Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



persönlichen Mishandlungen, welche von ih-
rer ungedultigen Gemüthsart und ihren heftigen
Leidenschaften herkommen sollen, gänzlich ohne
Grund seyn möchten. - Denn was müßte das
für ein Herz seyn, welches wünschen wollte, daß
sie sich selbst eine eben so große Marter seyn möch-
te, als sie ihrer Schwester zu seyn gesuchet? Son-
derlich da sie ihre gransame Aufführung gegen
diese Schwester bis auf diese Stunde bereuet, und
sich erkläret, daß sie dieß bis auf die letzte Stun-
de ihres Lebens thun werde, auch eben so wohl, als
ihr Bruder, nur mehr als zu geneigt ist, dersel-
ben
ihre eigne Unglückseligkeit zuzuschreiben.

Herr Anton und Herr Johann Harlowe
sind, da dieß geschrieben wird, noch am Leben:
aber sagen oft, daß sie mit ihrer geliebten Enke-
linn alle Freude in ihrem Leben verlohren haben,
und beklagen ohne Zurückhaltung in allen Gesell-
schaften die unnatürliche Rolle, welche sie gegen
dieselbe zu spielen verleitet worden sind.

Herr Solmes ist auch noch am Leben: wo
man von einem Manne von seinem Schlage sa-
gen kann, daß er lebe. Denn seine ganze Auf-
führung und niederträchtige Arten zu handeln
sind so beschaffen, daß sie den Abscheu, welchen die
vortreffliche Fräulein vor ihm hatte, rechtfertigen.
Er hat über dieß seine Anwerbung von verschiede-
nen Frauenzimmern von weit geringerm Vermö-
gen, als das Vermögen derjenigen Fräulein war,
zu der man ihm Hoffnung machte, so groß auch
das seinige ist, verworfen gefunden.

Herr
Siebenter Theil. K k k



perſoͤnlichen Mishandlungen, welche von ih-
rer ungedultigen Gemuͤthsart und ihren heftigen
Leidenſchaften herkommen ſollen, gaͤnzlich ohne
Grund ſeyn moͤchten. ‒ Denn was muͤßte das
fuͤr ein Herz ſeyn, welches wuͤnſchen wollte, daß
ſie ſich ſelbſt eine eben ſo große Marter ſeyn moͤch-
te, als ſie ihrer Schweſter zu ſeyn geſuchet? Son-
derlich da ſie ihre granſame Auffuͤhrung gegen
dieſe Schweſter bis auf dieſe Stunde bereuet, und
ſich erklaͤret, daß ſie dieß bis auf die letzte Stun-
de ihres Lebens thun werde, auch eben ſo wohl, als
ihr Bruder, nur mehr als zu geneigt iſt, derſel-
ben
ihre eigne Ungluͤckſeligkeit zuzuſchreiben.

Herr Anton und Herr Johann Harlowe
ſind, da dieß geſchrieben wird, noch am Leben:
aber ſagen oft, daß ſie mit ihrer geliebten Enke-
linn alle Freude in ihrem Leben verlohren haben,
und beklagen ohne Zuruͤckhaltung in allen Geſell-
ſchaften die unnatuͤrliche Rolle, welche ſie gegen
dieſelbe zu ſpielen verleitet worden ſind.

Herr Solmes iſt auch noch am Leben: wo
man von einem Manne von ſeinem Schlage ſa-
gen kann, daß er lebe. Denn ſeine ganze Auf-
fuͤhrung und niedertraͤchtige Arten zu handeln
ſind ſo beſchaffen, daß ſie den Abſcheu, welchen die
vortreffliche Fraͤulein vor ihm hatte, rechtfertigen.
Er hat uͤber dieß ſeine Anwerbung von verſchiede-
nen Frauenzimmern von weit geringerm Vermoͤ-
gen, als das Vermoͤgen derjenigen Fraͤulein war,
zu der man ihm Hoffnung machte, ſo groß auch
das ſeinige iſt, verworfen gefunden.

