[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753."keine Ursache anzugeben, warum sie nicht bei "einem Heldengedicht eben so wol in Acht zu "nehmen sei, als in einem Trauerspiele. Gleich- "wol hat sie Homer so schlecht beobachtet, "daß sein Achill auf dem Gipfel der Ehre und "des Glücks vorgestellet wird, obgleich sein Cha- "rackter moralisch lasterhaft, und wenn ich "mich mit unsern neuen Kunstrichtern ausdrü- "cken darf, nur poetisch gut ist. Die Ae- "neis ist voller Personen, die bei ihrer Unschuld "unglücklich sind. Nisus und Euryalus, "Lausus und Pallas nehmen alle ein unglück- "liches Ende. Der Dichter beobachtet so gar "eigentlich, daß bei der Zerstörung von Troja "Ripheus, der der Gerechteste von allen Tro- "janern gewesen, gefallen sei:
"Und daß Pantheus weder durch seine un-
"Jch könnte hier noch die Gewonheit der al- "ich Y 3
„keine Urſache anzugeben, warum ſie nicht bei „einem Heldengedicht eben ſo wol in Acht zu „nehmen ſei, als in einem Trauerſpiele. Gleich- „wol hat ſie Homer ſo ſchlecht beobachtet, „daß ſein Achill auf dem Gipfel der Ehre und „des Gluͤcks vorgeſtellet wird, obgleich ſein Cha- „rackter moraliſch laſterhaft, und wenn ich „mich mit unſern neuen Kunſtrichtern ausdruͤ- „cken darf, nur poetiſch gut iſt. Die Ae- „neis iſt voller Perſonen, die bei ihrer Unſchuld „ungluͤcklich ſind. Niſus und Euryalus, „Lauſus und Pallas nehmen alle ein ungluͤck- „liches Ende. Der Dichter beobachtet ſo gar „eigentlich, daß bei der Zerſtoͤrung von Troja „Ripheus, der der Gerechteſte von allen Tro- „janern geweſen, gefallen ſei:
„Und daß Pantheus weder durch ſeine un-
„Jch koͤnnte hier noch die Gewonheit der al- „ich Y 3
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„keine Urſache anzugeben, warum ſie nicht bei
„einem Heldengedicht eben ſo wol in Acht zu
„nehmen ſei, als in einem Trauerſpiele. Gleich-
„wol hat ſie Homer ſo ſchlecht beobachtet,
„daß ſein Achill auf dem Gipfel der Ehre und
„des Gluͤcks vorgeſtellet wird, obgleich ſein Cha-
„rackter moraliſch laſterhaft, und wenn ich
„mich mit unſern neuen Kunſtrichtern ausdruͤ-
„cken darf, nur poetiſch gut iſt. Die Ae-
„neis iſt voller Perſonen, die bei ihrer Unſchuld
„ungluͤcklich ſind. Niſus und Euryalus,
„Lauſus und Pallas nehmen alle ein ungluͤck-
„liches Ende. Der Dichter beobachtet ſo gar
„eigentlich, daß bei der Zerſtoͤrung von Troja
„Ripheus, der der Gerechteſte von allen Tro-
„janern geweſen, gefallen ſei:
„- Cadit & Ripheus, iuſtiſſimus vnus
„Qui fuit in Teucris, & ſeruantiſſimus
„aequi.
„Diis aliter viſum eſt.
„Und daß Pantheus weder durch ſeine un-
„gemeine Gottesfurcht, noch durch die heiligen
„Kraͤnze des Apollo, deſſen Prieſter er war,
„erhalten werden koͤnnen:
„- Nec te tua plurima, Pantheu
„Labentem pietas, nec Apollinis infula
„texit.
„Jch koͤnnte hier noch die Gewonheit der al-
„ten Griechiſchen und Lateiniſchen Dichter erweh-
„nen: allein da Sie ſchon im obgemeldeten
„Blatte dieſelbe beruͤhret haben, ſo uͤbergehe
„ich
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