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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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ist sie (wie es scheinet) eine andre Magda-
lene
in ihrer Reue gewesen, ob sie gleich in ih-
ren Vergehungen nicht so schlimm, als Mag-
dalene
gewesen ist. (Einer Vergehung, das
weiß der liebe GOtt! hat sie sich freilich einmal
schuldig gemacht,

Nam vitiis nemo sine nascitur: optimus
ille est,
Qui minimis vrgetur
- - sagt Horaz)

Sollte ich demnach zu diesem seeligen Ge-
schäft ernennet werden, (denn Seelig sind, die
Frieden machen!
) so will ich nach London ei-
len, und (wie ich weiß, daß die Fräulein al-
lezeit eine grosse Achtung gegen das heilige Amt
geheget hat, das ich zu führen gewürdiget bin)
so zweifle ich nicht, mich der Fräulein angenehm
zu machen, und ihr durch gesunde Gründe
und guten Rath, einen Geschmack an einer
Lebensart beizubringen, welche der erste
Schrit
zu ihrer Bekehrung seyn muß. Denn
wenn das Gemüth erst beruhiget ist, so wird
der Cörper nicht lange leiden; und die Lie-
be zum Leben
ist eine natürliche Neigung,
die leicht wieder lebendig wird, wenn sich
das Glück wendet, und uns zulächelt:

Viuere quisque diu, quamuis egenus &
aeger,
Optat - -ovid.

Und der liebliche Lucan bemerket sehr rich-
tig:

- - Fa-



iſt ſie (wie es ſcheinet) eine andre Magda-
lene
in ihrer Reue geweſen, ob ſie gleich in ih-
ren Vergehungen nicht ſo ſchlimm, als Mag-
dalene
geweſen iſt. (Einer Vergehung, das
weiß der liebe GOtt! hat ſie ſich freilich einmal
ſchuldig gemacht,

Nam vitiis nemo ſine naſcitur: optimus
ille eſt,
Qui minimis vrgetur
‒ ‒ ſagt Horaz)

Sollte ich demnach zu dieſem ſeeligen Ge-
ſchaͤft ernennet werden, (denn Seelig ſind, die
Frieden machen!
) ſo will ich nach London ei-
len, und (wie ich weiß, daß die Fraͤulein al-
lezeit eine groſſe Achtung gegen das heilige Amt
geheget hat, das ich zu fuͤhren gewuͤrdiget bin)
ſo zweifle ich nicht, mich der Fraͤulein angenehm
zu machen, und ihr durch geſunde Gruͤnde
und guten Rath, einen Geſchmack an einer
Lebensart beizubringen, welche der erſte
Schrit
zu ihrer Bekehrung ſeyn muß. Denn
wenn das Gemuͤth erſt beruhiget iſt, ſo wird
der Coͤrper nicht lange leiden; und die Lie-
be zum Leben
iſt eine natuͤrliche Neigung,
die leicht wieder lebendig wird, wenn ſich
das Gluͤck wendet, und uns zulaͤchelt:

Viuere quisque diu, quamuis egenus &
aeger,
Optat ‒ ‒ovid.

Und der liebliche Lucan bemerket ſehr rich-
tig:

‒ ‒ Fa-
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[254/0262] iſt ſie (wie es ſcheinet) eine andre Magda- lene in ihrer Reue geweſen, ob ſie gleich in ih- ren Vergehungen nicht ſo ſchlimm, als Mag- dalene geweſen iſt. (Einer Vergehung, das weiß der liebe GOtt! hat ſie ſich freilich einmal ſchuldig gemacht, Nam vitiis nemo ſine naſcitur: optimus ille eſt, Qui minimis vrgetur ‒ ‒ ſagt Horaz) Sollte ich demnach zu dieſem ſeeligen Ge- ſchaͤft ernennet werden, (denn Seelig ſind, die Frieden machen!) ſo will ich nach London ei- len, und (wie ich weiß, daß die Fraͤulein al- lezeit eine groſſe Achtung gegen das heilige Amt geheget hat, das ich zu fuͤhren gewuͤrdiget bin) ſo zweifle ich nicht, mich der Fraͤulein angenehm zu machen, und ihr durch geſunde Gruͤnde und guten Rath, einen Geſchmack an einer Lebensart beizubringen, welche der erſte Schrit zu ihrer Bekehrung ſeyn muß. Denn wenn das Gemuͤth erſt beruhiget iſt, ſo wird der Coͤrper nicht lange leiden; und die Lie- be zum Leben iſt eine natuͤrliche Neigung, die leicht wieder lebendig wird, wenn ſich das Gluͤck wendet, und uns zulaͤchelt: Viuere quisque diu, quamuis egenus & aeger, Optat ‒ ‒ovid. Und der liebliche Lucan bemerket ſehr rich- tig: ‒ ‒ Fa-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/262>, abgerufen am 22.11.2024.