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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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A. Altorientalisches.
zogen 71). Die oberste Bekrönung bildet ein strahlenförmiger Büschel
von Schaftblättern und langen Stengeln, die von glockenförmigen Lotus-
blüthen bekrönt sind. Als bemerkenswerth sind endlich auch noch
die tropfenförmigen Füllungen der infolge der Einrollungen entstan-
denen Zwickel hervorzuheben.

Ein weiteres Beispiel für die Verwendung dieses aus in einander
geschachtelten Volutenkelchen zusammengesetzten Motivs findet sich
an einem Armband bei Prisse, Choix de bijoux No. 14, und an einer
Handhabe bei Goodyear (Taf. IX, nach Champollion). Auch in diesen
beiden Fällen ist der aufwärts gerichtete Volutenkelch bekrönt
von einem Bündel langstieliger Lotusblüthen. Ein Beispiel, an welchem
dieser Volutenkelch mit dem gewöhnlichen Palmettenfächer bekrönt
vorkäme, ist mir aus der egyptischen Kunst nicht bekannt geworden.
Wir werden daher wenigstens in der egyptischen Kunst die typische
Lotuspalmette streng zu scheiden haben von der in Fig. 40 vor-
liegenden 72). Das gleiche Motiv treffen wir nun auf phönikischem Kunst-
boden. Betrachten wir daneben das kypriotische Kapitäl (Fig. 41) 73).
Wir haben da zu unterst den stark ausgeprägten Kelch mit abwärts
gekehrten Voluten, darüber den umgekehrten Volutenkelch in mehr-
facher Wiederholung, endlich den krönenden vegetabilischen Strahlen-
bündel. Derselbe Grundgedanke liegt den Palmettenbäumen auf den
Metallschüsseln zu Grunde, so z. B. jenen auf der Silberschüssel aus
Larnaka, die bei Longperier, Musee Napoleon III. Taf. 10 abgebildet
ist. In letzterem Falle dient der Palmettenbaum zur Trennung von
Figurengruppen, die in regelmässiger Alternirung sich wiederholen.
In anderen Fällen (Schale aus Amathus in New-York, Perrot & Chipiez

71) Vgl. oben S. 90.
72) Fig. 40 ist in Wandmalerei ausgeführt, also in einer Technik, die
ihrer leichten und freien Behandlung halber erfahrungsmässig am ehesten zu
Durchbrechungen der gegebenen Formentypen geführt hat. Die zwei anderen
angeführten Beispiele sind aber in hartem Material (Metall und Holz) ausge-
führt, woraus sich ergiebt, dass wir es da mit einem festbegründeten, nicht
bloss flüchtiger, spielender Veranlassung seine Entstehung verdankenden
Motiv zu thun haben. Daher geht es auch nicht an, den nach aufwärts ge-
richteten Volutenkelch einfach als a purely decorative variant, als blosse
Umkehrung des abwärts gerichteten Volutenkelches zu erklären, wie Goodyear
leichtherzig annimmt (S. 89). Es wäre dann nicht zu begreifen, warum die
Variante nicht auch mit dem einfachen Fächer (halbe Vollansicht) verbunden
vorkommt.
73) Nach Perrot und Chipiez III. Fig. 52.

A. Altorientalisches.
zogen 71). Die oberste Bekrönung bildet ein strahlenförmiger Büschel
von Schaftblättern und langen Stengeln, die von glockenförmigen Lotus-
blüthen bekrönt sind. Als bemerkenswerth sind endlich auch noch
die tropfenförmigen Füllungen der infolge der Einrollungen entstan-
denen Zwickel hervorzuheben.

Ein weiteres Beispiel für die Verwendung dieses aus in einander
geschachtelten Volutenkelchen zusammengesetzten Motivs findet sich
an einem Armband bei Prisse, Choix de bijoux No. 14, und an einer
Handhabe bei Goodyear (Taf. IX, nach Champollion). Auch in diesen
beiden Fällen ist der aufwärts gerichtete Volutenkelch bekrönt
von einem Bündel langstieliger Lotusblüthen. Ein Beispiel, an welchem
dieser Volutenkelch mit dem gewöhnlichen Palmettenfächer bekrönt
vorkäme, ist mir aus der egyptischen Kunst nicht bekannt geworden.
Wir werden daher wenigstens in der egyptischen Kunst die typische
Lotuspalmette streng zu scheiden haben von der in Fig. 40 vor-
liegenden 72). Das gleiche Motiv treffen wir nun auf phönikischem Kunst-
boden. Betrachten wir daneben das kypriotische Kapitäl (Fig. 41) 73).
Wir haben da zu unterst den stark ausgeprägten Kelch mit abwärts
gekehrten Voluten, darüber den umgekehrten Volutenkelch in mehr-
facher Wiederholung, endlich den krönenden vegetabilischen Strahlen-
bündel. Derselbe Grundgedanke liegt den Palmettenbäumen auf den
Metallschüsseln zu Grunde, so z. B. jenen auf der Silberschüssel aus
Larnaka, die bei Longpérier, Musée Napoléon III. Taf. 10 abgebildet
ist. In letzterem Falle dient der Palmettenbaum zur Trennung von
Figurengruppen, die in regelmässiger Alternirung sich wiederholen.
In anderen Fällen (Schale aus Amathus in New-York, Perrot & Chipiez

