Er hat mir von den vier Herren, die er morgen Abend sehen wird, eine lustige Erzäh- lung gemacht. Lustig, meine ich, wegen seiner scherzhaften Beschreibung ihrer Personen Manieren u. s. w. die zwar nicht sehr zu ihrem Vortheil war, aber wobei er doch keine andre Absicht hatte, als meine Traurigkeit zu zer- streuen, und nicht, sie herunter zu setzen. Jm Grunde, mein Kind, hat er, wie ich glaube, ein gutes Herz, aber er ist seiner Jugend ver- dorben, weil man ihn nicht scharf genug ge- halten hat.
Jch muß also diesen ganzen Tag, soweit es meine Umstände erlauben, einen glücklichen Tag nennen. Jn Warheit, ich denke, ich könnte ihn allen Mannspersonen vorziehen, die ich kenne, wenn er allezeit so wie heute wäre. Sie sehen, wie willig ich bin, alles zu geste- hen, dessen Sie mich beschuldiget haben, wenn ich es selbst an mir finde. Zuweilen fällt es wol einem jungen Mädgen, die im Stande ist, mit sich selbst zu Rathe zu gehen, schwer, zu wissen, wann sie liebet, und wann sie hasset: Doch ich bin entschlossen, meine Liebe und mei- nen Haß, so viel möglich, nach den Handlun- gen zu bestimmen, die den Mann derselben entweder würdig oder unwürdig machen.
Sie machet einen neuen Absatz u. s. w.
Th. III.
und meinen Umgang zuletzt geſetzter werden wuͤrde.
Er hat mir von den vier Herren, die er morgen Abend ſehen wird, eine luſtige Erzaͤh- lung gemacht. Luſtig, meine ich, wegen ſeiner ſcherzhaften Beſchreibung ihrer Perſonen Manieren u. ſ. w. die zwar nicht ſehr zu ihrem Vortheil war, aber wobei er doch keine andre Abſicht hatte, als meine Traurigkeit zu zer- ſtreuen, und nicht, ſie herunter zu ſetzen. Jm Grunde, mein Kind, hat er, wie ich glaube, ein gutes Herz, aber er iſt ſeiner Jugend ver- dorben, weil man ihn nicht ſcharf genug ge- halten hat.
Jch muß alſo dieſen ganzen Tag, ſoweit es meine Umſtaͤnde erlauben, einen gluͤcklichen Tag nennen. Jn Warheit, ich denke, ich koͤnnte ihn allen Mannsperſonen vorziehen, die ich kenne, wenn er allezeit ſo wie heute waͤre. Sie ſehen, wie willig ich bin, alles zu geſte- hen, deſſen Sie mich beſchuldiget haben, wenn ich es ſelbſt an mir finde. Zuweilen faͤllt es wol einem jungen Maͤdgen, die im Stande iſt, mit ſich ſelbſt zu Rathe zu gehen, ſchwer, zu wiſſen, wann ſie liebet, und wann ſie haſſet: Doch ich bin entſchloſſen, meine Liebe und mei- nen Haß, ſo viel moͤglich, nach den Handlun- gen zu beſtimmen, die den Mann derſelben entweder wuͤrdig oder unwuͤrdig machen.
Sie machet einen neuen Abſatz u. ſ. w.
Th. III.
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und meinen Umgang zuletzt geſetzter werden
wuͤrde.
Er hat mir von den vier Herren, die er
morgen Abend ſehen wird, eine luſtige Erzaͤh-
lung gemacht. Luſtig, meine ich, wegen
ſeiner ſcherzhaften Beſchreibung ihrer Perſonen
Manieren u. ſ. w. die zwar nicht ſehr zu ihrem
Vortheil war, aber wobei er doch keine andre
Abſicht hatte, als meine Traurigkeit zu zer-
ſtreuen, und nicht, ſie herunter zu ſetzen. Jm
Grunde, mein Kind, hat er, wie ich glaube,
ein gutes Herz, aber er iſt ſeiner Jugend ver-
dorben, weil man ihn nicht ſcharf genug ge-
halten hat.
Jch muß alſo dieſen ganzen Tag, ſoweit es
meine Umſtaͤnde erlauben, einen gluͤcklichen
Tag nennen. Jn Warheit, ich denke, ich
koͤnnte ihn allen Mannsperſonen vorziehen, die
ich kenne, wenn er allezeit ſo wie heute waͤre.
Sie ſehen, wie willig ich bin, alles zu geſte-
hen, deſſen Sie mich beſchuldiget haben, wenn
ich es ſelbſt an mir finde. Zuweilen faͤllt es
wol einem jungen Maͤdgen, die im Stande iſt,
mit ſich ſelbſt zu Rathe zu gehen, ſchwer, zu
wiſſen, wann ſie liebet, und wann ſie haſſet:
Doch ich bin entſchloſſen, meine Liebe und mei-
nen Haß, ſo viel moͤglich, nach den Handlun-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/131>, abgerufen am 23.11.2024.
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