Als ich die Verordnung las, "daß ihr Leich- "nam nicht zum Schau gegeben werden sollte, "ausgenommen wenn jemand von ihren Verwand- "ten für gut finden möchte, sie das letzte mal an- "zusehen:" wandten sie sich drey oder viermal wechselsweise von mir weg, und wieder zu mir. Fr. Hervey und Fräulein Arabella hohlten tiefe Seufzer; die Onkels wischten ihre Augen, der Bruder sahe vor sich nieder; der Vater rang die Hände.
Bey den Worten, "daß sie niemand ange- "hörte," ward ich genöthigt abzubrechen.
Da ich aber auf die Anrede kam, die durch ein Papier an den verfluchten Menschen gesche- hen sollte, "wo er nicht davon abzubringen wäre, "diejenige todt zu sehen, die er schon ehemals ge- "wissermaßen todt gesehen hätte" - - gingen Flü- che, und entweder Gelübde oder Wünsche zur Rache, aus eines jeden Munde.
Diese wurden noch feuriger erneuret, da sie lesen hörten, wie sie auch so gar diesem Menschen vergiebet.
Sie erinnern sich, mein Herr, was ich da- mals, als wir zu London das Testament zum er- stenmal lasen, über das unehrliche Verfahren, das die vortreffliche Fräulein von dem verruchten Menschen offenbar erduldet hat, für Anmerkun- gen machte, und was ich bey der Gelegenheit sagte. Jch bin nicht gewohnt, dergleichen Dinge zu wie- derhohlen.
Die
Als ich die Verordnung las, „daß ihr Leich- „nam nicht zum Schau gegeben werden ſollte, „ausgenommen wenn jemand von ihren Verwand- „ten fuͤr gut finden moͤchte, ſie das letzte mal an- „zuſehen:“ wandten ſie ſich drey oder viermal wechſelsweiſe von mir weg, und wieder zu mir. Fr. Hervey und Fraͤulein Arabella hohlten tiefe Seufzer; die Onkels wiſchten ihre Augen, der Bruder ſahe vor ſich nieder; der Vater rang die Haͤnde.
Bey den Worten, „daß ſie niemand ange- „hoͤrte,“ ward ich genoͤthigt abzubrechen.
Da ich aber auf die Anrede kam, die durch ein Papier an den verfluchten Menſchen geſche- hen ſollte, „wo er nicht davon abzubringen waͤre, „diejenige todt zu ſehen, die er ſchon ehemals ge- „wiſſermaßen todt geſehen haͤtte“ ‒ ‒ gingen Fluͤ- che, und entweder Geluͤbde oder Wuͤnſche zur Rache, aus eines jeden Munde.
Dieſe wurden noch feuriger erneuret, da ſie leſen hoͤrten, wie ſie auch ſo gar dieſem Menſchen vergiebet.
Sie erinnern ſich, mein Herr, was ich da- mals, als wir zu London das Teſtament zum er- ſtenmal laſen, uͤber das unehrliche Verfahren, das die vortreffliche Fraͤulein von dem verruchten Menſchen offenbar erduldet hat, fuͤr Anmerkun- gen machte, und was ich bey der Gelegenheit ſagte. Jch bin nicht gewohnt, dergleichen Dinge zu wie- derhohlen.
Die
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Als ich die Verordnung las, „daß ihr Leich-
„nam nicht zum Schau gegeben werden ſollte,
„ausgenommen wenn jemand von ihren Verwand-
„ten fuͤr gut finden moͤchte, ſie das letzte mal an-
„zuſehen:“ wandten ſie ſich drey oder viermal
wechſelsweiſe von mir weg, und wieder zu mir.
Fr. Hervey und Fraͤulein Arabella hohlten tiefe
Seufzer; die Onkels wiſchten ihre Augen, der
Bruder ſahe vor ſich nieder; der Vater rang die
Haͤnde.
Bey den Worten, „daß ſie niemand ange-
„hoͤrte,“ ward ich genoͤthigt abzubrechen.
Da ich aber auf die Anrede kam, die durch
ein Papier an den verfluchten Menſchen geſche-
hen ſollte, „wo er nicht davon abzubringen waͤre,
„diejenige todt zu ſehen, die er ſchon ehemals ge-
„wiſſermaßen todt geſehen haͤtte“ ‒ ‒ gingen Fluͤ-
che, und entweder Geluͤbde oder Wuͤnſche zur
Rache, aus eines jeden Munde.
Dieſe wurden noch feuriger erneuret, da ſie
leſen hoͤrten, wie ſie auch ſo gar dieſem Menſchen
vergiebet.
Sie erinnern ſich, mein Herr, was ich da-
mals, als wir zu London das Teſtament zum er-
ſtenmal laſen, uͤber das unehrliche Verfahren,
das die vortreffliche Fraͤulein von dem verruchten
Menſchen offenbar erduldet hat, fuͤr Anmerkun-
gen machte, und was ich bey der Gelegenheit ſagte.
Jch bin nicht gewohnt, dergleichen Dinge zu wie-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 656. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/662>, abgerufen am 22.11.2024.
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