[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.Jhre Verwandte, die damals ihren Werth Jn allem, was sie las, und in ihren Unter- gend (*) Jn ihrem Handbuche hat sie über ihre Besse-
rung von diesem Fieber, in ihrer letzten Krank- heit, folgende Anmerkung gemacht: "Jn einer gefährlichen Krankheit, die mich "wenige Jahre vorher überfiel, ehe ich diesen "undankbaren Menschen kennen lernte! (Woll- "te der Himmel, ich wäre darin gestorben!) "war mein Bette von allen meinen werthen Ver- "wandten umgeben. - - Vater, Mutter, Bru- "der, Schwester, und meine beiden Oncles, "knieten weinend um mich herum, und thaten "dem Himmel ihre Gelübde um meine Wieder- "herstellung. Jch selbst, weil ich fürchte- "te, ich möchte einen oder andern meiner be- "kümmerten Freunde mit mir ins Grab ziehen, "wünschte und betete ihrentwillen um meine Ge- "sundheit. - - O! wie wenig können Aeltern "in solchen Fällen wissen, was sie wünschen; "Wie glücklich für sie und für mich, wäre ihr "Gebet unerhört geblieben! Aber jetzt bin ich "dieser Sorge enthoben. Alle diese theuren Ver- "wandten leben noch; - - Aber keiner von ih- "nen (so verhaßt ist mein Fehltrit in ihren Au- "gen!) würde jetzt meinen Tod beklagen, son- "dern sich vielmehr über die Nachricht freuen." Jhre Verwandte, die damals ihren Werth Jn allem, was ſie las, und in ihren Unter- gend (*) Jn ihrem Handbuche hat ſie uͤber ihre Beſſe-
rung von dieſem Fieber, in ihrer letzten Krank- heit, folgende Anmerkung gemacht: „Jn einer gefaͤhrlichen Krankheit, die mich „wenige Jahre vorher uͤberfiel, ehe ich dieſen „undankbaren Menſchen kennen lernte! (Woll- „te der Himmel, ich waͤre darin geſtorben!) „war mein Bette von allen meinen werthen Ver- „wandten umgeben. ‒ ‒ Vater, Mutter, Bru- „der, Schweſter, und meine beiden Oncles, „knieten weinend um mich herum, und thaten „dem Himmel ihre Geluͤbde um meine Wieder- „herſtellung. Jch ſelbſt, weil ich fuͤrchte- „te, ich moͤchte einen oder andern meiner be- „kuͤmmerten Freunde mit mir ins Grab ziehen, „wuͤnſchte und betete ihrentwillen um meine Ge- „ſundheit. ‒ ‒ O! wie wenig koͤnnen Aeltern „in ſolchen Faͤllen wiſſen, was ſie wuͤnſchen; „Wie gluͤcklich fuͤr ſie und fuͤr mich, waͤre ihr „Gebet unerhoͤrt geblieben! Aber jetzt bin ich „dieſer Sorge enthoben. Alle dieſe theuren Ver- „wandten leben noch; ‒ ‒ Aber keiner von ih- „nen (ſo verhaßt iſt mein Fehltrit in ihren Au- „gen!) wuͤrde jetzt meinen Tod beklagen, ſon- „dern ſich vielmehr uͤber die Nachricht freuen.” <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0304" n="296"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Jhre Verwandte, die damals ihren Werth<lb/> kannten, waren fuͤr ſie in groſſen Aengſten. <note place="foot" n="(*)">Jn ihrem Handbuche hat ſie uͤber ihre Beſſe-<lb/> rung von dieſem Fieber, in ihrer letzten Krank-<lb/> heit, folgende Anmerkung gemacht:<lb/> „Jn einer gefaͤhrlichen Krankheit, die mich<lb/> „wenige Jahre vorher uͤberfiel, ehe ich dieſen<lb/> „undankbaren Menſchen kennen lernte! (Woll-<lb/> „te der Himmel, ich waͤre darin geſtorben!)