was die Unsinnigen beim Nathaneel Lee em- pfinden, ein Vergnügen, das bloß der Fromme kennet.
Siehest du nicht aus diesem allen, daß es aus zwanzig Ursachen weit besser ist, einem schwer zu erhaschenden Wildpret nachzustellen, als ei- nem, das leicht zu fangen ist. Mit diesem Ver- gnügen möchte ich dich gar zu gerne recht be- kannt machen, und dich lehren, edlere Thiere verfolgen, als Raben, Krähen und Elstern. Jch habe vor, dir von Zeit zu Zeit in der Folge un- sers Briefwechsels, den du über diese große Un- ternehmung so sehnlich mit mir zu unterhalten wünschest, zu zeigen, daß diese erhabnen Fräu- lein können erniedrigt werden. Zugleich will ich einem von den Einwürfen begegnen, die du mir bei unsrer letzten Zusammenkunft machtest, daß nemlich das Vergnügen, welches uns die- se edleren Unternehmungen gewähren, die Mü- he nicht belohnte, die damit verknüpft ist. Denn du elender Kerl wolltest zugleich behaupten, ein Frauenzimmer sei nicht besser, als das andre.
Du weißt nichts, Bruder, von der feinen Wollust, die ein verwirrter Liebes-Handel ver- schafft. Nichts von der Ehre, die Klugheit der Witzigen und Wachsamen zu übertreffen: Von den Freuden, die das Herz eines schlauen und erfindsamen Geistes erfüllen, wenn er überlegt, was für ein Netz er ausstellen will, eine hoch- müthige Schöne zu bestricken, die ihm vorher, da die Reihe an ihr war, unzählige Qual an-
gethan
C 2
was die Unſinnigen beim Nathaneel Lee em- pfinden, ein Vergnuͤgen, das bloß der Fromme kennet.
Sieheſt du nicht aus dieſem allen, daß es aus zwanzig Urſachen weit beſſer iſt, einem ſchwer zu erhaſchenden Wildpret nachzuſtellen, als ei- nem, das leicht zu fangen iſt. Mit dieſem Ver- gnuͤgen moͤchte ich dich gar zu gerne recht be- kannt machen, und dich lehren, edlere Thiere verfolgen, als Raben, Kraͤhen und Elſtern. Jch habe vor, dir von Zeit zu Zeit in der Folge un- ſers Briefwechſels, den du uͤber dieſe große Un- ternehmung ſo ſehnlich mit mir zu unterhalten wuͤnſcheſt, zu zeigen, daß dieſe erhabnen Fraͤu- lein koͤnnen erniedrigt werden. Zugleich will ich einem von den Einwuͤrfen begegnen, die du mir bei unſrer letzten Zuſammenkunft machteſt, daß nemlich das Vergnuͤgen, welches uns die- ſe edleren Unternehmungen gewaͤhren, die Muͤ- he nicht belohnte, die damit verknuͤpft iſt. Denn du elender Kerl wollteſt zugleich behaupten, ein Frauenzimmer ſei nicht beſſer, als das andre.
