euch, weiter Erkundigung von ihm einzuziehen, und ihm zu geben, was ihr für gut findet.
Sein Bothe sagt mir, daß er sehr bußfertig ist. Er weint beständig. Er ruft aus, daß er der schändlichste Mensch von der Welt gewesen: jedoch sucht er es damit zu bemänteln, daß seine Dürstigkeit ihn ärger zu seyn genöthiget, als er sonst gewesen seyn würde; eine Entschuldigung, die keiner von uns für sich anführen kann. Was ihn aber am meisten rührte, spricht er, wäre eine schändliche Betrügerey, zu der er, einem gewissen reichen und vornehmen Cavallier zu dienen, ver- leitet wäre, zum Verderben des vortrefflichsten Frauenzimmers, das jemals gelebet, und das, wie er gehöret, vor Kummer gestorben wäre.
Laß mich überlegen, Lovelace - - An wen kann die Reihe zunächst kommen? - - Jch wün- sche, nicht an dich. Allein weil du mir ein Stück von einem Rath giebest, den ich in der That dei- nem Charakter nicht gemäß geachtet haben wür- de, wenn du dir nicht die Mühe genommen hät- test, mich zu überzeugen, daß er nicht aus guten Grundsätzen herkomme: so will ich dir wieder einen geben. Es soll dieser seyn: "Tritt deine "Reise, die du zu thun willens bist, so geschwinde "an, als möglich ist." Die Veränderung des Schauplatzes und der Himmelsgegend kann deine Gesundheit vielleicht in einen dauerhaften Zu- stand setzen: da hingegen diese dicke Luft und die Annäherung des Winters dein Geblüte verdicken, und mit Zuthun eines Gewissens, das mit dir im
Kampfe
euch, weiter Erkundigung von ihm einzuziehen, und ihm zu geben, was ihr fuͤr gut findet.
Sein Bothe ſagt mir, daß er ſehr bußfertig iſt. Er weint beſtaͤndig. Er ruft aus, daß er der ſchaͤndlichſte Menſch von der Welt geweſen: jedoch ſucht er es damit zu bemaͤnteln, daß ſeine Duͤrſtigkeit ihn aͤrger zu ſeyn genoͤthiget, als er ſonſt geweſen ſeyn wuͤrde; eine Entſchuldigung, die keiner von uns fuͤr ſich anfuͤhren kann. Was ihn aber am meiſten ruͤhrte, ſpricht er, waͤre eine ſchaͤndliche Betruͤgerey, zu der er, einem gewiſſen reichen und vornehmen Cavallier zu dienen, ver- leitet waͤre, zum Verderben des vortrefflichſten Frauenzimmers, das jemals gelebet, und das, wie er gehoͤret, vor Kummer geſtorben waͤre.
Laß mich uͤberlegen, Lovelace ‒ ‒ An wen kann die Reihe zunaͤchſt kommen? ‒ ‒ Jch wuͤn- ſche, nicht an dich. Allein weil du mir ein Stuͤck von einem Rath giebeſt, den ich in der That dei- nem Charakter nicht gemaͤß geachtet haben wuͤr- de, wenn du dir nicht die Muͤhe genommen haͤt- teſt, mich zu uͤberzeugen, daß er nicht aus guten Grundſaͤtzen herkomme: ſo will ich dir wieder einen geben. Es ſoll dieſer ſeyn: „Tritt deine „Reiſe, die du zu thun willens biſt, ſo geſchwinde „an, als moͤglich iſt.“ Die Veraͤnderung des Schauplatzes und der Himmelsgegend kann deine Geſundheit vielleicht in einen dauerhaften Zu- ſtand ſetzen: da hingegen dieſe dicke Luft und die Annaͤherung des Winters dein Gebluͤte verdicken, und mit Zuthun eines Gewiſſens, das mit dir im
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euch, weiter Erkundigung von ihm einzuziehen,
und ihm zu geben, was ihr fuͤr gut findet.
Sein Bothe ſagt mir, daß er ſehr bußfertig
iſt. Er weint beſtaͤndig. Er ruft aus, daß er
der ſchaͤndlichſte Menſch von der Welt geweſen:
jedoch ſucht er es damit zu bemaͤnteln, daß ſeine
Duͤrſtigkeit ihn aͤrger zu ſeyn genoͤthiget, als er
ſonſt geweſen ſeyn wuͤrde; eine Entſchuldigung,
die keiner von uns fuͤr ſich anfuͤhren kann. Was
ihn aber am meiſten ruͤhrte, ſpricht er, waͤre eine
ſchaͤndliche Betruͤgerey, zu der er, einem gewiſſen
reichen und vornehmen Cavallier zu dienen, ver-
leitet waͤre, zum Verderben des vortrefflichſten
Frauenzimmers, das jemals gelebet, und das, wie
er gehoͤret, vor Kummer geſtorben waͤre.
Laß mich uͤberlegen, Lovelace ‒ ‒ An wen
kann die Reihe zunaͤchſt kommen? ‒ ‒ Jch wuͤn-
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von einem Rath giebeſt, den ich in der That dei-
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de, wenn du dir nicht die Muͤhe genommen haͤt-
teſt, mich zu uͤberzeugen, daß er nicht aus guten
Grundſaͤtzen herkomme: ſo will ich dir wieder
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„Reiſe, die du zu thun willens biſt, ſo geſchwinde
„an, als moͤglich iſt.“ Die Veraͤnderung des
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/706>, abgerufen am 26.11.2024.
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