Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



sich befindet. Sie hatten beyde die neuen Pro-
ben der Unversöhnlichkeit ihrer Freunde, und eu-
rer Verfolgungen erfahren: und der Arzt sagte,
er wollte um aller Welt willen nicht der unver-
söhnliche Vater der Fräulein, oder der Mann
seyn, der sie in dieß Unglück gebracht hätte. Jhr
Herz ist gebrochen, sprach er: sie wird sterben;
ihr ist nicht zu helfen. Wie ich mich aber nach-
her beruhigen sollte, wenn ich entweder der eine
oder der andere von denen Leuten wäre, die ich ge-
nannt habe, das kann ich nicht sagen.

Da sie hörte, daß wir alle drey beysammen
waren, ließ sie uns bitten, hinauf zu kommen.
Sie stand auf, uns zu empfangen, und nachdem
sie zwo oder drey allgemeine Fragen wegen ihrer
Gesundheit beantwortet hatte, redete sie uns auf
folgende Art an.

Da ich sie drey, meine Herren, nicht wieder
beysammen sehen mag: so erlauben sie mir, diese
Gelegenheit zu ergreifen, und meine Verbindlich-
keit gegen sie alle zu erkennen. Jch bin ihnen,
mein Herr, und ihnen, mein Herr - - Sie neig-
te sich gegen den Arzt und Herrn Goddard - -
für ihre mehr als freundschaftliche, ihre väterli-
che
Fürsorge und Bemühung für mich unaus-
sprechlich verbunden. Bey der Wissenschaft,
welche sie treiben, darf ich wohl sagen, ist die Leut-
seligkeit gar nicht eine seltne Eigenschaft; weil sie
selbst ihrer Verrichtung nach liebreiche Leute
sind: allein so viele Güte, so viele Höflichkeit,
als mir von ihnen beyden widerfahren ist, ist

wohl



ſich befindet. Sie hatten beyde die neuen Pro-
ben der Unverſoͤhnlichkeit ihrer Freunde, und eu-
rer Verfolgungen erfahren: und der Arzt ſagte,
er wollte um aller Welt willen nicht der unver-
ſoͤhnliche Vater der Fraͤulein, oder der Mann
ſeyn, der ſie in dieß Ungluͤck gebracht haͤtte. Jhr
Herz iſt gebrochen, ſprach er: ſie wird ſterben;
ihr iſt nicht zu helfen. Wie ich mich aber nach-
her beruhigen ſollte, wenn ich entweder der eine
oder der andere von denen Leuten waͤre, die ich ge-
nannt habe, das kann ich nicht ſagen.

Da ſie hoͤrte, daß wir alle drey beyſammen
waren, ließ ſie uns bitten, hinauf zu kommen.
Sie ſtand auf, uns zu empfangen, und nachdem
ſie zwo oder drey allgemeine Fragen wegen ihrer
Geſundheit beantwortet hatte, redete ſie uns auf
folgende Art an.

Da ich ſie drey, meine Herren, nicht wieder
beyſammen ſehen mag: ſo erlauben ſie mir, dieſe
Gelegenheit zu ergreifen, und meine Verbindlich-
keit gegen ſie alle zu erkennen. Jch bin ihnen,
mein Herr, und ihnen, mein Herr ‒ ‒ Sie neig-
te ſich gegen den Arzt und Herrn Goddard ‒ ‒
fuͤr ihre mehr als freundſchaftliche, ihre vaͤterli-
che
Fuͤrſorge und Bemuͤhung fuͤr mich unaus-
ſprechlich verbunden. Bey der Wiſſenſchaft,
welche ſie treiben, darf ich wohl ſagen, iſt die Leut-
ſeligkeit gar nicht eine ſeltne Eigenſchaft; weil ſie
ſelbſt ihrer Verrichtung nach liebreiche Leute
ſind: allein ſo viele Guͤte, ſo viele Hoͤflichkeit,
als mir von ihnen beyden widerfahren iſt, iſt