71) Vgl. oben S. 90.
72) Fig. 40 ist in Wandmalerei ausgeführt, also in einer Technik, die
ihrer leichten und freien Behandlung halber erfahrungsmässig am ehesten zu
Durchbrechungen der gegebenen Formentypen geführt hat. Die zwei anderen
angeführten Beispiele sind aber in hartem Material (Metall und Holz) ausge-
führt, woraus sich ergiebt, dass wir es da mit einem festbegründeten, nicht
bloss flüchtiger, spielender Veranlassung seine Entstehung verdankenden
Motiv zu thun haben. Daher geht es auch nicht an, den nach aufwärts ge-
richteten Volutenkelch einfach als a purely decorative variant, als blosse
Umkehrung des abwärts gerichteten Volutenkelches zu erklären, wie Goodyear
leichtherzig annimmt (S. 89). Es wäre dann nicht zu begreifen, warum die
Variante nicht auch mit dem einfachen Fächer (halbe Vollansicht) verbunden
vorkommt.
73) Nach Perrot und Chipiez III. Fig. 52.
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[104/0130] A. Altorientalisches. zogen 71). Die oberste Bekrönung bildet ein strahlenförmiger Büschel von Schaftblättern und langen Stengeln, die von glockenförmigen Lotus- blüthen bekrönt sind. Als bemerkenswerth sind endlich auch noch die tropfenförmigen Füllungen der infolge der Einrollungen entstan- denen Zwickel hervorzuheben. Ein weiteres Beispiel für die Verwendung dieses aus in einander geschachtelten Volutenkelchen zusammengesetzten Motivs findet sich an einem Armband bei Prisse, Choix de bijoux No. 14, und an einer Handhabe bei Goodyear (Taf. IX, nach Champollion). Auch in diesen beiden Fällen ist der aufwärts gerichtete Volutenkelch bekrönt von einem Bündel langstieliger Lotusblüthen. Ein Beispiel, an welchem dieser Volutenkelch mit dem gewöhnlichen Palmettenfächer bekrönt vorkäme, ist mir aus der egyptischen Kunst nicht bekannt geworden. Wir werden daher wenigstens in der egyptischen Kunst die typische Lotuspalmette streng zu scheiden haben von der in Fig. 40 vor- liegenden 72). Das gleiche Motiv treffen wir nun auf phönikischem Kunst- boden. Betrachten wir daneben das kypriotische Kapitäl (Fig. 41) 73). Wir haben da zu unterst den stark ausgeprägten Kelch mit abwärts gekehrten Voluten, darüber den umgekehrten Volutenkelch in mehr- facher Wiederholung, endlich den krönenden vegetabilischen Strahlen- bündel. Derselbe Grundgedanke liegt den Palmettenbäumen auf den Metallschüsseln zu Grunde, so z. B. jenen auf der Silberschüssel aus Larnaka, die bei Longpérier, Musée Napoléon III. Taf. 10 abgebildet ist. In letzterem Falle dient der Palmettenbaum zur Trennung von Figurengruppen, die in regelmässiger Alternirung sich wiederholen. In anderen Fällen (Schale aus Amathus in New-York, Perrot & Chipiez 71) Vgl. oben S. 90. 72) Fig. 40 ist in Wandmalerei ausgeführt, also in einer Technik, die ihrer leichten und freien Behandlung halber erfahrungsmässig am ehesten zu Durchbrechungen der gegebenen Formentypen geführt hat. Die zwei anderen angeführten Beispiele sind aber in hartem Material (Metall und Holz) ausge- führt, woraus sich ergiebt, dass wir es da mit einem festbegründeten, nicht bloss flüchtiger, spielender Veranlassung seine Entstehung verdankenden Motiv zu thun haben. Daher geht es auch nicht an, den nach aufwärts ge- richteten Volutenkelch einfach als a purely decorative variant, als blosse Umkehrung des abwärts gerichteten Volutenkelches zu erklären, wie Goodyear leichtherzig annimmt (S. 89). Es wäre dann nicht zu begreifen, warum die Variante nicht auch mit dem einfachen Fächer (halbe Vollansicht) verbunden vorkommt. 73) Nach Perrot und Chipiez III. Fig. 52.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/130>, abgerufen am 21.11.2024.