Herr
Siebenter Theil. K k k
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0887" n="881"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">per&#x017F;o&#x0364;nlichen Mishandlungen,</hi> welche von ih-<lb/>
rer ungedultigen Gemu&#x0364;thsart und ihren heftigen<lb/>
Leiden&#x017F;chaften herkommen &#x017F;ollen, ga&#x0364;nzlich ohne<lb/>
Grund &#x017F;eyn mo&#x0364;chten. &#x2012; Denn was mu&#x0364;ßte das<lb/>
fu&#x0364;r ein Herz &#x017F;eyn, welches wu&#x0364;n&#x017F;chen wollte, daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t eine eben &#x017F;o große Marter &#x017F;eyn mo&#x0364;ch-<lb/>
te, als &#x017F;ie ihrer Schwe&#x017F;ter zu &#x017F;eyn ge&#x017F;uchet? Son-<lb/>
derlich da &#x017F;ie ihre gran&#x017F;ame Auffu&#x0364;hrung gegen<lb/>
die&#x017F;e Schwe&#x017F;ter bis auf die&#x017F;e Stunde bereuet, und<lb/>
&#x017F;ich erkla&#x0364;ret, daß &#x017F;ie dieß bis auf die letzte Stun-<lb/>
de ihres Lebens thun werde, auch eben &#x017F;o wohl, als<lb/>
ihr Bruder, nur mehr als zu geneigt i&#x017F;t, <hi rendition="#fr">der&#x017F;el-<lb/>
ben</hi> ihre eigne Unglu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit zuzu&#x017F;chreiben.</p><lb/>
          <p>Herr <hi rendition="#fr">Anton</hi> und Herr <hi rendition="#fr">Johann Harlowe</hi><lb/>
&#x017F;ind, da dieß ge&#x017F;chrieben wird, noch am Leben:<lb/>
aber &#x017F;agen oft, daß &#x017F;ie mit ihrer geliebten Enke-<lb/>
linn alle Freude in ihrem Leben verlohren haben,<lb/>
und beklagen ohne Zuru&#x0364;ckhaltung in allen Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaften die unnatu&#x0364;rliche Rolle, welche &#x017F;ie gegen<lb/>
die&#x017F;elbe zu &#x017F;pielen verleitet worden &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>Herr <hi rendition="#fr">Solmes</hi> i&#x017F;t auch noch am Leben: wo<lb/>
man von einem Manne von &#x017F;einem Schlage &#x017F;a-<lb/>
gen kann, daß er lebe. Denn &#x017F;eine ganze Auf-<lb/>
fu&#x0364;hrung und niedertra&#x0364;chtige Arten zu handeln<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;o be&#x017F;chaffen, daß &#x017F;ie den Ab&#x017F;cheu, welchen die<lb/>
vortreffliche Fra&#x0364;ulein vor ihm hatte, rechtfertigen.<lb/>
Er hat u&#x0364;ber dieß &#x017F;eine Anwerbung von ver&#x017F;chiede-<lb/>
nen Frauenzimmern von weit geringerm Vermo&#x0364;-<lb/>
gen, als das Vermo&#x0364;gen derjenigen Fra&#x0364;ulein war,<lb/>
zu der man ihm Hoffnung machte, &#x017F;o groß auch<lb/>
das &#x017F;einige i&#x017F;t, verworfen gefunden.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Siebenter Theil.</hi> K k k</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Herr</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[881/0887] perſoͤnlichen Mishandlungen, welche von ih- rer ungedultigen Gemuͤthsart und ihren heftigen Leidenſchaften herkommen ſollen, gaͤnzlich ohne Grund ſeyn moͤchten. ‒ Denn was muͤßte das fuͤr ein Herz ſeyn, welches wuͤnſchen wollte, daß ſie ſich ſelbſt eine eben ſo große Marter ſeyn moͤch- te, als ſie ihrer Schweſter zu ſeyn geſuchet? Son- derlich da ſie ihre granſame Auffuͤhrung gegen dieſe Schweſter bis auf dieſe Stunde bereuet, und ſich erklaͤret, daß ſie dieß bis auf die letzte Stun- de ihres Lebens thun werde, auch eben ſo wohl, als ihr Bruder, nur mehr als zu geneigt iſt, derſel- ben ihre eigne Ungluͤckſeligkeit zuzuſchreiben. Herr Anton und Herr Johann Harlowe ſind, da dieß geſchrieben wird, noch am Leben: aber ſagen oft, daß ſie mit ihrer geliebten Enke- linn alle Freude in ihrem Leben verlohren haben, und beklagen ohne Zuruͤckhaltung in allen Geſell- ſchaften die unnatuͤrliche Rolle, welche ſie gegen dieſelbe zu ſpielen verleitet worden ſind. Herr Solmes iſt auch noch am Leben: wo man von einem Manne von ſeinem Schlage ſa- gen kann, daß er lebe. Denn ſeine ganze Auf- fuͤhrung und niedertraͤchtige Arten zu handeln ſind ſo beſchaffen, daß ſie den Abſcheu, welchen die vortreffliche Fraͤulein vor ihm hatte, rechtfertigen. Er hat uͤber dieß ſeine Anwerbung von verſchiede- nen Frauenzimmern von weit geringerm Vermoͤ- gen, als das Vermoͤgen derjenigen Fraͤulein war, zu der man ihm Hoffnung machte, ſo groß auch das ſeinige iſt, verworfen gefunden. Herr Siebenter Theil. K k k

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/887
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 881. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/887>, abgerufen am 22.11.2024.