wohl
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0090" n="84"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;ich befindet. Sie hatten beyde die neuen Pro-<lb/>
ben der Unver&#x017F;o&#x0364;hnlichkeit ihrer Freunde, und eu-<lb/>
rer Verfolgungen erfahren: und der Arzt &#x017F;agte,<lb/>
er wollte um aller Welt willen nicht der unver-<lb/>
&#x017F;o&#x0364;hnliche Vater der Fra&#x0364;ulein, oder der Mann<lb/>
&#x017F;eyn, der &#x017F;ie in dieß Unglu&#x0364;ck gebracht ha&#x0364;tte. Jhr<lb/>
Herz i&#x017F;t gebrochen, &#x017F;prach er: &#x017F;ie wird &#x017F;terben;<lb/>
ihr i&#x017F;t nicht zu helfen. Wie ich mich aber nach-<lb/>
her beruhigen &#x017F;ollte, wenn ich entweder der eine<lb/>
oder der andere von denen Leuten wa&#x0364;re, die ich ge-<lb/>
nannt habe, das kann ich nicht &#x017F;agen.</p><lb/>
          <p>Da &#x017F;ie ho&#x0364;rte, daß wir alle drey bey&#x017F;ammen<lb/>
waren, ließ &#x017F;ie uns bitten, hinauf zu kommen.<lb/>
Sie &#x017F;tand auf, uns zu empfangen, und nachdem<lb/>
&#x017F;ie zwo oder drey allgemeine Fragen wegen ihrer<lb/>
Ge&#x017F;undheit beantwortet hatte, redete &#x017F;ie uns auf<lb/>
folgende Art an.</p><lb/>
          <p>Da ich &#x017F;ie drey, meine Herren, nicht wieder<lb/>
bey&#x017F;ammen &#x017F;ehen mag: &#x017F;o erlauben &#x017F;ie mir, die&#x017F;e<lb/>
Gelegenheit zu ergreifen, und meine Verbindlich-<lb/>
keit gegen &#x017F;ie alle zu erkennen. Jch bin ihnen,<lb/>
mein Herr, und ihnen, mein Herr &#x2012; &#x2012; Sie neig-<lb/>
te &#x017F;ich gegen den Arzt und Herrn Goddard &#x2012; &#x2012;<lb/>
fu&#x0364;r ihre <hi rendition="#fr">mehr</hi> als freund&#x017F;chaftliche, ihre <hi rendition="#fr">va&#x0364;terli-<lb/>
che</hi> Fu&#x0364;r&#x017F;orge und Bemu&#x0364;hung fu&#x0364;r mich unaus-<lb/>
&#x017F;prechlich verbunden. Bey der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft,<lb/>
welche &#x017F;ie treiben, darf ich wohl &#x017F;agen, i&#x017F;t die Leut-<lb/>
&#x017F;eligkeit gar nicht eine &#x017F;eltne Eigen&#x017F;chaft; weil &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;elb&#x017F;t</hi> ihrer Verrichtung <hi rendition="#fr">nach</hi> liebreiche Leute<lb/>
&#x017F;ind: allein &#x017F;o viele Gu&#x0364;te, &#x017F;o viele Ho&#x0364;flichkeit,<lb/>
als mir von ihnen beyden widerfahren i&#x017F;t, i&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wohl</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0090] ſich befindet. Sie hatten beyde die neuen Pro- ben der Unverſoͤhnlichkeit ihrer Freunde, und eu- rer Verfolgungen erfahren: und der Arzt ſagte, er wollte um aller Welt willen nicht der unver- ſoͤhnliche Vater der Fraͤulein, oder der Mann ſeyn, der ſie in dieß Ungluͤck gebracht haͤtte. Jhr Herz iſt gebrochen, ſprach er: ſie wird ſterben; ihr iſt nicht zu helfen. Wie ich mich aber nach- her beruhigen ſollte, wenn ich entweder der eine oder der andere von denen Leuten waͤre, die ich ge- nannt habe, das kann ich nicht ſagen. Da ſie hoͤrte, daß wir alle drey beyſammen waren, ließ ſie uns bitten, hinauf zu kommen. Sie ſtand auf, uns zu empfangen, und nachdem ſie zwo oder drey allgemeine Fragen wegen ihrer Geſundheit beantwortet hatte, redete ſie uns auf folgende Art an. Da ich ſie drey, meine Herren, nicht wieder beyſammen ſehen mag: ſo erlauben ſie mir, dieſe Gelegenheit zu ergreifen, und meine Verbindlich- keit gegen ſie alle zu erkennen. Jch bin ihnen, mein Herr, und ihnen, mein Herr ‒ ‒ Sie neig- te ſich gegen den Arzt und Herrn Goddard ‒ ‒ fuͤr ihre mehr als freundſchaftliche, ihre vaͤterli- che Fuͤrſorge und Bemuͤhung fuͤr mich unaus- ſprechlich verbunden. Bey der Wiſſenſchaft, welche ſie treiben, darf ich wohl ſagen, iſt die Leut- ſeligkeit gar nicht eine ſeltne Eigenſchaft; weil ſie ſelbſt ihrer Verrichtung nach liebreiche Leute ſind: allein ſo viele Guͤte, ſo viele Hoͤflichkeit, als mir von ihnen beyden widerfahren iſt, iſt wohl

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/90
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/90>, abgerufen am 18.05.2024.