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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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Jch habe schon mündlich verordnet, daß, wenn ich
todt bin, und man mich auf die Weise, wie ich
ich angeordnet, gekleidet hat, ich so bald, als
möglich, in meinen Sarg gelegt werde. Es
ist mein Wille, daß ich nicht ohne Noth jeman-
den zum Schau gegeben werden möge: ausge-
nommen wenn einige von meinen Verwandten
sich belieben lassen wollten, mich zum letzten
mal zu sehen.

Jch möchte wünschen, wenn es sich, ohne ein Mis-
verständniß zwischen Herrn Lovelace und dem
Ausrichter meines Testaments zu erregen, ver-
meiden ließ, daß dem erstern nicht gestattet
werden möchte, meinen Leichnam zu sehen.
Allein, wofern er, wie er ein unbändiger Mensch
ist, und ich Niemand angehöre, darauf bestehet,
diejenige todt zu sehen, die er schon einmal
vorher gewissermaßen todt gesehen hat: so mag
seine fröhliche Neubegierde gestillet werden. Er
mag den elenden Ueberrest derjenigen, die zu
einem Opfer seiner grausamen Treulosigkeit ge-
macht ist, ansehen und darüber frohlocken: aber
eine oder die andere gottselige Person soll ihm,
indem er den schrecklichen Anblick vor sich hat,
ein Papier, als auf mein Verlangen, überrei-
chen, worauf nur diese wenige Worte stehen:
- - "Fröhliches, grausames Herz, siehe hier den
"Ueberrest der ehemals unglücklich gemachten,
"nun aber glücklichen Clarissa Harlowe! - -
"Siehe, was du selbst gar bald seyn mußt: - -
"und thue Buße!" - -

Jedoch,
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Jch habe ſchon muͤndlich verordnet, daß, wenn ich
todt bin, und man mich auf die Weiſe, wie ich
ich angeordnet, gekleidet hat, ich ſo bald, als
moͤglich, in meinen Sarg gelegt werde. Es
iſt mein Wille, daß ich nicht ohne Noth jeman-
den zum Schau gegeben werden moͤge: ausge-
nommen wenn einige von meinen Verwandten
ſich belieben laſſen wollten, mich zum letzten
mal zu ſehen.

Jch moͤchte wuͤnſchen, wenn es ſich, ohne ein Mis-
verſtaͤndniß zwiſchen Herrn Lovelace und dem
Ausrichter meines Teſtaments zu erregen, ver-
meiden ließ, daß dem erſtern nicht geſtattet
werden moͤchte, meinen Leichnam zu ſehen.
Allein, wofern er, wie er ein unbaͤndiger Menſch
iſt, und ich Niemand angehoͤre, darauf beſtehet,
diejenige todt zu ſehen, die er ſchon einmal
vorher gewiſſermaßen todt geſehen hat: ſo mag
ſeine froͤhliche Neubegierde geſtillet werden. Er
mag den elenden Ueberreſt derjenigen, die zu
einem Opfer ſeiner grauſamen Treuloſigkeit ge-
macht iſt, anſehen und daruͤber frohlocken: aber
eine oder die andere gottſelige Perſon ſoll ihm,
indem er den ſchrecklichen Anblick vor ſich hat,
ein Papier, als auf mein Verlangen, uͤberrei-
chen, worauf nur dieſe wenige Worte ſtehen:
‒ ‒ „Froͤhliches, grauſames Herz, ſiehe hier den
„Ueberreſt der ehemals ungluͤcklich gemachten,
„nun aber gluͤcklichen Clariſſa Harlowe! ‒ ‒
„Siehe, was du ſelbſt gar bald ſeyn mußt: ‒ ‒
„und thue Buße!“ ‒ ‒

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[627/0633] Jch habe ſchon muͤndlich verordnet, daß, wenn ich todt bin, und man mich auf die Weiſe, wie ich ich angeordnet, gekleidet hat, ich ſo bald, als moͤglich, in meinen Sarg gelegt werde. Es iſt mein Wille, daß ich nicht ohne Noth jeman- den zum Schau gegeben werden moͤge: ausge- nommen wenn einige von meinen Verwandten ſich belieben laſſen wollten, mich zum letzten mal zu ſehen. Jch moͤchte wuͤnſchen, wenn es ſich, ohne ein Mis- verſtaͤndniß zwiſchen Herrn Lovelace und dem Ausrichter meines Teſtaments zu erregen, ver- meiden ließ, daß dem erſtern nicht geſtattet werden moͤchte, meinen Leichnam zu ſehen. Allein, wofern er, wie er ein unbaͤndiger Menſch iſt, und ich Niemand angehoͤre, darauf beſtehet, diejenige todt zu ſehen, die er ſchon einmal vorher gewiſſermaßen todt geſehen hat: ſo mag ſeine froͤhliche Neubegierde geſtillet werden. Er mag den elenden Ueberreſt derjenigen, die zu einem Opfer ſeiner grauſamen Treuloſigkeit ge- macht iſt, anſehen und daruͤber frohlocken: aber eine oder die andere gottſelige Perſon ſoll ihm, indem er den ſchrecklichen Anblick vor ſich hat, ein Papier, als auf mein Verlangen, uͤberrei- chen, worauf nur dieſe wenige Worte ſtehen: ‒ ‒ „Froͤhliches, grauſames Herz, ſiehe hier den „Ueberreſt der ehemals ungluͤcklich gemachten, „nun aber gluͤcklichen Clariſſa Harlowe! ‒ ‒ „Siehe, was du ſelbſt gar bald ſeyn mußt: ‒ ‒ „und thue Buße!“ ‒ ‒ Jedoch, R r 2

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/633>, abgerufen am 22.11.2024.