ten, wenn es ihm beliebte, um die Beste un- ter dem ganzen schönen Geschlecht anzunehmen: Daß er sich einbilden sollte: Die Heirath wür- de für seine abscheulichen Vergehungen sowol gegen andre, als gegen die Clarissa, eine hin- längliche Genugthung seyn. So ist auch, wie er in einem andern Werke gewiesen hat, weder ein schönes Gesicht, noch eine würkliche Liebe zu seinem Gegenstande, noch das gute Herz ei- ner Gemalin, oder gar ihr Exempel, ein sich- rer Bürge, daß die Bekehrung dauerhaft seyn wird, wenn das Herz des Ehemannes nicht von dem Finger der göttlichen Gnade gerühret ist.
Wenn man auf unsre Zeiten Achtung giebt, so wird man sehen, daß der Verfasser sich ei- nen grossen Endzweck vorgesetzet hat. Er hat es erlebt, daß man oft einen allgemeinen Zwei- fel an aller Warheit, und den Unglauben, öf- fentlich bekannt, und sich so gar bemühet hat, ihn durch Schriften auszubreiten: Daß man die grossen Lehren des Evangelii zweifelhaft zu machen gesucht; Daß man die Pflichten der Selbstverleugnung und der Bezwingung sei- ner Lüste aus dem Verzeichniß der ehristlichen Tugenden vertilget: Und daß endlich ein Ge- schmack an öffentlichen Lustbarkeiten und Schwel- gereien, der bis zu einer ärgerlichen Liederlich- keit gestiegen ist, und durch den fast alle sowol häusliche Tugenden, als auch diejenigen, die das Beste des gemeinen Wesens fordert, ver-
dränget
ten, wenn es ihm beliebte, um die Beſte un- ter dem ganzen ſchoͤnen Geſchlecht anzunehmen: Daß er ſich einbilden ſollte: Die Heirath wuͤr- de fuͤr ſeine abſcheulichen Vergehungen ſowol gegen andre, als gegen die Clariſſa, eine hin- laͤngliche Genugthung ſeyn. So iſt auch, wie er in einem andern Werke gewieſen hat, weder ein ſchoͤnes Geſicht, noch eine wuͤrkliche Liebe zu ſeinem Gegenſtande, noch das gute Herz ei- ner Gemalin, oder gar ihr Exempel, ein ſich- rer Buͤrge, daß die Bekehrung dauerhaft ſeyn wird, wenn das Herz des Ehemannes nicht von dem Finger der goͤttlichen Gnade geruͤhret iſt.
Wenn man auf unſre Zeiten Achtung giebt, ſo wird man ſehen, daß der Verfaſſer ſich ei- nen groſſen Endzweck vorgeſetzet hat. Er hat es erlebt, daß man oft einen allgemeinen Zwei- fel an aller Warheit, und den Unglauben, oͤf- fentlich bekannt, und ſich ſo gar bemuͤhet hat, ihn durch Schriften auszubreiten: Daß man die groſſen Lehren des Evangelii zweifelhaft zu machen geſucht; Daß man die Pflichten der Selbſtverleugnung und der Bezwingung ſei- ner Luͤſte aus dem Verzeichniß der ehriſtlichen Tugenden vertilget: Und daß endlich ein Ge- ſchmack an oͤffentlichen Luſtbarkeiten und Schwel- gereien, der bis zu einer aͤrgerlichen Liederlich- keit geſtiegen iſt, und durch den faſt alle ſowol haͤusliche Tugenden, als auch diejenigen, die das Beſte des gemeinen Weſens fordert, ver-
draͤnget
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ten, wenn es ihm beliebte, um die Beſte un-
ter dem ganzen ſchoͤnen Geſchlecht anzunehmen:
Daß er ſich einbilden ſollte: Die Heirath wuͤr-
de fuͤr ſeine abſcheulichen Vergehungen ſowol
gegen andre, als gegen die Clariſſa, eine hin-
laͤngliche Genugthung ſeyn. So iſt auch, wie
er in einem andern Werke gewieſen hat, weder
ein ſchoͤnes Geſicht, noch eine wuͤrkliche Liebe
zu ſeinem Gegenſtande, noch das gute Herz ei-
ner Gemalin, oder gar ihr Exempel, ein ſich-
rer Buͤrge, daß die Bekehrung dauerhaft ſeyn
wird, wenn das Herz des Ehemannes nicht
von dem Finger der goͤttlichen Gnade geruͤhret
iſt.
Wenn man auf unſre Zeiten Achtung giebt,
ſo wird man ſehen, daß der Verfaſſer ſich ei-
nen groſſen Endzweck vorgeſetzet hat. Er hat
es erlebt, daß man oft einen allgemeinen Zwei-
fel an aller Warheit, und den Unglauben, oͤf-
fentlich bekannt, und ſich ſo gar bemuͤhet hat,
ihn durch Schriften auszubreiten: Daß man
die groſſen Lehren des Evangelii zweifelhaft zu
machen geſucht; Daß man die Pflichten der
Selbſtverleugnung und der Bezwingung ſei-
ner Luͤſte aus dem Verzeichniß der ehriſtlichen
Tugenden vertilget: Und daß endlich ein Ge-
ſchmack an oͤffentlichen Luſtbarkeiten und Schwel-
gereien, der bis zu einer aͤrgerlichen Liederlich-
keit geſtiegen iſt, und durch den faſt alle ſowol
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/344>, abgerufen am 17.06.2024.
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