Was die Reise des kleinen Titus betrift, (ich erinnere mich jetzo des Kerls bei seinem Namen) laßt das seinen Gang gehen. Ein Frauenzimmer, das vor achtzehen Monaten im Kindbette gestorben ist, da man bei ihrem Le- ben keine Klage angestellet hat, die in ihrem Leben kein Zeugniß gegen mich ablegen wollte, - - das sind schöne Umstände, mich wegen ei- ner Nothzucht zu belangen!
Wegen eurer jungen Fräulein, der ewig anbetungswürdigen Fräulein Clarissa Har- lowe, muß ich euch sagen, ich habe ihr alle- zeit als meiner künftigen Frau aufgewartet. Andre erwarteten mehr, daß ich sie heirathen sollte, von der Eitelkeit ihrer eignen Herzen, als von meinen Versprechungen. Denn ich habe allezeit dahin gesehen, mein Versprechen zu erfüllen. Jhr wisset, Joseph, daß ich an euch mehr gethan habe, als ich versprochen hatte. Und so mache ichs mit allen Leuten. Warum? Das ist der beste Weg zu zeigen, daß ich kein Pinsel oder Knicker bin. Ein Ver- sprechen ist eine Verpflichtung. Ein ehrli- cher Mann hält sein Wort, aber ein großmüthiger Mann thut noch mehr, als er verspricht. Das ist meine Regel.
Jhr zweifelt, ob ich es mit eurer jungen Fräulein ehrlich meine? Das ist mehr, als sie selber thut. Wenn sie das dächte, so würde sie nicht eine Stunde bei mir bleiben. Jch ha- be das beständigste Herz von der Welt. Hast
du
Was die Reiſe des kleinen Titus betrift, (ich erinnere mich jetzo des Kerls bei ſeinem Namen) laßt das ſeinen Gang gehen. Ein Frauenzimmer, das vor achtzehen Monaten im Kindbette geſtorben iſt, da man bei ihrem Le- ben keine Klage angeſtellet hat, die in ihrem Leben kein Zeugniß gegen mich ablegen wollte, ‒ ‒ das ſind ſchoͤne Umſtaͤnde, mich wegen ei- ner Nothzucht zu belangen!
Wegen eurer jungen Fraͤulein, der ewig anbetungswuͤrdigen Fraͤulein Clariſſa Har- lowe, muß ich euch ſagen, ich habe ihr alle- zeit als meiner kuͤnftigen Frau aufgewartet. Andre erwarteten mehr, daß ich ſie heirathen ſollte, von der Eitelkeit ihrer eignen Herzen, als von meinen Verſprechungen. Denn ich habe allezeit dahin geſehen, mein Verſprechen zu erfuͤllen. Jhr wiſſet, Joſeph, daß ich an euch mehr gethan habe, als ich verſprochen hatte. Und ſo mache ichs mit allen Leuten. Warum? Das iſt der beſte Weg zu zeigen, daß ich kein Pinſel oder Knicker bin. Ein Ver- ſprechen iſt eine Verpflichtung. Ein ehrli- cher Mann haͤlt ſein Wort, aber ein großmuͤthiger Mann thut noch mehr, als er verſpricht. Das iſt meine Regel.