<lb/> „war mein Bette von allen meinen werthen Ver-<lb/> „wandten umgeben. ‒ ‒ Vater, Mutter, Bru-<lb/> „der, Schweſter, und meine beiden Oncles,<lb/> „knieten weinend um mich herum, und thaten<lb/> „dem Himmel ihre Geluͤbde um meine Wieder-<lb/> „herſtellung. Jch ſelbſt, weil ich fuͤrchte-<lb/> „te, ich moͤchte einen oder andern meiner be-<lb/> „kuͤmmerten Freunde mit mir ins Grab ziehen,<lb/> „wuͤnſchte und betete ihrentwillen um meine Ge-<lb/> „ſundheit. ‒ ‒ O! wie wenig koͤnnen Aeltern<lb/> „in ſolchen Faͤllen wiſſen, was ſie wuͤnſchen;<lb/> „Wie gluͤcklich fuͤr ſie und fuͤr mich, waͤre ihr<lb/> „Gebet unerhoͤrt geblieben! Aber jetzt bin ich<lb/> „dieſer Sorge enthoben. Alle dieſe theuren Ver-<lb/> „wandten leben noch; ‒ ‒ Aber keiner von ih-<lb/> „nen (ſo verhaßt iſt mein Fehltrit in ihren Au-<lb/> „gen!) wuͤrde jetzt meinen Tod beklagen, ſon-<lb/> „dern ſich vielmehr uͤber die Nachricht freuen.”</note></p><lb/> <p>Jn allem, was ſie las, und in ihren Unter-<lb/> redungen daruͤber mochte ſie lieber Schoͤnheiten<lb/> als Flecken finden, und gerne, wenn ſie nur im<lb/> geringſten Grund hatte, dem Verfaſſer und<lb/> dem Buche ihr Lob ertheilen. Jedoch pflegte<lb/> ſie zu beklagen, daß gewiſſe Schriftſteller der<lb/> erſten Ordnung, die im Stande waͤren, die Tu-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gend</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [296/0304]
Jhre Verwandte, die damals ihren Werth
kannten, waren fuͤr ſie in groſſen Aengſten. (*)
Jn allem, was ſie las, und in ihren Unter-
redungen daruͤber mochte ſie lieber Schoͤnheiten
als Flecken finden, und gerne, wenn ſie nur im
geringſten Grund hatte, dem Verfaſſer und
dem Buche ihr Lob ertheilen. Jedoch pflegte
ſie zu beklagen, daß gewiſſe Schriftſteller der
erſten Ordnung, die im Stande waͤren, die Tu-
gend
(*) Jn ihrem Handbuche hat ſie uͤber ihre Beſſe-
rung von dieſem Fieber, in ihrer letzten Krank-
heit, folgende Anmerkung gemacht:
„Jn einer gefaͤhrlichen Krankheit, die mich
„wenige Jahre vorher uͤberfiel, ehe ich dieſen
„undankbaren Menſchen kennen lernte! (Woll-
„te der Himmel, ich waͤre darin geſtorben!)
„war mein Bette von allen meinen werthen Ver-
„wandten umgeben. ‒ ‒ Vater, Mutter, Bru-
„der, Schweſter, und meine beiden Oncles,
„knieten weinend um mich herum, und thaten
„dem Himmel ihre Geluͤbde um meine Wieder-
„herſtellung. Jch ſelbſt, weil ich fuͤrchte-
„te, ich moͤchte einen oder andern meiner be-
„kuͤmmerten Freunde mit mir ins Grab ziehen,
„wuͤnſchte und betete ihrentwillen um meine Ge-
„ſundheit. ‒ ‒ O! wie wenig koͤnnen Aeltern
„in ſolchen Faͤllen wiſſen, was ſie wuͤnſchen;
„Wie gluͤcklich fuͤr ſie und fuͤr mich, waͤre ihr
„Gebet unerhoͤrt geblieben! Aber jetzt bin ich
„dieſer Sorge enthoben. Alle dieſe theuren Ver-
„wandten leben noch; ‒ ‒ Aber keiner von ih-
„nen (ſo verhaßt iſt mein Fehltrit in ihren Au-
„gen!) wuͤrde jetzt meinen Tod beklagen, ſon-
„dern ſich vielmehr uͤber die Nachricht freuen.”
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