gewiß, daß es dereinſt ſein Schickſal ſeyn wuͤrde. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/469
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/469>, abgerufen am 22.11.2024.