Jhr zweifelt, ob ich es mit eurer jungen Fraͤulein ehrlich meine? Das iſt mehr, als ſie ſelber thut. Wenn ſie das daͤchte, ſo wuͤrde ſie nicht eine Stunde bei mir bleiben. Jch ha- be das beſtaͤndigſte Herz von der Welt. Haſt
du
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0099"n="91"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Was die Reiſe des kleinen <hirendition="#fr">Titus</hi> betrift,<lb/>
(ich erinnere mich jetzo des Kerls bei ſeinem<lb/>
Namen) laßt das ſeinen Gang gehen. Ein<lb/>
Frauenzimmer, das vor achtzehen Monaten im<lb/>
Kindbette geſtorben iſt, da man bei ihrem Le-<lb/>
ben keine Klage angeſtellet hat, die in ihrem<lb/>
Leben kein Zeugniß gegen mich ablegen wollte,<lb/>‒‒ das ſind ſchoͤne Umſtaͤnde, mich wegen ei-<lb/>
ner Nothzucht zu belangen!</p><lb/><p>Wegen eurer jungen Fraͤulein, der ewig<lb/>
anbetungswuͤrdigen Fraͤulein <hirendition="#fr">Clariſſa Har-<lb/>
lowe,</hi> muß ich euch ſagen, ich habe ihr alle-<lb/>
zeit als meiner kuͤnftigen Frau aufgewartet.<lb/>
Andre erwarteten mehr, daß ich ſie heirathen<lb/>ſollte, von der Eitelkeit ihrer eignen Herzen,<lb/>
als von meinen Verſprechungen. Denn ich<lb/>
habe allezeit dahin geſehen, mein Verſprechen<lb/>
zu erfuͤllen. Jhr wiſſet, <hirendition="#fr">Joſeph,</hi> daß ich<lb/>
an <hirendition="#fr">euch</hi> mehr gethan habe, als ich verſprochen<lb/>
hatte. Und ſo mache ichs mit allen Leuten.<lb/>
Warum? Das iſt der beſte Weg zu zeigen, daß<lb/>
ich kein Pinſel oder Knicker bin. Ein Ver-<lb/>ſprechen iſt eine Verpflichtung. <hirendition="#fr">Ein ehrli-<lb/>
cher Mann haͤlt ſein Wort, aber ein<lb/>
großmuͤthiger Mann thut noch mehr,<lb/>
als er verſpricht.</hi> Das iſt meine Regel.</p><lb/><p>Jhr zweifelt, ob ich es mit eurer jungen<lb/>
Fraͤulein ehrlich meine? Das iſt mehr, als ſie<lb/>ſelber thut. Wenn ſie das daͤchte, ſo wuͤrde<lb/>ſie nicht eine Stunde bei mir bleiben. Jch ha-<lb/>
be das beſtaͤndigſte Herz von der Welt. Haſt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">du</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[91/0099]
Was die Reiſe des kleinen Titus betrift,
(ich erinnere mich jetzo des Kerls bei ſeinem
Namen) laßt das ſeinen Gang gehen. Ein
Frauenzimmer, das vor achtzehen Monaten im
Kindbette geſtorben iſt, da man bei ihrem Le-
ben keine Klage angeſtellet hat, die in ihrem
Leben kein Zeugniß gegen mich ablegen wollte,
‒ ‒ das ſind ſchoͤne Umſtaͤnde, mich wegen ei-
ner Nothzucht zu belangen!
Wegen eurer jungen Fraͤulein, der ewig
anbetungswuͤrdigen Fraͤulein Clariſſa Har-
lowe, muß ich euch ſagen, ich habe ihr alle-
zeit als meiner kuͤnftigen Frau aufgewartet.
Andre erwarteten mehr, daß ich ſie heirathen
ſollte, von der Eitelkeit ihrer eignen Herzen,
als von meinen Verſprechungen. Denn ich
habe allezeit dahin geſehen, mein Verſprechen
zu erfuͤllen. Jhr wiſſet, Joſeph, daß ich
an euch mehr gethan habe, als ich verſprochen
hatte. Und ſo mache ichs mit allen Leuten.
Warum? Das iſt der beſte Weg zu zeigen, daß
ich kein Pinſel oder Knicker bin. Ein Ver-
ſprechen iſt eine Verpflichtung. Ein ehrli-
cher Mann haͤlt ſein Wort, aber ein
großmuͤthiger Mann thut noch mehr,
als er verſpricht. Das iſt meine Regel.
Jhr zweifelt, ob ich es mit eurer jungen
Fraͤulein ehrlich meine? Das iſt mehr, als ſie
ſelber thut. Wenn ſie das daͤchte, ſo wuͤrde
ſie nicht eine Stunde bei mir bleiben. Jch ha-
be das beſtaͤndigſte Herz von der Welt. Haſt
du
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/99>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.