Tausend artige Sachen (denn der Cupido ist höflicher als das Gewißen) hat der kleine Bube zu ihrem Vortheil gesagt.
Er behauptete, er kennete unser beider Her- zen, und daß meine Liebe, so gewaltig stark und mächtig sie auch seyn möchte, und ob sie gleich das Verdienst anführen könnte, ihr vie- le Monate treue Dienste geleistet, und mit un- endlichen Schwierigkeiten gekämpfet zu haben, doch noch nicht die rechte Art von Liebe wäre.
Die rechte Art von Liebe! - - Der Narr! - - Aber mit aller Ehrerbietung gegen Eure Göttliche Majestät gesprochen, sagte ich, wie hat die Fräulein sich denn um Euch verdient gemacht, daß Jhr ihre Parthei nehmet? Jst denn ihre Liebe, bedenket es doch, die rechte Art von Liebe? Jst es überall Liebe? Das behauptet sie selber nicht. Sie erkennet Eure Herrschaft im geringsten nicht. Was, den Teufel! bewegt Euch, so ernstlich für einen Re- bellen zu sprechen, der Eure Macht verachtet?
Darauf kam er mit seinen Wenn, und Und und Aber, und sagte, es würde Liebe, und zwar eine Art von erhabener Liebe, gewe- sen seyn, und würde es noch seyn, wenn ich sie durch die rechte Art von Liebe auf- muntern wollte, wovon er spräche. Und sei- ne Meinung zu rechtfertigen, führte er ihre eignen Geständnisse, sowol die von gestern, als von diesem Morgen an. Ja er gieng soweit
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Tauſend artige Sachen (denn der Cupido iſt hoͤflicher als das Gewißen) hat der kleine Bube zu ihrem Vortheil geſagt.
Er behauptete, er kennete unſer beider Her- zen, und daß meine Liebe, ſo gewaltig ſtark und maͤchtig ſie auch ſeyn moͤchte, und ob ſie gleich das Verdienſt anfuͤhren koͤnnte, ihr vie- le Monate treue Dienſte geleiſtet, und mit un- endlichen Schwierigkeiten gekaͤmpfet zu haben, doch noch nicht die rechte Art von Liebe waͤre.
Die rechte Art von Liebe! ‒ ‒ Der Narr! ‒ ‒ Aber mit aller Ehrerbietung gegen Eure Goͤttliche Majeſtaͤt geſprochen, ſagte ich, wie hat die Fraͤulein ſich denn um Euch verdient gemacht, daß Jhr ihre Parthei nehmet? Jſt denn ihre Liebe, bedenket es doch, die rechte Art von Liebe? Jſt es uͤberall Liebe? Das behauptet ſie ſelber nicht. Sie erkennet Eure Herrſchaft im geringſten nicht. Was, den Teufel! bewegt Euch, ſo ernſtlich fuͤr einen Re- bellen zu ſprechen, der Eure Macht verachtet?
Darauf kam er mit ſeinen Wenn, und Und und Aber, und ſagte, es wuͤrde Liebe, und zwar eine Art von erhabener Liebe, gewe- ſen ſeyn, und wuͤrde es noch ſeyn, wenn ich ſie durch die rechte Art von Liebe auf- muntern wollte, wovon er ſpraͤche. Und ſei- ne Meinung zu rechtfertigen, fuͤhrte er ihre eignen Geſtaͤndniſſe, ſowol die von geſtern, als von dieſem Morgen an. Ja er gieng ſoweit
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Tauſend artige Sachen (denn der Cupido
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Bube zu ihrem Vortheil geſagt.
Er behauptete, er kennete unſer beider Her-
zen, und daß meine Liebe, ſo gewaltig ſtark
und maͤchtig ſie auch ſeyn moͤchte, und ob ſie
gleich das Verdienſt anfuͤhren koͤnnte, ihr vie-
le Monate treue Dienſte geleiſtet, und mit un-
endlichen Schwierigkeiten gekaͤmpfet zu haben,
doch noch nicht die rechte Art von Liebe
waͤre.
Die rechte Art von Liebe! ‒ ‒ Der Narr!
‒ ‒ Aber mit aller Ehrerbietung gegen Eure
Goͤttliche Majeſtaͤt geſprochen, ſagte ich, wie
hat die Fraͤulein ſich denn um Euch verdient
gemacht, daß Jhr ihre Parthei nehmet? Jſt
denn ihre Liebe, bedenket es doch, die rechte
Art von Liebe? Jſt es uͤberall Liebe? Das
behauptet ſie ſelber nicht. Sie erkennet Eure
Herrſchaft im geringſten nicht. Was, den
Teufel! bewegt Euch, ſo ernſtlich fuͤr einen Re-
bellen zu ſprechen, der Eure Macht verachtet?
Darauf kam er mit ſeinen Wenn, und
Und und Aber, und ſagte, es wuͤrde Liebe,
und zwar eine Art von erhabener Liebe, gewe-
ſen ſeyn, und wuͤrde es noch ſeyn, wenn ich
ſie durch die rechte Art von Liebe auf-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/207>, abgerufen am 27.11.2024.
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