so sehr unterscheidet, als er sich noch vielmehr durch seine vortreffliche Vertheidigung der wich- tigsten Lehren des Christenthums berühmt ge- macht, scheinet hievon in dem Schluß einer be- weglichen Trauer-Ode überzeuget zu seyn, die erst kürzlich bekannt geworden ist. Nachdem er darin den Verlust einer vortrefflichen Gattin, wie ein Mann, beweinet hatte, der (mit den Worten der Schrift zu reden) keine Hofnung hat, tröstet er sich wieder folgender gestalt:
"Doch, o meine Seele! hemme dein "aufschwellendes Murren, und erkühne "dich nicht, dem allweisen Regierer etwas "vorzuschreiben, oder gegen seinen höch- "sten Rathschluß gottlose Klagen auszu- "schütten! Daß deine Freuden, die nur "eben in voller Blüte standen, völlig ver- "welken sollten, war sein gerechter Wil- "le. Diesem Willen gehorche!"
"Wie! Sollte deine zarte Liebe die "Gnade des Himmels gegen sie einschrän- "ken, und in diesen niedrigen Wohnungen "der Sünde und des Schmerzens, ihre "reine erhöhete Seele, ungerecht und "aus einem partheiischen Eigennutz zu- "rück halten? Nein! - - Lieber bestrebe "dich, deinen kriechenden Geist zu iener "Flamme, die keine Wolke bedeckt, zu jenem "himmlischen Strahl eines ewigen Lichts "zu erheben, wo sie jetzt thronet, und mit- "leidig siehet, wie schwach, wie unsicher,
"wie
ſo ſehr unterſcheidet, als er ſich noch vielmehr durch ſeine vortreffliche Vertheidigung der wich- tigſten Lehren des Chriſtenthums beruͤhmt ge- macht, ſcheinet hievon in dem Schluß einer be- weglichen Trauer-Ode uͤberzeuget zu ſeyn, die erſt kuͤrzlich bekannt geworden iſt. Nachdem er darin den Verluſt einer vortrefflichen Gattin, wie ein Mann, beweinet hatte, der (mit den Worten der Schrift zu reden) keine Hofnung hat, troͤſtet er ſich wieder folgender geſtalt:
„Doch, o meine Seele! hemme dein „aufſchwellendes Murren, und erkuͤhne „dich nicht, dem allweiſen Regierer etwas „vorzuſchreiben, oder gegen ſeinen hoͤch- „ſten Rathſchluß gottloſe Klagen auszu- „ſchuͤtten! Daß deine Freuden, die nur „eben in voller Bluͤte ſtanden, voͤllig ver- „welken ſollten, war ſein gerechter Wil- „le. Dieſem Willen gehorche!„
„Wie! Sollte deine zarte Liebe die „Gnade des Himmels gegen ſie einſchraͤn- „ken, und in dieſen niedrigen Wohnungen „der Suͤnde und des Schmerzens, ihre „reine erhoͤhete Seele, ungerecht und „aus einem partheiiſchen Eigennutz zu- „ruͤck halten? Nein! ‒ ‒ Lieber beſtrebe „dich, deinen kriechenden Geiſt zu iener „Flamme, die keine Wolke bedeckt, zu jenem „himmliſchen Strahl eines ewigen Lichts „zu erheben, wo ſie jetzt thronet, und mit- „leidig ſiehet, wie ſchwach, wie unſicher,
„wie
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ſo ſehr unterſcheidet, als er ſich noch vielmehr
durch ſeine vortreffliche Vertheidigung der wich-
tigſten Lehren des Chriſtenthums beruͤhmt ge-
macht, ſcheinet hievon in dem Schluß einer be-
weglichen Trauer-Ode uͤberzeuget zu ſeyn, die
erſt kuͤrzlich bekannt geworden iſt. Nachdem er
darin den Verluſt einer vortrefflichen Gattin,
wie ein Mann, beweinet hatte, der (mit den
Worten der Schrift zu reden) keine Hofnung
hat, troͤſtet er ſich wieder folgender geſtalt:
„Doch, o meine Seele! hemme dein
„aufſchwellendes Murren, und erkuͤhne
„dich nicht, dem allweiſen Regierer etwas
„vorzuſchreiben, oder gegen ſeinen hoͤch-
„ſten Rathſchluß gottloſe Klagen auszu-
„ſchuͤtten! Daß deine Freuden, die nur
„eben in voller Bluͤte ſtanden, voͤllig ver-
„welken ſollten, war ſein gerechter Wil-
„le. Dieſem Willen gehorche!„
„Wie! Sollte deine zarte Liebe die
„Gnade des Himmels gegen ſie einſchraͤn-
„ken, und in dieſen niedrigen Wohnungen
„der Suͤnde und des Schmerzens, ihre
„reine erhoͤhete Seele, ungerecht und
„aus einem partheiiſchen Eigennutz zu-
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„dich, deinen kriechenden Geiſt zu iener
„Flamme, die keine Wolke bedeckt, zu jenem
„himmliſchen Strahl eines ewigen Lichts
„zu erheben, wo ſie jetzt thronet, und mit-
„leidig ſiehet, wie ſchwach, wie unſicher,
„wie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/352>, abgerufen am 17.02.2025.
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