Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite



Recht haben, daß ich inskünftige mir selbst nicht
trauen will. Jch werde, wenn es möglich ist,
so oft ich mit ihnen nicht übereinkomme, eine
Stunde Zeit nehmen, es zu überdenken, ehe
ich mich von der Hitze hinreißen lasse, worin
mich ein Widerspruch, wozu ich nicht gewöhnet
worden, nur gar zu oft versetzet.

Das ist alles sehr gut. Aber wohin zielet es
denn?

Wohin es zielet? gnädige Fräulein? Als ich
anfieng, zu überlegen, was sie mir, in Anse-
hung der Bedingungen einer Aussöhnung mit
ihren Verwandten, eröfneten, und ich mir zu
Gemüthe führete, daß sie sich allezeit die Frei-
heit vorbehalten hatten, mich anzunehmen, oder
zu verwerfen, nachdem ich es verdienen
würde, oder nicht;
So sahe ich deutlich ein,
daß es vielmehr eine gütige Herablassung von
ihnen gewesen war, da sie meine Einwilligung
zu diesen Bedingungen verlangten, als ein neues
Gesetz, das sie mir aufgelegt hätten. Jetzo bit-
te ich, gnädige Fräulein, vergeben sie mir mei-
nen Ungestüm. Alles, was sie einzugehen gut
finden, um eine Aussöhnung mit ihrer Familie
zu treffen, und wodurch sie in den Stand ge-
setzt werden, ihre Versprechung, die sie mir nicht
anders, als unter einer Bedingung, gemacht ha-
haben, zu erfüllen, alles dieses belieben sie sich
gefallen zu lassen. Und wenn ich sie verliere,
so unerträglich mir auch der Gedanke ist, so
werde ich doch, weil es dann durch meine eigne

Schuld



Recht haben, daß ich inskuͤnftige mir ſelbſt nicht
trauen will. Jch werde, wenn es moͤglich iſt,
ſo oft ich mit ihnen nicht uͤbereinkomme, eine
Stunde Zeit nehmen, es zu uͤberdenken, ehe
ich mich von der Hitze hinreißen laſſe, worin
mich ein Widerſpruch, wozu ich nicht gewoͤhnet
worden, nur gar zu oft verſetzet.

Das iſt alles ſehr gut. Aber wohin zielet es
denn?

Wohin es zielet? gnaͤdige Fraͤulein? Als ich
anfieng, zu uͤberlegen, was ſie mir, in Anſe-
hung der Bedingungen einer Ausſoͤhnung mit
ihren Verwandten, eroͤfneten, und ich mir zu
Gemuͤthe fuͤhrete, daß ſie ſich allezeit die Frei-
heit vorbehalten hatten, mich anzunehmen, oder
zu verwerfen, nachdem ich es verdienen
wuͤrde, oder nicht;
So ſahe ich deutlich ein,
daß es vielmehr eine guͤtige Herablaſſung von
ihnen geweſen war, da ſie meine Einwilligung
zu dieſen Bedingungen verlangten, als ein neues
Geſetz, das ſie mir aufgelegt haͤtten. Jetzo bit-
te ich, gnaͤdige Fraͤulein, vergeben ſie mir mei-
nen Ungeſtuͤm. Alles, was ſie einzugehen gut
finden, um eine Ausſoͤhnung mit ihrer Familie
zu treffen, und wodurch ſie in den Stand ge-
ſetzt werden, ihre Verſprechung, die ſie mir nicht
anders, als unter einer Bedingung, gemacht ha-
haben, zu erfuͤllen, alles dieſes belieben ſie ſich
gefallen zu laſſen. Und wenn ich ſie verliere,
ſo unertraͤglich mir auch der Gedanke iſt, ſo
werde ich doch, weil es dann durch meine eigne

