Jhre Aufführung gegen Sie, sagen Sie, macht ihrer Erziehung und ihrem scharfsinnigen Verstande keine Ehre. Das war ein rechter Stich! Jn Warheit! Dem ungeachtet sage ich das auch. Aber hat das Mädgen nicht mehr Nach- rede davon, als Sie? Jch kan versichern, alle Leute tadeln sie deswegen. Und warum tadelt man sie? - - Warum? weil man glaubt, Sie verdienen von ihr eine bessere Begegnung, und macht Jhnen das nicht Ehre? Werden Sie nicht von jederman bedauret, und meine Tochter ge- tadelt? Haben die Bedienten, wenn sie ihre wunderliche Aufführung sehen, wie Sie anmer- ken, deswegen für Sie weniger Achtung? Sie- het mans ihnen nicht an, daß sie Jhrentwegen bekümmert sind? Geben sie sich nicht doppelte Mühe, Jhnen Ehrerbietung und Dienste zu er- weisen? Mit vielem Vergnügen habe ich das wahrgenommen.
Aber Sie sind besorgt, man würde Sie etwa für feig halten, wenn Sie verheirathet wären. Daß man Sie nicht männlich - tapfer genug hal- ten würde! Ei man sehe doch! Das war des guten Herrn Howe Besorgniß auch, und die herrschsüchtige Besorgniß hat uns beiden man- chen Zwist gekostet, GOtt weiß es! Gewiß, mehr als nöthig war, und mehr, als billig hät- te seyn sollen, hätte er mehr zu ertragen und nach zugeben gewußt; wie es denn die Schul- digkeit derer ist, die den meisten Verstand ha- ben wollen. - - Und wer sollte doch wol, Jhrer
Mei-
Jhre Auffuͤhrung gegen Sie, ſagen Sie, macht ihrer Erziehung und ihrem ſcharfſinnigen Verſtande keine Ehre. Das war ein rechter Stich! Jn Warheit! Dem ungeachtet ſage ich das auch. Aber hat das Maͤdgen nicht mehr Nach- rede davon, als Sie? Jch kan verſichern, alle Leute tadeln ſie deswegen. Und warum tadelt man ſie? ‒ ‒ Warum? weil man glaubt, Sie verdienen von ihr eine beſſere Begegnung, und macht Jhnen das nicht Ehre? Werden Sie nicht von jederman bedauret, und meine Tochter ge- tadelt? Haben die Bedienten, wenn ſie ihre wunderliche Auffuͤhrung ſehen, wie Sie anmer- ken, deswegen fuͤr Sie weniger Achtung? Sie- het mans ihnen nicht an, daß ſie Jhrentwegen bekuͤmmert ſind? Geben ſie ſich nicht doppelte Muͤhe, Jhnen Ehrerbietung und Dienſte zu er- weiſen? Mit vielem Vergnuͤgen habe ich das wahrgenommen.
Aber Sie ſind beſorgt, man wuͤrde Sie etwa fuͤr feig halten, wenn Sie verheirathet waͤren. Daß man Sie nicht maͤnnlich ‒ tapfer genug hal- ten wuͤrde! Ei man ſehe doch! Das war des guten Herrn Howe Beſorgniß auch, und die herrſchſuͤchtige Beſorgniß hat uns beiden man- chen Zwiſt gekoſtet, GOtt weiß es! Gewiß, mehr als noͤthig war, und mehr, als billig haͤt- te ſeyn ſollen, haͤtte er mehr zu ertragen und nach zugeben gewußt; wie es denn die Schul- digkeit derer iſt, die den meiſten Verſtand ha- ben wollen. ‒ ‒ Und wer ſollte doch wol, Jhrer
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Jhre Auffuͤhrung gegen Sie, ſagen Sie,
macht ihrer Erziehung und ihrem ſcharfſinnigen
Verſtande keine Ehre. Das war ein rechter
Stich! Jn Warheit! Dem ungeachtet ſage ich
das auch. Aber hat das Maͤdgen nicht mehr Nach-
rede davon, als Sie? Jch kan verſichern, alle
Leute tadeln ſie deswegen. Und warum tadelt
man ſie? ‒ ‒ Warum? weil man glaubt, Sie
verdienen von ihr eine beſſere Begegnung, und
macht Jhnen das nicht Ehre? Werden Sie nicht
von jederman bedauret, und meine Tochter ge-
tadelt? Haben die Bedienten, wenn ſie ihre
wunderliche Auffuͤhrung ſehen, wie Sie anmer-
ken, deswegen fuͤr Sie weniger Achtung? Sie-
het mans ihnen nicht an, daß ſie Jhrentwegen
bekuͤmmert ſind? Geben ſie ſich nicht doppelte
Muͤhe, Jhnen Ehrerbietung und Dienſte zu er-
weiſen? Mit vielem Vergnuͤgen habe ich das
wahrgenommen.
Aber Sie ſind beſorgt, man wuͤrde Sie etwa
fuͤr feig halten, wenn Sie verheirathet waͤren.
Daß man Sie nicht maͤnnlich ‒ tapfer genug hal-
ten wuͤrde! Ei man ſehe doch! Das war des
guten Herrn Howe Beſorgniß auch, und die
herrſchſuͤchtige Beſorgniß hat uns beiden man-
chen Zwiſt gekoſtet, GOtt weiß es! Gewiß,
mehr als noͤthig war, und mehr, als billig haͤt-
te ſeyn ſollen, haͤtte er mehr zu ertragen und
nach zugeben gewußt; wie es denn die Schul-
digkeit derer iſt, die den meiſten Verſtand ha-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/36>, abgerufen am 21.11.2024.
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