gend zu erhöhen, und das Laster zu beschämen, sich nur allzuoft mit blossen Werken der Einbil- dungskraft beschäftigten; mit Vorwürfen, wo es auf eine blosse Betrachtung des Verstandes ankäme, die keinen Einfluß in die Sitten hät- ten, und nichts zur Erbauung beitrügen; wo- raus man keine gute Lehre, oder Beispiel neh- men könnte.
Besonders traf ihr strenger Tadel die Schrif- ten, die auf eine leichtsinnige und unehrba- re Art geschrieben waren; welche die Sitten der Jugend verderben, unflätige Bilder erwecken, und der Religion entweder selbst, oder ihren Lehrern nachtheilig seyn konnten. Und dies that sie, ohne auf den Ruhm des Verfassers, oder auf den Witz zu sehen, mit welchem er sie noch so vortreflich ausgearbeitet haben mochte. Sie bedaurete oft, daß der berühmte Dechant Swift seine vortrefliche Feder so gemisbrauchet hätte, daß ein reines Auge sich fürchten müßte, in sei- ne Schriften zu sehen, und ein reines Ohr, ei- ne Stelle daraus anführen zu hören. "Der- "gleichen Schriftsteller, pflegte sie zu sagen, wä- "ren ihren eignen Gaben nicht getreu, und ge- "gen den GOtt undankbar, der sie ihnen "verliehen hätte." Sie ließ auch hierin ihre Schönheiten keinesweges als eine Entschuldi- gung gelten, sondern behauptete vielmehr, es vergrössere ihr Verbrechen, wenn diejenigen, die so geschickt wären, das Herz zu bessern, nur in einigen Stellen verriethen, daß das ih-
rige
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gend zu erhoͤhen, und das Laſter zu beſchaͤmen, ſich nur allzuoft mit bloſſen Werken der Einbil- dungskraft beſchaͤftigten; mit Vorwuͤrfen, wo es auf eine bloſſe Betrachtung des Verſtandes ankaͤme, die keinen Einfluß in die Sitten haͤt- ten, und nichts zur Erbauung beitruͤgen; wo- raus man keine gute Lehre, oder Beiſpiel neh- men koͤnnte.
Beſonders traf ihr ſtrenger Tadel die Schrif- ten, die auf eine leichtſinnige und unehrba- re Art geſchrieben waren; welche die Sitten der Jugend verderben, unflaͤtige Bilder erwecken, und der Religion entweder ſelbſt, oder ihren Lehrern nachtheilig ſeyn konnten. Und dies that ſie, ohne auf den Ruhm des Verfaſſers, oder auf den Witz zu ſehen, mit welchem er ſie noch ſo vortreflich ausgearbeitet haben mochte. Sie bedaurete oft, daß der beruͤhmte Dechant Swift ſeine vortrefliche Feder ſo gemisbrauchet haͤtte, daß ein reines Auge ſich fuͤrchten muͤßte, in ſei- ne Schriften zu ſehen, und ein reines Ohr, ei- ne Stelle daraus anfuͤhren zu hoͤren. „Der- „gleichen Schriftſteller, pflegte ſie zu ſagen, waͤ- „ren ihren eignen Gaben nicht getreu, und ge- „gen den GOtt undankbar, der ſie ihnen „verliehen haͤtte.” Sie ließ auch hierin ihre Schoͤnheiten keinesweges als eine Entſchuldi- gung gelten, ſondern behauptete vielmehr, es vergroͤſſere ihr Verbrechen, wenn diejenigen, die ſo geſchickt waͤren, das Herz zu beſſern, nur in einigen Stellen verriethen, daß das ih-
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gend zu erhoͤhen, und das Laſter zu beſchaͤmen,
ſich nur allzuoft mit bloſſen Werken der Einbil-
dungskraft beſchaͤftigten; mit Vorwuͤrfen, wo
es auf eine bloſſe Betrachtung des Verſtandes
ankaͤme, die keinen Einfluß in die Sitten haͤt-
ten, und nichts zur Erbauung beitruͤgen; wo-
raus man keine gute Lehre, oder Beiſpiel neh-
men koͤnnte.
Beſonders traf ihr ſtrenger Tadel die Schrif-
ten, die auf eine leichtſinnige und unehrba-
re Art geſchrieben waren; welche die Sitten der
Jugend verderben, unflaͤtige Bilder erwecken,
und der Religion entweder ſelbſt, oder ihren
Lehrern nachtheilig ſeyn konnten. Und dies that
ſie, ohne auf den Ruhm des Verfaſſers, oder
auf den Witz zu ſehen, mit welchem er ſie noch
ſo vortreflich ausgearbeitet haben mochte. Sie
bedaurete oft, daß der beruͤhmte Dechant Swift
ſeine vortrefliche Feder ſo gemisbrauchet haͤtte,
daß ein reines Auge ſich fuͤrchten muͤßte, in ſei-
ne Schriften zu ſehen, und ein reines Ohr, ei-
ne Stelle daraus anfuͤhren zu hoͤren. „Der-
„gleichen Schriftſteller, pflegte ſie zu ſagen, waͤ-
„ren ihren eignen Gaben nicht getreu, und ge-
„gen den GOtt undankbar, der ſie ihnen
„verliehen haͤtte.” Sie ließ auch hierin ihre
Schoͤnheiten keinesweges als eine Entſchuldi-
gung gelten, ſondern behauptete vielmehr, es
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/305>, abgerufen am 26.06.2024.
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