Höre einmal, glaubest du nicht, daß der Maire, der Gesandte, oder der General an ihren Galla-Tagen eine traurige Figur machen würden, wenn nicht die Pauken und Trom- peten den Pöbel zusammen riefen, daß der sie angafte? - - Und doch würden wir unter den Helden vielleicht nicht die grössesten Verbrecher seyn. Denn wer weiß, wie der Lord-Maire seine güldene Kette erhalten hat? Der General kehret warscheinlicher Weise von Mordthaten zurück, welche nur die Gewonheit heiliget. - - Man erzählet vom Caesar, er habe in seinem sechs und funfzigsten Jahre, da er ermordet wurde, funfzig Haupt-Schlachten gewonnen, ungefähr tausend Städte mit Sturm erobert, und 1200000 Menschen getödtet. Jch glau- be, die nicht mitgerechnet, die an seiner Seite fielen, da sie jene umbrachten. Sind wir bei- den, Bruder, du und ich, nicht unschuldige Männer, und Windel-Kinder, gegen den Cae- sar, oder seinen Vorläufer auf der Helden- Bahn, den Alexander betrachtet, der für sein Rauben und Morden den Beinamen, der Große, erhalten hat?
Der vornehmste Unterschied, der mir bei der Vergleichung zwischen uns, und dem Mai- re, dem Abgesandten und dem General in die Augen leuchtet, ist dieser. Der Pöbel macht in dem einen Fall ein grösseres Geräusch, ein lauteres Freuden-Geschrei, als in dem andern, welchen sie den freudigen Zuruf nennen, und
der
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Hoͤre einmal, glaubeſt du nicht, daß der Maire, der Geſandte, oder der General an ihren Galla-Tagen eine traurige Figur machen wuͤrden, wenn nicht die Pauken und Trom- peten den Poͤbel zuſammen riefen, daß der ſie angafte? ‒ ‒ Und doch wuͤrden wir unter den Helden vielleicht nicht die groͤſſeſten Verbrecher ſeyn. Denn wer weiß, wie der Lord-Maire ſeine guͤldene Kette erhalten hat? Der General kehret warſcheinlicher Weiſe von Mordthaten zuruͤck, welche nur die Gewonheit heiliget. ‒ ‒ Man erzaͤhlet vom Caeſar, er habe in ſeinem ſechs und funfzigſten Jahre, da er ermordet wurde, funfzig Haupt-Schlachten gewonnen, ungefaͤhr tauſend Staͤdte mit Sturm erobert, und 1200000 Menſchen getoͤdtet. Jch glau- be, die nicht mitgerechnet, die an ſeiner Seite fielen, da ſie jene umbrachten. Sind wir bei- den, Bruder, du und ich, nicht unſchuldige Maͤnner, und Windel-Kinder, gegen den Cae- ſar, oder ſeinen Vorlaͤufer auf der Helden- Bahn, den Alexander betrachtet, der fuͤr ſein Rauben und Morden den Beinamen, der Große, erhalten hat?
Der vornehmſte Unterſchied, der mir bei der Vergleichung zwiſchen uns, und dem Mai- re, dem Abgeſandten und dem General in die Augen leuchtet, iſt dieſer. Der Poͤbel macht in dem einen Fall ein groͤſſeres Geraͤuſch, ein lauteres Freuden-Geſchrei, als in dem andern, welchen ſie den freudigen Zuruf nennen, und
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Hoͤre einmal, glaubeſt du nicht, daß der
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peten den Poͤbel zuſammen riefen, daß der ſie
angafte? ‒ ‒ Und doch wuͤrden wir unter den
Helden vielleicht nicht die groͤſſeſten Verbrecher
ſeyn. Denn wer weiß, wie der Lord-Maire
ſeine guͤldene Kette erhalten hat? Der General
kehret warſcheinlicher Weiſe von Mordthaten
zuruͤck, welche nur die Gewonheit heiliget. ‒ ‒
Man erzaͤhlet vom Caeſar, er habe in ſeinem
ſechs und funfzigſten Jahre, da er ermordet
wurde, funfzig Haupt-Schlachten gewonnen,
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und 1200000 Menſchen getoͤdtet. Jch glau-
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fielen, da ſie jene umbrachten. Sind wir bei-
den, Bruder, du und ich, nicht unſchuldige
Maͤnner, und Windel-Kinder, gegen den Cae-
ſar, oder ſeinen Vorlaͤufer auf der Helden-
Bahn, den Alexander betrachtet, der fuͤr ſein
Rauben und Morden den Beinamen, der
Große, erhalten hat?
Der vornehmſte Unterſchied, der mir bei
der Vergleichung zwiſchen uns, und dem Mai-
re, dem Abgeſandten und dem General in die
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/187>, abgerufen am 21.11.2024.
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