Th. III. S. 543. L. 13. nach den Worten: mit deinen Brüdern.
Jch ward ein wenig unterbrochen, nun will ich fortfahren.
Daß die Grundsätze dieser Fräulein umadel- haft sind, das ist eine Betrachtung, welche die Schuld an beiden Seiten vermindern wird. Und wenn sie nur, nach ihrem Falle, Tugend und Liebe miteinander zu vermitteln weiß, so wird sie eine Frau für mich seyn. Denn vor jetzt bin ich überzeugt, es sei kein Frauenzimmer in der Welt, die gegen die Versuchungen der Lie- be und der List bestehen kann, wenn sie es nicht ist.
Stelle dir nun einmal vor, (wenn ich mei- ne Schöne überwunden habe) du siehest mich nachläßig mit übereinander geschlagenen Knien auf meinem Canape sitzen, der Gott der Liebe tanzet mir in den Augen herum, und freuet sich über einen jeden ihrer aufschwellenden Gesichts- züge; der süße lose Schalk, der kurzens noch so stolz und spröde that, ist völlig in meiner Ge- walt, kömmt langsam zu mir, wenn ich ihm winke; Schwellende Seufzer, halb gestammlete Vorwürfe kommen von ihren murrenden Lip- pen; sie reibet sich das Auge, und verdoppelt ihre Schritte, wenn ich rufe: Komm hieher, liebstes Kind!
Eine Hand halte ich in die Seite, die andre strecke ich aus, ihre schamhafte Annäherung zu beschleunigen. - - Gieb mir ein Mäulgen,
mein
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Th. III. S. 543. L. 13. nach den Worten: mit deinen Bruͤdern.
Jch ward ein wenig unterbrochen, nun will ich fortfahren.
Daß die Grundſaͤtze dieſer Fraͤulein umadel- haft ſind, das iſt eine Betrachtung, welche die Schuld an beiden Seiten vermindern wird. Und wenn ſie nur, nach ihrem Falle, Tugend und Liebe miteinander zu vermitteln weiß, ſo wird ſie eine Frau fuͤr mich ſeyn. Denn vor jetzt bin ich uͤberzeugt, es ſei kein Frauenzimmer in der Welt, die gegen die Verſuchungen der Lie- be und der Liſt beſtehen kann, wenn ſie es nicht iſt.
Stelle dir nun einmal vor, (wenn ich mei- ne Schoͤne uͤberwunden habe) du ſieheſt mich nachlaͤßig mit uͤbereinander geſchlagenen Knien auf meinem Canape ſitzen, der Gott der Liebe tanzet mir in den Augen herum, und freuet ſich uͤber einen jeden ihrer aufſchwellenden Geſichts- zuͤge; der ſuͤße loſe Schalk, der kurzens noch ſo ſtolz und ſproͤde that, iſt voͤllig in meiner Ge- walt, koͤmmt langſam zu mir, wenn ich ihm winke; Schwellende Seufzer, halb geſtammlete Vorwuͤrfe kommen von ihren murrenden Lip- pen; ſie reibet ſich das Auge, und verdoppelt ihre Schritte, wenn ich rufe: Komm hieher, liebſtes Kind!
Eine Hand halte ich in die Seite, die andre ſtrecke ich aus, ihre ſchamhafte Annaͤherung zu beſchleunigen. ‒ ‒ Gieb mir ein Maͤulgen,
mein
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Th. III. S. 543. L. 13. nach den Worten:
mit deinen Bruͤdern.
Jch ward ein wenig unterbrochen, nun will
ich fortfahren.
Daß die Grundſaͤtze dieſer Fraͤulein umadel-
haft ſind, das iſt eine Betrachtung, welche die
Schuld an beiden Seiten vermindern wird. Und
wenn ſie nur, nach ihrem Falle, Tugend und
Liebe miteinander zu vermitteln weiß, ſo wird
ſie eine Frau fuͤr mich ſeyn. Denn vor jetzt
bin ich uͤberzeugt, es ſei kein Frauenzimmer in
der Welt, die gegen die Verſuchungen der Lie-
be und der Liſt beſtehen kann, wenn ſie es nicht
iſt.
Stelle dir nun einmal vor, (wenn ich mei-
ne Schoͤne uͤberwunden habe) du ſieheſt mich
nachlaͤßig mit uͤbereinander geſchlagenen Knien
auf meinem Canape ſitzen, der Gott der Liebe
tanzet mir in den Augen herum, und freuet ſich
uͤber einen jeden ihrer aufſchwellenden Geſichts-
zuͤge; der ſuͤße loſe Schalk, der kurzens noch
ſo ſtolz und ſproͤde that, iſt voͤllig in meiner Ge-
walt, koͤmmt langſam zu mir, wenn ich ihm
winke; Schwellende Seufzer, halb geſtammlete
Vorwuͤrfe kommen von ihren murrenden Lip-
pen; ſie reibet ſich das Auge, und verdoppelt
ihre Schritte, wenn ich rufe: Komm hieher,
liebſtes Kind!
Eine Hand halte ich in die Seite, die andre
ſtrecke ich aus, ihre ſchamhafte Annaͤherung zu
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/139>, abgerufen am 23.11.2024.
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