Du weißt nichts, Bruder, von der feinen Wolluſt, die ein verwirrter Liebes-Handel ver- ſchafft. Nichts von der Ehre, die Klugheit der Witzigen und Wachſamen zu uͤbertreffen: Von den Freuden, die das Herz eines ſchlauen und erfindſamen Geiſtes erfuͤllen, wenn er uͤberlegt, was fuͤr ein Netz er ausſtellen will, eine hoch- muͤthige Schoͤne zu beſtricken, die ihm vorher, da die Reihe an ihr war, unzaͤhlige Qual an-
gethan
C 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0043"n="35"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
was die Unſinnigen beim <hirendition="#fr">Nathaneel Lee</hi> em-<lb/>
pfinden, ein Vergnuͤgen,<lb/><hirendition="#c">das bloß der Fromme kennet.</hi></p><lb/><p>Sieheſt du nicht aus dieſem allen, daß es<lb/>
aus zwanzig Urſachen weit beſſer iſt, einem ſchwer<lb/>
zu erhaſchenden Wildpret nachzuſtellen, als ei-<lb/>
nem, das leicht zu fangen iſt. Mit dieſem Ver-<lb/>
gnuͤgen moͤchte ich dich gar zu gerne recht be-<lb/>
kannt machen, und dich lehren, edlere Thiere<lb/>
verfolgen, als Raben, Kraͤhen und Elſtern. Jch<lb/>
habe vor, dir von Zeit zu Zeit in der Folge un-<lb/>ſers Briefwechſels, den du uͤber dieſe große Un-<lb/>
ternehmung ſo ſehnlich mit mir zu unterhalten<lb/>
wuͤnſcheſt, zu zeigen, daß dieſe erhabnen Fraͤu-<lb/>
lein koͤnnen erniedrigt werden. Zugleich will<lb/>
ich einem von den Einwuͤrfen begegnen, die du<lb/>
mir bei unſrer letzten Zuſammenkunft machteſt,<lb/>
daß nemlich das Vergnuͤgen, welches uns die-<lb/>ſe edleren Unternehmungen gewaͤhren, die Muͤ-<lb/>
he nicht belohnte, die damit verknuͤpft iſt. Denn<lb/>
du elender Kerl wollteſt zugleich behaupten, ein<lb/>
Frauenzimmer ſei nicht beſſer, als das andre.</p><lb/><p>Du weißt nichts, Bruder, von der feinen<lb/>
Wolluſt, die ein verwirrter Liebes-Handel ver-<lb/>ſchafft. Nichts von der Ehre, die Klugheit der<lb/>
Witzigen und Wachſamen zu uͤbertreffen: Von<lb/>
den Freuden, die das Herz eines ſchlauen und<lb/>
erfindſamen Geiſtes erfuͤllen, wenn er uͤberlegt,<lb/>
was fuͤr ein Netz er ausſtellen will, eine hoch-<lb/>
muͤthige Schoͤne zu beſtricken, die ihm vorher,<lb/>
da die Reihe an ihr war, unzaͤhlige Qual an-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">gethan</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[35/0043]
was die Unſinnigen beim Nathaneel Lee em-
pfinden, ein Vergnuͤgen,
das bloß der Fromme kennet.
Sieheſt du nicht aus dieſem allen, daß es
aus zwanzig Urſachen weit beſſer iſt, einem ſchwer
zu erhaſchenden Wildpret nachzuſtellen, als ei-
nem, das leicht zu fangen iſt. Mit dieſem Ver-
gnuͤgen moͤchte ich dich gar zu gerne recht be-
kannt machen, und dich lehren, edlere Thiere
verfolgen, als Raben, Kraͤhen und Elſtern. Jch
habe vor, dir von Zeit zu Zeit in der Folge un-
ſers Briefwechſels, den du uͤber dieſe große Un-
ternehmung ſo ſehnlich mit mir zu unterhalten
wuͤnſcheſt, zu zeigen, daß dieſe erhabnen Fraͤu-
lein koͤnnen erniedrigt werden. Zugleich will
ich einem von den Einwuͤrfen begegnen, die du
mir bei unſrer letzten Zuſammenkunft machteſt,
daß nemlich das Vergnuͤgen, welches uns die-
ſe edleren Unternehmungen gewaͤhren, die Muͤ-
he nicht belohnte, die damit verknuͤpft iſt. Denn
du elender Kerl wollteſt zugleich behaupten, ein
Frauenzimmer ſei nicht beſſer, als das andre.
Du weißt nichts, Bruder, von der feinen
Wolluſt, die ein verwirrter Liebes-Handel ver-
ſchafft. Nichts von der Ehre, die Klugheit der
Witzigen und Wachſamen zu uͤbertreffen: Von
den Freuden, die das Herz eines ſchlauen und
erfindſamen Geiſtes erfuͤllen, wenn er uͤberlegt,
was fuͤr ein Netz er ausſtellen will, eine hoch-
muͤthige Schoͤne zu beſtricken, die ihm vorher,
da die Reihe an ihr war, unzaͤhlige Qual an-
gethan
C 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/43>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.