[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.als sie selbst mahlte. Sie hatte zu dem letztern nicht Uebung genug. Es war auch unmög- lich, daß sie in allen Dingen vortreflich seyn konnte. Aber überhaupt wußte sie, was ein je- der Vorwurf seiner Natur nach erforderte, o- der in andern Worten: Jhr Urtheil, wie ei- ne Sache seyn sollte, war allezeit un- trieglich. Um zum Besten des jungen Frauenzimmers Und o! das wußte sie, ehe sie neunzehen Jah- Leute,
als ſie ſelbſt mahlte. Sie hatte zu dem letztern nicht Uebung genug. Es war auch unmoͤg- lich, daß ſie in allen Dingen vortreflich ſeyn konnte. Aber uͤberhaupt wußte ſie, was ein je- der Vorwurf ſeiner Natur nach erforderte, o- der in andern Worten: Jhr Urtheil, wie ei- ne Sache ſeyn ſollte, war allezeit un- trieglich. Um zum Beſten des jungen Frauenzimmers Und o! das wußte ſie, ehe ſie neunzehen Jah- Leute,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0298" n="290"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> als ſie ſelbſt mahlte. Sie hatte zu dem letztern<lb/> nicht Uebung genug. Es war auch unmoͤg-<lb/> lich, daß ſie in <hi rendition="#fr">allen</hi> Dingen vortreflich ſeyn<lb/> konnte. Aber uͤberhaupt wußte ſie, was ein je-<lb/> der Vorwurf ſeiner Natur nach erforderte, o-<lb/> der in andern Worten: Jhr Urtheil, <hi rendition="#fr">wie ei-<lb/> ne Sache ſeyn ſollte,</hi> war allezeit un-<lb/> trieglich.</p><lb/> <p>Um zum Beſten des jungen Frauenzimmers<lb/> nur ein gemeines Exempel anzufuͤhren, ſo beo-<lb/> bachtete ſie ſchon, von ſich ſelbſt, als <hi rendition="#fr">ein ganz<lb/> kleines Kind,</hi> daß Sonne, Mond, und Ster-<lb/> ne nie zugleich am Himmel erſchienen, und al-<lb/> ſo nie zugleich auf ein Stuͤck gemahlet werden<lb/> muͤßten: Daß Baͤren, Tiger, und Loͤwen nicht<lb/> in Engelland zu finden, und alſo auf einer<lb/> Engliſchen Landſchaft nicht zu mahlen waͤren.<lb/> Daß dieſe Verwuͤſter des Waldes ſich nicht<lb/> mit Laͤmmern, Boͤcken, und Rehen vertruͤgen,<lb/> ſo wenig wie Habichte, Falken und Geier, mit<lb/> Tauben, Rebhuͤnern und Faſanen.</p><lb/> <p>Und o! das wußte ſie, ehe ſie neunzehen Jah-<lb/> re alt war! Aus einer ungluͤcklichen Erfahrung<lb/> lernte ſie, daß alle dieſe Raubthiere und Raub-<lb/> voͤgel, von der Grauſamkeit verraͤtheriſcher<lb/> Mannsperſonen uͤbertroffen wuͤrden! von nie-<lb/> dertraͤchtigen, barbariſchen, liſtigen, verderbli-<lb/> chen Mannsperſonen! Die unendlich weniger<lb/> zu entſchuldigen ſind, als jene Thiere, da ſie<lb/> aus Muthwillen und zur Luſt zerſtoͤren, was<lb/> dieſe aus Hunger und Noth thun!</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Leute,</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [290/0298]
als ſie ſelbſt mahlte. Sie hatte zu dem letztern
nicht Uebung genug. Es war auch unmoͤg-
lich, daß ſie in allen Dingen vortreflich ſeyn
konnte. Aber uͤberhaupt wußte ſie, was ein je-
der Vorwurf ſeiner Natur nach erforderte, o-
der in andern Worten: Jhr Urtheil, wie ei-
ne Sache ſeyn ſollte, war allezeit un-
trieglich.
Um zum Beſten des jungen Frauenzimmers
nur ein gemeines Exempel anzufuͤhren, ſo beo-
bachtete ſie ſchon, von ſich ſelbſt, als ein ganz
kleines Kind, daß Sonne, Mond, und Ster-
ne nie zugleich am Himmel erſchienen, und al-
ſo nie zugleich auf ein Stuͤck gemahlet werden
muͤßten: Daß Baͤren, Tiger, und Loͤwen nicht
in Engelland zu finden, und alſo auf einer
Engliſchen Landſchaft nicht zu mahlen waͤren.
Daß dieſe Verwuͤſter des Waldes ſich nicht
mit Laͤmmern, Boͤcken, und Rehen vertruͤgen,
ſo wenig wie Habichte, Falken und Geier, mit
Tauben, Rebhuͤnern und Faſanen.
Und o! das wußte ſie, ehe ſie neunzehen Jah-
re alt war! Aus einer ungluͤcklichen Erfahrung
lernte ſie, daß alle dieſe Raubthiere und Raub-
voͤgel, von der Grauſamkeit verraͤtheriſcher
Mannsperſonen uͤbertroffen wuͤrden! von nie-
dertraͤchtigen, barbariſchen, liſtigen, verderbli-
chen Mannsperſonen! Die unendlich weniger
zu entſchuldigen ſind, als jene Thiere, da ſie
aus Muthwillen und zur Luſt zerſtoͤren, was
dieſe aus Hunger und Noth thun!
Leute,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |