wie wir gewiß thun würden, wenn wir so, wie sie, auferzogen würden, wegen ihrer Unwissenheit eben so sehr von ganzen Herzen verachten mögen, als sie uns oft Anlaß geben, sie wegen ihres Ueber- muths zu verachten.
Dieß, mein Herr, sind einige von meinen Vorstellungen. Und bey diesen Vorstellungen, erlauben sie mir meine Frage zu wiederhohlen. Glauben Sie, daß ich mit solchen Begrif- fen überhaupt einmal heyrathen sollte?
Wo ich entweder einen niederträchtigen oder einen gebieterischen Mann bekomme: kann ich wohl mit ihm leben? Was meynen Sie? Und wäre es an der andern Seite billig, daß ein Mann von einer entgegenstehenden Gemüthsart, um sei- nes oder meines guten Namens willen, mit mir geplagt seyn sollte?
Lange habe ich es gegen alle mir geschehene Erbietungen und gegen alles Zureden meiner Mutter ausgehalten: und zwar, daß ich Jhnen die Wahrheit sage, desto länger und mit desto mehrerer Hartnäckigkeit, da die Person, auf welche meine Wahl zuerst gefallen seyn würde, weder bey meiner Mutter, noch bey meiner lieb- sten Freundinn Beyfall fand. Dieß verhärtete mich zu meinem Stolze und Widerstreben. Denn ob ich gleich eine Zeitlang hernach überzeuget ward, daß meine Wahl weder klug noch glücklich gewesen seyn würde, und daß der scheinbare Bö- sewicht das nicht war, was er mich von ihm zu glauben bewogen hatte: so konnte ich doch nicht
leicht
wie wir gewiß thun wuͤrden, wenn wir ſo, wie ſie, auferzogen wuͤrden, wegen ihrer Unwiſſenheit eben ſo ſehr von ganzen Herzen verachten moͤgen, als ſie uns oft Anlaß geben, ſie wegen ihres Ueber- muths zu verachten.
Dieß, mein Herr, ſind einige von meinen Vorſtellungen. Und bey dieſen Vorſtellungen, erlauben ſie mir meine Frage zu wiederhohlen. Glauben Sie, daß ich mit ſolchen Begrif- fen uͤberhaupt einmal heyrathen ſollte?
Wo ich entweder einen niedertraͤchtigen oder einen gebieteriſchen Mann bekomme: kann ich wohl mit ihm leben? Was meynen Sie? Und waͤre es an der andern Seite billig, daß ein Mann von einer entgegenſtehenden Gemuͤthsart, um ſei- nes oder meines guten Namens willen, mit mir geplagt ſeyn ſollte?
Lange habe ich es gegen alle mir geſchehene Erbietungen und gegen alles Zureden meiner Mutter ausgehalten: und zwar, daß ich Jhnen die Wahrheit ſage, deſto laͤnger und mit deſto mehrerer Hartnaͤckigkeit, da die Perſon, auf welche meine Wahl zuerſt gefallen ſeyn wuͤrde, weder bey meiner Mutter, noch bey meiner lieb- ſten Freundinn Beyfall fand. Dieß verhaͤrtete mich zu meinem Stolze und Widerſtreben. Denn ob ich gleich eine Zeitlang hernach uͤberzeuget ward, daß meine Wahl weder klug noch gluͤcklich geweſen ſeyn wuͤrde, und daß der ſcheinbare Boͤ- ſewicht das nicht war, was er mich von ihm zu glauben bewogen hatte: ſo konnte ich doch nicht
leicht
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wie wir gewiß thun wuͤrden, wenn wir ſo, wie ſie,
auferzogen wuͤrden, wegen ihrer Unwiſſenheit eben
ſo ſehr von ganzen Herzen verachten moͤgen, als
ſie uns oft Anlaß geben, ſie wegen ihres Ueber-
muths zu verachten.
Dieß, mein Herr, ſind einige von meinen
Vorſtellungen. Und bey dieſen Vorſtellungen,
erlauben ſie mir meine Frage zu wiederhohlen.
Glauben Sie, daß ich mit ſolchen Begrif-
fen uͤberhaupt einmal heyrathen ſollte?
Wo ich entweder einen niedertraͤchtigen oder
einen gebieteriſchen Mann bekomme: kann ich
wohl mit ihm leben? Was meynen Sie? Und
waͤre es an der andern Seite billig, daß ein Mann
von einer entgegenſtehenden Gemuͤthsart, um ſei-
nes oder meines guten Namens willen, mit mir
geplagt ſeyn ſollte?
Lange habe ich es gegen alle mir geſchehene
Erbietungen und gegen alles Zureden meiner
Mutter ausgehalten: und zwar, daß ich Jhnen
die Wahrheit ſage, deſto laͤnger und mit deſto
mehrerer Hartnaͤckigkeit, da die Perſon, auf
welche meine Wahl zuerſt gefallen ſeyn wuͤrde,
weder bey meiner Mutter, noch bey meiner lieb-
ſten Freundinn Beyfall fand. Dieß verhaͤrtete
mich zu meinem Stolze und Widerſtreben. Denn
ob ich gleich eine Zeitlang hernach uͤberzeuget
ward, daß meine Wahl weder klug noch gluͤcklich
geweſen ſeyn wuͤrde, und daß der ſcheinbare Boͤ-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/778>, abgerufen am 29.11.2024.
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