Wille unter ihnen, und der ist gemeiniglich der seinige, oder der ihrige, wie der eine oder der an- dere Theil bey einer Sache, sie mag betreffen, was sie will, zuerst redet. Fr. Hickmanninn, sagt sie bisweilen eben so scherzhaft als edelmüthig zu ihm, muß nicht ganz vergessen, daß sie einst Fräu- lein Howe gewesen ist: denn wenn er sie nicht als solche, und mit allen ihren Schwachheiten ge- liebt hätte; so wäre sie niemals Fr. Hickman- ninn geworden. Nichts desto weniger bekennet sie im Ernst, bey allen Gelegenheiten, und das so wohl gegen andere, als gegen ihn selbst, daß sie ihm für seine Gedult mit ihr in ihren Tagen, da es in ihrer Gewalt gestanden, seine Hand anzu- nehmen oder auszuschlagen, und für sein edelmü- thiges Bezeigen gegen sie in seinen Tagen, da sie in seiner Gewalt wäre, unerstattliche Ver- bindlichkeiten schuldig sey.
Sie achtet und liebet ihn auch noch um so viel mehr: da sie seine ehemalige Gütigkeit gegen ihre geliebte Freundinn, und dieser werthen Freundinn gute Meynung von ihm erwäget. Nicht weni- ger ist es ihr angenehm, daß dieser rechtschaffene Mann sich aufrichtigst zugleich mit ihr alles dessen ehrfurchtsvoll und liebreich erinnert, was das Gedächtniß der Verstorbenen den Hinterbliebenen kostbar machet.
Herr Belford hatte nicht so wenig Menschen- liebe und Zuneigung, daß er bey dem unglückli- chen Schicksal seines vertrautesten Freundes hät- te unbekümmert seyn sollen. Ueberleget er aber
das
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Wille unter ihnen, und der iſt gemeiniglich der ſeinige, oder der ihrige, wie der eine oder der an- dere Theil bey einer Sache, ſie mag betreffen, was ſie will, zuerſt redet. Fr. Hickmanninn, ſagt ſie bisweilen eben ſo ſcherzhaft als edelmuͤthig zu ihm, muß nicht ganz vergeſſen, daß ſie einſt Fraͤu- lein Howe geweſen iſt: denn wenn er ſie nicht als ſolche, und mit allen ihren Schwachheiten ge- liebt haͤtte; ſo waͤre ſie niemals Fr. Hickman- ninn geworden. Nichts deſto weniger bekennet ſie im Ernſt, bey allen Gelegenheiten, und das ſo wohl gegen andere, als gegen ihn ſelbſt, daß ſie ihm fuͤr ſeine Gedult mit ihr in ihren Tagen, da es in ihrer Gewalt geſtanden, ſeine Hand anzu- nehmen oder auszuſchlagen, und fuͤr ſein edelmuͤ- thiges Bezeigen gegen ſie in ſeinen Tagen, da ſie in ſeiner Gewalt waͤre, unerſtattliche Ver- bindlichkeiten ſchuldig ſey.
Sie achtet und liebet ihn auch noch um ſo viel mehr: da ſie ſeine ehemalige Guͤtigkeit gegen ihre geliebte Freundinn, und dieſer werthen Freundinn gute Meynung von ihm erwaͤget. Nicht weni- ger iſt es ihr angenehm, daß dieſer rechtſchaffene Mann ſich aufrichtigſt zugleich mit ihr alles deſſen ehrfurchtsvoll und liebreich erinnert, was das Gedaͤchtniß der Verſtorbenen den Hinterbliebenen koſtbar machet.
Herr Belford hatte nicht ſo wenig Menſchen- liebe und Zuneigung, daß er bey dem ungluͤckli- chen Schickſal ſeines vertrauteſten Freundes haͤt- te unbekuͤmmert ſeyn ſollen. Ueberleget er aber
das
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Wille unter ihnen, und der iſt gemeiniglich der
ſeinige, oder der ihrige, wie der eine oder der an-
dere Theil bey einer Sache, ſie mag betreffen, was
ſie will, zuerſt redet. Fr. Hickmanninn, ſagt
ſie bisweilen eben ſo ſcherzhaft als edelmuͤthig zu
ihm, muß nicht ganz vergeſſen, daß ſie einſt Fraͤu-
lein Howe geweſen iſt: denn wenn er ſie nicht
als ſolche, und mit allen ihren Schwachheiten ge-
liebt haͤtte; ſo waͤre ſie niemals Fr. Hickman-
ninn geworden. Nichts deſto weniger bekennet ſie
im Ernſt, bey allen Gelegenheiten, und das ſo
wohl gegen andere, als gegen ihn ſelbſt, daß ſie
ihm fuͤr ſeine Gedult mit ihr in ihren Tagen, da
es in ihrer Gewalt geſtanden, ſeine Hand anzu-
nehmen oder auszuſchlagen, und fuͤr ſein edelmuͤ-
thiges Bezeigen gegen ſie in ſeinen Tagen, da
ſie in ſeiner Gewalt waͤre, unerſtattliche Ver-
bindlichkeiten ſchuldig ſey.
Sie achtet und liebet ihn auch noch um ſo viel
mehr: da ſie ſeine ehemalige Guͤtigkeit gegen ihre
geliebte Freundinn, und dieſer werthen Freundinn
gute Meynung von ihm erwaͤget. Nicht weni-
ger iſt es ihr angenehm, daß dieſer rechtſchaffene
Mann ſich aufrichtigſt zugleich mit ihr alles deſſen
ehrfurchtsvoll und liebreich erinnert, was das
Gedaͤchtniß der Verſtorbenen den Hinterbliebenen
koſtbar machet.
Herr Belford hatte nicht ſo wenig Menſchen-
liebe und Zuneigung, daß er bey dem ungluͤckli-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 887. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/893>, abgerufen am 22.11.2024.
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