die herrschenden Leidenschaften bey ihm gewesen, und daß er sich fest vorgenommen gehabt, nur sei- ne Sachen in Ordnung zu bringen und alsdenn seine Entschließung zu fassen, wie ihr es aus- drücket. - - Jedoch, wo wir zusammen kommen; denn ich weiß, wie meine Wahl in dem Fall, wor- unter er ist, auf einen solchen Brief, so hoflich er auch ist, ausfallen würde: so möchte ich wün- schen, daß er eine schlimmere, ich eine bessere Sa- che hätte. Es würde ihm eine angenehme Ra- che seyn: wenn ich durch seine Hand fallen sollte. Allein was sollte ich dadurch gebessert seyn, daß ich ihn getödtet hätte?
Jch will die Abschrift von dem Briefe, den ich an ihn geschickt habe, beyfügen.
Da ich euren Brief zu einer Stunde, da ich etwas gelassener bin, wieder durchlese: so kann ich nicht anders, als euch für eure freundschaftli- che Liebe und gute Gesinnung danken. Jch ha- be niemals, seit der ersten Stunde unserer Be- kanntschaft bis itzo, meine Achtung gegen euch übel angebracht befunden; wenigstens in Be- trachtung eurer Absicht: inzwischen mußt du ge- stehen, daß du dich in Ansehung der Rolle, die du zwischen mir und meiner herzlichgeliebten Fräulein gespielet, eines guten Theils von Ueber- eilung schuldig gemacht hast, indem du bald zu viel, bald zu wenig gethan. Allein du hist wirk-
lich
die herrſchenden Leidenſchaften bey ihm geweſen, und daß er ſich feſt vorgenommen gehabt, nur ſei- ne Sachen in Ordnung zu bringen und alsdenn ſeine Entſchließung zu faſſen, wie ihr es aus- druͤcket. ‒ ‒ Jedoch, wo wir zuſammen kommen; denn ich weiß, wie meine Wahl in dem Fall, wor- unter er iſt, auf einen ſolchen Brief, ſo hoflich er auch iſt, ausfallen wuͤrde: ſo moͤchte ich wuͤn- ſchen, daß er eine ſchlimmere, ich eine beſſere Sa- che haͤtte. Es wuͤrde ihm eine angenehme Ra- che ſeyn: wenn ich durch ſeine Hand fallen ſollte. Allein was ſollte ich dadurch gebeſſert ſeyn, daß ich ihn getoͤdtet haͤtte?
Jch will die Abſchrift von dem Briefe, den ich an ihn geſchickt habe, beyfuͤgen.
Da ich euren Brief zu einer Stunde, da ich etwas gelaſſener bin, wieder durchleſe: ſo kann ich nicht anders, als euch fuͤr eure freundſchaftli- che Liebe und gute Geſinnung danken. Jch ha- be niemals, ſeit der erſten Stunde unſerer Be- kanntſchaft bis itzo, meine Achtung gegen euch uͤbel angebracht befunden; wenigſtens in Be- trachtung eurer Abſicht: inzwiſchen mußt du ge- ſtehen, daß du dich in Anſehung der Rolle, die du zwiſchen mir und meiner herzlichgeliebten Fraͤulein geſpielet, eines guten Theils von Ueber- eilung ſchuldig gemacht haſt, indem du bald zu viel, bald zu wenig gethan. Allein du hiſt wirk-
lich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0853"n="847"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
die herrſchenden Leidenſchaften bey ihm geweſen,<lb/>
und daß er ſich feſt vorgenommen gehabt, nur ſei-<lb/>
ne Sachen in Ordnung zu bringen und alsdenn<lb/><hirendition="#fr">ſeine Entſchließung zu faſſen,</hi> wie ihr es aus-<lb/>
druͤcket. ‒‒ Jedoch, wo wir zuſammen kommen;<lb/>
denn ich weiß, wie meine Wahl in dem Fall, wor-<lb/>
unter er iſt, auf <hirendition="#fr">einen ſolchen Brief,</hi>ſo hoflich<lb/>
er auch iſt, ausfallen wuͤrde: ſo moͤchte ich wuͤn-<lb/>ſchen, daß er eine ſchlimmere, <hirendition="#fr">ich</hi> eine beſſere Sa-<lb/>
che haͤtte. Es wuͤrde ihm eine angenehme Ra-<lb/>
che ſeyn: wenn ich durch ſeine Hand fallen ſollte.<lb/>
Allein was ſollte ich dadurch gebeſſert ſeyn, daß<lb/>
ich ihn getoͤdtet haͤtte?</p><lb/><p>Jch will die Abſchrift von dem Briefe, den<lb/>
ich an ihn geſchickt habe, beyfuͤgen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Da ich euren Brief zu einer Stunde, da ich<lb/>
etwas gelaſſener bin, wieder durchleſe: ſo kann<lb/>
ich nicht anders, als euch fuͤr eure freundſchaftli-<lb/>
che Liebe und gute Geſinnung danken. Jch ha-<lb/>
be niemals, ſeit der erſten Stunde unſerer Be-<lb/>
kanntſchaft bis itzo, meine Achtung gegen euch<lb/>
uͤbel angebracht befunden; wenigſtens in Be-<lb/>
trachtung eurer <hirendition="#fr">Abſicht:</hi> inzwiſchen mußt du ge-<lb/>ſtehen, daß du dich in Anſehung der Rolle, die<lb/>
du zwiſchen mir und meiner herzlichgeliebten<lb/>
Fraͤulein geſpielet, eines guten Theils von Ueber-<lb/>
eilung ſchuldig gemacht haſt, indem du bald zu<lb/>
viel, bald zu wenig gethan. Allein du hiſt wirk-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lich</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[847/0853]
die herrſchenden Leidenſchaften bey ihm geweſen,
und daß er ſich feſt vorgenommen gehabt, nur ſei-
ne Sachen in Ordnung zu bringen und alsdenn
ſeine Entſchließung zu faſſen, wie ihr es aus-
druͤcket. ‒ ‒ Jedoch, wo wir zuſammen kommen;
denn ich weiß, wie meine Wahl in dem Fall, wor-
unter er iſt, auf einen ſolchen Brief, ſo hoflich
er auch iſt, ausfallen wuͤrde: ſo moͤchte ich wuͤn-
ſchen, daß er eine ſchlimmere, ich eine beſſere Sa-
che haͤtte. Es wuͤrde ihm eine angenehme Ra-
che ſeyn: wenn ich durch ſeine Hand fallen ſollte.
Allein was ſollte ich dadurch gebeſſert ſeyn, daß
ich ihn getoͤdtet haͤtte?
Jch will die Abſchrift von dem Briefe, den
ich an ihn geſchickt habe, beyfuͤgen.
Da ich euren Brief zu einer Stunde, da ich
etwas gelaſſener bin, wieder durchleſe: ſo kann
ich nicht anders, als euch fuͤr eure freundſchaftli-
che Liebe und gute Geſinnung danken. Jch ha-
be niemals, ſeit der erſten Stunde unſerer Be-
kanntſchaft bis itzo, meine Achtung gegen euch
uͤbel angebracht befunden; wenigſtens in Be-
trachtung eurer Abſicht: inzwiſchen mußt du ge-
ſtehen, daß du dich in Anſehung der Rolle, die
du zwiſchen mir und meiner herzlichgeliebten
Fraͤulein geſpielet, eines guten Theils von Ueber-
eilung ſchuldig gemacht haſt, indem du bald zu
viel, bald zu wenig gethan. Allein du hiſt wirk-
lich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 847. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/853>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.