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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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das, nur in Gefahr zu seyn? - - Wenn wir
uns würklich am hellen Tage in Engelland se-
hen liessen, ehe die Sache geschlichtet wäre, so
ist es warscheinlicher, daß das Frauenzimmer
uns nicht verklagen wird, als daß sie es
thun.
Jch meines Theils wünsche, sie thä-
tens. Sollte nicht ein braver Kerl mit vie-
lem Vergnügen in einer solchen Klage vor
Gericht erscheinen, wo er mit Frauenzimmer
verhöret wird, die seiner kühnen That Ehre ma-
chen? Das Vaterland ist in den Fällen barm-
herziger, als in allen andern, und deswegen
möchte ich lieber in mein Vaterland zurück-
gehen.

Weil ich einmal die Sache überlege, so
vergönne mir noch einige Anmerkungen über
das Aergste, was uns, deiner Meinung nach,
begegnen kann. Jch will setzen, du wärest ei-
ner von uns, und wir fünfe würden bei dieser
Gelegenheit vor Gericht geführet. Wie mu-
thig werden wir ins Gericht gehen? Jch an
eurer Spitze, ein jeder so angekleidet, als an
seinem Vermählungs-Tage! Jhr könnt gewiß
glauben, daß alles Frauenzimmer, alt und
jung, auf eurer Seite ist. - - Was für brave
Kerls! - - Was für feine Herren! - - Da
gehet ein reizender wolgemachter Herr!

Damit meinen sie mich, das versteht sich! Wie
können sie es übers Herz bringen, solche Her-
ren zu henken?
sagt eine Dame leise, die etwa
dem Secretair zur Seite sitzet: (denn ich setze,

daß



das, nur in Gefahr zu ſeyn? ‒ ‒ Wenn wir
uns wuͤrklich am hellen Tage in Engelland ſe-
hen lieſſen, ehe die Sache geſchlichtet waͤre, ſo
iſt es warſcheinlicher, daß das Frauenzimmer
uns nicht verklagen wird, als daß ſie es
thun.
Jch meines Theils wuͤnſche, ſie thaͤ-
tens. Sollte nicht ein braver Kerl mit vie-
lem Vergnuͤgen in einer ſolchen Klage vor
Gericht erſcheinen, wo er mit Frauenzimmer
verhoͤret wird, die ſeiner kuͤhnen That Ehre ma-
chen? Das Vaterland iſt in den Faͤllen barm-
herziger, als in allen andern, und deswegen
moͤchte ich lieber in mein Vaterland zuruͤck-
gehen.

Weil ich einmal die Sache uͤberlege, ſo
vergoͤnne mir noch einige Anmerkungen uͤber
das Aergſte, was uns, deiner Meinung nach,
begegnen kann. Jch will ſetzen, du waͤreſt ei-
ner von uns, und wir fuͤnfe wuͤrden bei dieſer
Gelegenheit vor Gericht gefuͤhret. Wie mu-
thig werden wir ins Gericht gehen? Jch an
eurer Spitze, ein jeder ſo angekleidet, als an
ſeinem Vermaͤhlungs-Tage! Jhr koͤnnt gewiß
glauben, daß alles Frauenzimmer, alt und
jung, auf eurer Seite iſt. ‒ ‒ Was fuͤr brave
Kerls! ‒ ‒ Was fuͤr feine Herren! ‒ ‒ Da
gehet ein reizender wolgemachter Herr!

Damit meinen ſie mich, das verſteht ſich! Wie
koͤnnen ſie es uͤbers Herz bringen, ſolche Her-
ren zu henken?
ſagt eine Dame leiſe, die etwa
dem Secretair zur Seite ſitzet: (denn ich ſetze,

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[174/0182] das, nur in Gefahr zu ſeyn? ‒ ‒ Wenn wir uns wuͤrklich am hellen Tage in Engelland ſe- hen lieſſen, ehe die Sache geſchlichtet waͤre, ſo iſt es warſcheinlicher, daß das Frauenzimmer uns nicht verklagen wird, als daß ſie es thun. Jch meines Theils wuͤnſche, ſie thaͤ- tens. Sollte nicht ein braver Kerl mit vie- lem Vergnuͤgen in einer ſolchen Klage vor Gericht erſcheinen, wo er mit Frauenzimmer verhoͤret wird, die ſeiner kuͤhnen That Ehre ma- chen? Das Vaterland iſt in den Faͤllen barm- herziger, als in allen andern, und deswegen moͤchte ich lieber in mein Vaterland zuruͤck- gehen. Weil ich einmal die Sache uͤberlege, ſo vergoͤnne mir noch einige Anmerkungen uͤber das Aergſte, was uns, deiner Meinung nach, begegnen kann. Jch will ſetzen, du waͤreſt ei- ner von uns, und wir fuͤnfe wuͤrden bei dieſer Gelegenheit vor Gericht gefuͤhret. Wie mu- thig werden wir ins Gericht gehen? Jch an eurer Spitze, ein jeder ſo angekleidet, als an ſeinem Vermaͤhlungs-Tage! Jhr koͤnnt gewiß glauben, daß alles Frauenzimmer, alt und jung, auf eurer Seite iſt. ‒ ‒ Was fuͤr brave Kerls! ‒ ‒ Was fuͤr feine Herren! ‒ ‒ Da gehet ein reizender wolgemachter Herr! Damit meinen ſie mich, das verſteht ſich! Wie koͤnnen ſie es uͤbers Herz bringen, ſolche Her- ren zu henken? ſagt eine Dame leiſe, die etwa dem Secretair zur Seite ſitzet: (denn ich ſetze, daß

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/182>, abgerufen am 21.11.2024.