[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.te, welches sie ex tempore that, und zwar nach ihren Wirkungen, auf eine so warhaf- tig vortrefliche Weise, daß jedermann sehr da- mit zufrieden war. Jch hätte es selbst, wenn ich darüber studiret hätte, nicht besser oder conciser unterscheiden können - - Die Betrüb- niß, sagte sie, erträgt, der Schmerz zer- reißt, aber die Melancholei giebt gute Worte. Daraus werde ich ich ihr diesen Schluß zie- Drittens, daß ihre Freuden, (*) wenn wandten (*) Ew. Hochwolgebohren erlauben mir, hier in
einer Note anzumerken, daß die Freude mit der Melancholei gewisser massen wol beste- hen kann, eine sanfte gemäßigte Freude, nicht eine wilde oder tobende Freude: Son- dern eine solche Freude, die sie auf eine Zeitlang aus ihrer süßen Melancholei auf- richten, und sie dann wieder in dieselbe auf eine sanfte Art verfallen lassen wird. Denn das ist gewiß, ihre Ueberlegung wird ma- chen, daß sie überhaupt ihr Leben in einer Melancholei zubringet. te, welches ſie ex tempore that, und zwar nach ihren Wirkungen, auf eine ſo warhaf- tig vortrefliche Weiſe, daß jedermann ſehr da- mit zufrieden war. Jch haͤtte es ſelbſt, wenn ich daruͤber ſtudiret haͤtte, nicht beſſer oder conciſer unterſcheiden koͤnnen ‒ ‒ Die Betruͤb- niß, ſagte ſie, ertraͤgt, der Schmerz zer- reißt, aber die Melancholei giebt gute Worte. Daraus werde ich ich ihr dieſen Schluß zie- Drittens, daß ihre Freuden, (*) wenn wandten (*) Ew. Hochwolgebohren erlauben mir, hier in
einer Note anzumerken, daß die Freude mit der Melancholei gewiſſer maſſen wol beſte- hen kann, eine ſanfte gemaͤßigte Freude, nicht eine wilde oder tobende Freude: Son- dern eine ſolche Freude, die ſie auf eine Zeitlang aus ihrer ſuͤßen Melancholei auf- richten, und ſie dann wieder in dieſelbe auf eine ſanfte Art verfallen laſſen wird. Denn das iſt gewiß, ihre Ueberlegung wird ma- chen, daß ſie uͤberhaupt ihr Leben in einer Melancholei zubringet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0264" n="256"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> te, welches ſie <hi rendition="#aq">ex tempore</hi> that, und zwar<lb/> nach ihren <hi rendition="#fr">Wirkungen,</hi> auf eine ſo warhaf-<lb/> tig vortrefliche Weiſe, daß jedermann ſehr da-<lb/> mit zufrieden war. Jch haͤtte es ſelbſt, wenn<lb/> ich daruͤber <hi rendition="#fr">ſtudiret</hi> haͤtte, nicht <hi rendition="#fr">beſſer</hi> oder<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">conciſer</hi></hi> unterſcheiden koͤnnen ‒ ‒ Die <hi rendition="#fr">Betruͤb-<lb/> niß,</hi> ſagte ſie, <hi rendition="#fr">ertraͤgt, der Schmerz zer-<lb/> reißt,</hi> aber <hi rendition="#fr">die Melancholei giebt gute<lb/> Worte.</hi></p><lb/> <p>Daraus werde ich ich ihr dieſen Schluß zie-<lb/> hen, daß, wenn eine gluͤckliche Ausſoͤhnung<lb/> Platz finden wird, ſo wird der <hi rendition="#fr">Schmerz</hi> ver-<lb/> bannet werden, die <hi rendition="#fr">Betruͤbniß</hi> ihren Abſchied<lb/> bekommen, und bloß die ſuͤſſe <hi rendition="#fr">Melancholei</hi><lb/> uͤbrig bleiben, ihrem <hi rendition="#fr">busfertigen Herzen</hi> zu<lb/><hi rendition="#fr">ſchmeicheln</hi> und <hi rendition="#fr">nachzugeben,</hi> damit ſie<lb/> der ganzen Welt ihre Reue uͤber ihren groſſen<lb/> Jrthum zeigen koͤnne.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Drittens,</hi> daß ihre <hi rendition="#fr">Freuden,</hi> <note place="foot" n="(*)">Ew. Hochwolgebohren erlauben mir, hier in<lb/> einer Note anzumerken, daß die <hi rendition="#fr">Freude</hi> mit<lb/> der <hi rendition="#fr">Melancholei</hi> gewiſſer maſſen wol beſte-<lb/> hen kann, eine <hi rendition="#fr">ſanfte gemaͤßigte Freude,</hi><lb/> nicht eine <hi rendition="#fr">wilde</hi> oder <hi rendition="#fr">tobende Freude:</hi> Son-<lb/> dern eine ſolche <hi rendition="#fr">Freude,</hi> die ſie auf <hi rendition="#fr">eine<lb/> Zeitlang</hi> aus ihrer <hi rendition="#fr">ſuͤßen Melancholei</hi> auf-<lb/> richten, und ſie dann wieder in dieſelbe auf<lb/><hi rendition="#fr">eine ſanfte Art</hi> verfallen laſſen wird. Denn<lb/> das iſt gewiß, ihre <hi rendition="#fr">Ueberlegung</hi> wird ma-<lb/> chen, daß ſie uͤberhaupt ihr Leben in einer<lb/><hi rendition="#fr">Melancholei</hi> zubringet.</note> wenn<lb/> ſie ihre Geſundheit und die Liebe ihrer Anver-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wandten</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [256/0264]
te, welches ſie ex tempore that, und zwar
nach ihren Wirkungen, auf eine ſo warhaf-
tig vortrefliche Weiſe, daß jedermann ſehr da-
mit zufrieden war. Jch haͤtte es ſelbſt, wenn
ich daruͤber ſtudiret haͤtte, nicht beſſer oder
conciſer unterſcheiden koͤnnen ‒ ‒ Die Betruͤb-
niß, ſagte ſie, ertraͤgt, der Schmerz zer-
reißt, aber die Melancholei giebt gute
Worte.
Daraus werde ich ich ihr dieſen Schluß zie-
hen, daß, wenn eine gluͤckliche Ausſoͤhnung
Platz finden wird, ſo wird der Schmerz ver-
bannet werden, die Betruͤbniß ihren Abſchied
bekommen, und bloß die ſuͤſſe Melancholei
uͤbrig bleiben, ihrem busfertigen Herzen zu
ſchmeicheln und nachzugeben, damit ſie
der ganzen Welt ihre Reue uͤber ihren groſſen
Jrthum zeigen koͤnne.
Drittens, daß ihre Freuden, (*) wenn
ſie ihre Geſundheit und die Liebe ihrer Anver-
wandten
(*) Ew. Hochwolgebohren erlauben mir, hier in
einer Note anzumerken, daß die Freude mit
der Melancholei gewiſſer maſſen wol beſte-
hen kann, eine ſanfte gemaͤßigte Freude,
nicht eine wilde oder tobende Freude: Son-
dern eine ſolche Freude, die ſie auf eine
Zeitlang aus ihrer ſuͤßen Melancholei auf-
richten, und ſie dann wieder in dieſelbe auf
eine ſanfte Art verfallen laſſen wird. Denn
das iſt gewiß, ihre Ueberlegung wird ma-
chen, daß ſie uͤberhaupt ihr Leben in einer
Melancholei zubringet.
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