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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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Zu gleicher Zeit schreibe ich auch in der Ab-
sicht, daß ich Jhnen beyden für alle Jhre Güte
und Nachsicht gegen mich Dank abstatte, und Sie
wegen meines letzten, meines einzigen großen
Fehlers gegen Sie und gegen meine Familie, um
Verzeihung bitte.

Die Wege der Vorsehung sind unerforschlich.
Mannichfaltig sind die Mittel, welche sie gebraucht,
arme Sünder zu einer Empfindung ihrer Pflicht
zu bringen. Einige werden, durch Liebe gezogen,
andere durch Schrecken getrieben, zu ihrer göttli-
chen Zuflucht geführet. Jch hatte auf achtzehn
Jahre von neunzehn mich der Gunst und Zunei-
gung eines jeden zu erfreuen gehabt. Keine Un-
ruhe traf mein Herze. Jch schiene eine von de-
nen zu seyn, die durch sanfte Seile der Liebe gezo-
gen werden sollten - - Allein vielleicht war ich
zu sehr geneigt mich wegen der Liebe und Gewo-
genheit eines jeden zu hoch zu schätzen. Das
Verdienst von dem Guten, welches ich zu thun
Vergnügen fand, und von denen Neigungen, die
mir verliehen waren, und die ich nicht durch mein
Zuthun haben konnte, war ich vielleicht allzu be-
reit mir selbst zuzuschreiben. Nun, da ich Ver-
anlassung habe, den Grund von meiner zeitlichen
Trübsal anzugeben, finde ich, daß ich einen gehei-
men Stolz gehabt habe, den ich nicht ergründet
hatte, für welchen ich gestraft werden mußte. Es
ist vielleicht nöthig gewesen, daß mich einige har-
te und schreckliche Unglücksfälle überfielen, damit

mein
J i 4


Zu gleicher Zeit ſchreibe ich auch in der Ab-
ſicht, daß ich Jhnen beyden fuͤr alle Jhre Guͤte
und Nachſicht gegen mich Dank abſtatte, und Sie
wegen meines letzten, meines einzigen großen
Fehlers gegen Sie und gegen meine Familie, um
Verzeihung bitte.

Die Wege der Vorſehung ſind unerforſchlich.
Mannichfaltig ſind die Mittel, welche ſie gebraucht,
arme Suͤnder zu einer Empfindung ihrer Pflicht
zu bringen. Einige werden, durch Liebe gezogen,
andere durch Schrecken getrieben, zu ihrer goͤttli-
chen Zuflucht gefuͤhret. Jch hatte auf achtzehn
Jahre von neunzehn mich der Gunſt und Zunei-
gung eines jeden zu erfreuen gehabt. Keine Un-
ruhe traf mein Herze. Jch ſchiene eine von de-
nen zu ſeyn, die durch ſanfte Seile der Liebe gezo-
gen werden ſollten ‒ ‒ Allein vielleicht war ich
zu ſehr geneigt mich wegen der Liebe und Gewo-
genheit eines jeden zu hoch zu ſchaͤtzen. Das
Verdienſt von dem Guten, welches ich zu thun
Vergnuͤgen fand, und von denen Neigungen, die
mir verliehen waren, und die ich nicht durch mein
Zuthun haben konnte, war ich vielleicht allzu be-
reit mir ſelbſt zuzuſchreiben. Nun, da ich Ver-
anlaſſung habe, den Grund von meiner zeitlichen
Truͤbſal anzugeben, finde ich, daß ich einen gehei-
men Stolz gehabt habe, den ich nicht ergruͤndet
hatte, fuͤr welchen ich geſtraft werden mußte. Es
iſt vielleicht noͤthig geweſen, daß mich einige har-
te und ſchreckliche Ungluͤcksfaͤlle uͤberfielen, damit

mein
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[503/0509] Zu gleicher Zeit ſchreibe ich auch in der Ab- ſicht, daß ich Jhnen beyden fuͤr alle Jhre Guͤte und Nachſicht gegen mich Dank abſtatte, und Sie wegen meines letzten, meines einzigen großen Fehlers gegen Sie und gegen meine Familie, um Verzeihung bitte. Die Wege der Vorſehung ſind unerforſchlich. Mannichfaltig ſind die Mittel, welche ſie gebraucht, arme Suͤnder zu einer Empfindung ihrer Pflicht zu bringen. Einige werden, durch Liebe gezogen, andere durch Schrecken getrieben, zu ihrer goͤttli- chen Zuflucht gefuͤhret. Jch hatte auf achtzehn Jahre von neunzehn mich der Gunſt und Zunei- gung eines jeden zu erfreuen gehabt. Keine Un- ruhe traf mein Herze. Jch ſchiene eine von de- nen zu ſeyn, die durch ſanfte Seile der Liebe gezo- gen werden ſollten ‒ ‒ Allein vielleicht war ich zu ſehr geneigt mich wegen der Liebe und Gewo- genheit eines jeden zu hoch zu ſchaͤtzen. Das Verdienſt von dem Guten, welches ich zu thun Vergnuͤgen fand, und von denen Neigungen, die mir verliehen waren, und die ich nicht durch mein Zuthun haben konnte, war ich vielleicht allzu be- reit mir ſelbſt zuzuſchreiben. Nun, da ich Ver- anlaſſung habe, den Grund von meiner zeitlichen Truͤbſal anzugeben, finde ich, daß ich einen gehei- men Stolz gehabt habe, den ich nicht ergruͤndet hatte, fuͤr welchen ich geſtraft werden mußte. Es iſt vielleicht noͤthig geweſen, daß mich einige har- te und ſchreckliche Ungluͤcksfaͤlle uͤberfielen, damit mein J i 4

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/509>, abgerufen am 22.11.2024.