Schuld
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0067" n="59"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Recht haben, daß ich insku&#x0364;nftige mir &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/>
trauen will. Jch werde, wenn es mo&#x0364;glich i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o oft ich mit ihnen nicht u&#x0364;bereinkomme, eine<lb/>
Stunde Zeit nehmen, es zu u&#x0364;berdenken, ehe<lb/>
ich mich von der Hitze hinreißen la&#x017F;&#x017F;e, worin<lb/>
mich ein Wider&#x017F;pruch, wozu ich nicht gewo&#x0364;hnet<lb/>
worden, nur gar zu oft ver&#x017F;etzet.</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t alles &#x017F;ehr gut. Aber wohin zielet es<lb/>
denn?</p><lb/>
          <p>Wohin es zielet? gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein? Als ich<lb/>
anfieng, zu u&#x0364;berlegen, was &#x017F;ie mir, in An&#x017F;e-<lb/>
hung der Bedingungen einer Aus&#x017F;o&#x0364;hnung mit<lb/>
ihren Verwandten, ero&#x0364;fneten, und ich mir zu<lb/>
Gemu&#x0364;the fu&#x0364;hrete, daß &#x017F;ie &#x017F;ich allezeit die Frei-<lb/>
heit vorbehalten hatten, mich anzunehmen, oder<lb/>
zu verwerfen, <hi rendition="#fr">nachdem ich es verdienen<lb/>
wu&#x0364;rde, oder nicht;</hi> So &#x017F;ahe ich deutlich ein,<lb/>
daß es vielmehr eine gu&#x0364;tige Herabla&#x017F;&#x017F;ung von<lb/>
ihnen gewe&#x017F;en war, da &#x017F;ie meine Einwilligung<lb/>
zu die&#x017F;en Bedingungen verlangten, als ein neues<lb/>
Ge&#x017F;etz, das &#x017F;ie mir aufgelegt ha&#x0364;tten. Jetzo bit-<lb/>
te ich, gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein, vergeben &#x017F;ie mir mei-<lb/>
nen Unge&#x017F;tu&#x0364;m. Alles, was &#x017F;ie einzugehen gut<lb/>
finden, um eine Aus&#x017F;o&#x0364;hnung mit ihrer Familie<lb/>
zu treffen, und wodurch &#x017F;ie in den Stand ge-<lb/>
&#x017F;etzt werden, ihre Ver&#x017F;prechung, die &#x017F;ie mir nicht<lb/>
anders, als unter einer Bedingung, gemacht ha-<lb/>
haben, zu erfu&#x0364;llen, alles die&#x017F;es belieben &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
gefallen zu la&#x017F;&#x017F;en. Und wenn ich &#x017F;ie verliere,<lb/>
&#x017F;o unertra&#x0364;glich mir auch der Gedanke i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
werde ich doch, weil es dann durch meine eigne<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Schuld</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0067] Recht haben, daß ich inskuͤnftige mir ſelbſt nicht trauen will. Jch werde, wenn es moͤglich iſt, ſo oft ich mit ihnen nicht uͤbereinkomme, eine Stunde Zeit nehmen, es zu uͤberdenken, ehe ich mich von der Hitze hinreißen laſſe, worin mich ein Widerſpruch, wozu ich nicht gewoͤhnet worden, nur gar zu oft verſetzet. Das iſt alles ſehr gut. Aber wohin zielet es denn? Wohin es zielet? gnaͤdige Fraͤulein? Als ich anfieng, zu uͤberlegen, was ſie mir, in Anſe- hung der Bedingungen einer Ausſoͤhnung mit ihren Verwandten, eroͤfneten, und ich mir zu Gemuͤthe fuͤhrete, daß ſie ſich allezeit die Frei- heit vorbehalten hatten, mich anzunehmen, oder zu verwerfen, nachdem ich es verdienen wuͤrde, oder nicht; So ſahe ich deutlich ein, daß es vielmehr eine guͤtige Herablaſſung von ihnen geweſen war, da ſie meine Einwilligung zu dieſen Bedingungen verlangten, als ein neues Geſetz, das ſie mir aufgelegt haͤtten. Jetzo bit- te ich, gnaͤdige Fraͤulein, vergeben ſie mir mei- nen Ungeſtuͤm. Alles, was ſie einzugehen gut finden, um eine Ausſoͤhnung mit ihrer Familie zu treffen, und wodurch ſie in den Stand ge- ſetzt werden, ihre Verſprechung, die ſie mir nicht anders, als unter einer Bedingung, gemacht ha- haben, zu erfuͤllen, alles dieſes belieben ſie ſich gefallen zu laſſen. Und wenn ich ſie verliere, ſo unertraͤglich mir auch der Gedanke iſt, ſo werde ich doch, weil es dann durch meine eigne Schuld

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/67
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/67>, abgerufen am 19.05.2024.