Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst. grösseren unteren Hälfte nimmt eine Configuration ein, die aus zweizusammentretenden Doppelspiralen gebildet ist; nach unten reihen sich an jede der beiden Spiralen koncentrisch gezeichnete, immer kleiner werdende Schraffirungen an. Wenn man die beiderseitigen Schraffi- rungen zusammen als ein Ganzes betrachtet, so geben sie mit ihrem Fächer eine Art Palmette, deren Kelch die beiden darüber zusammen- tretenden Voluten bilden. Das solchermaassen zu Stande gekommene palmettenartige Motiv ist aber keineswegs das Ursprüngliche; die Schraffirungen kehren nämlich auf mykenischen Goldsachen häufig wieder, dienen aber immer als eine Art Zwickelfüllung für bloss ein- fache Spiralen, so dass sie sozusagen Halbpalmetten bilden. Man vgl. z. B. Fig. 6550). Hier zweigen von einer grossen Doppelspirale kleinere Spiralen ab; wo diese letzteren mit den Umgrenzungslinien, sei es der grösseren Spirale, sei es der Peripherie des ganzen Plättchens, Zwickel bilden, sind diese letzteren koncentrisch zur Windung der betreffenden Spirale mit parallelen, sich verjüngenden Schraffen ausgefüllt. Dasselbe System zeigen nun einmal neuseeländische Spiral- Ferner lässt sich für diese Erscheinung aber auch eine höchst be- 50) Schliemann, Mykenä Fig. 369, vgl. auch Fig. 418, 484, 487, 488, 491.
Ähnliches vermuthe ich als der Ornamentik einiger Vasen des sogen. vierten Stils zu Grunde liegend: Myken. Vasen XXXVII. 378, 379, 382. B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst. grösseren unteren Hälfte nimmt eine Configuration ein, die aus zweizusammentretenden Doppelspiralen gebildet ist; nach unten reihen sich an jede der beiden Spiralen koncentrisch gezeichnete, immer kleiner werdende Schraffirungen an. Wenn man die beiderseitigen Schraffi- rungen zusammen als ein Ganzes betrachtet, so geben sie mit ihrem Fächer eine Art Palmette, deren Kelch die beiden darüber zusammen- tretenden Voluten bilden. Das solchermaassen zu Stande gekommene palmettenartige Motiv ist aber keineswegs das Ursprüngliche; die Schraffirungen kehren nämlich auf mykenischen Goldsachen häufig wieder, dienen aber immer als eine Art Zwickelfüllung für bloss ein- fache Spiralen, so dass sie sozusagen Halbpalmetten bilden. Man vgl. z. B. Fig. 6550). Hier zweigen von einer grossen Doppelspirale kleinere Spiralen ab; wo diese letzteren mit den Umgrenzungslinien, sei es der grösseren Spirale, sei es der Peripherie des ganzen Plättchens, Zwickel bilden, sind diese letzteren koncentrisch zur Windung der betreffenden Spirale mit parallelen, sich verjüngenden Schraffen ausgefüllt. Dasselbe System zeigen nun einmal neuseeländische Spiral- Ferner lässt sich für diese Erscheinung aber auch eine höchst be- 50) Schliemann, Mykenä Fig. 369, vgl. auch Fig. 418, 484, 487, 488, 491.
Ähnliches vermuthe ich als der Ornamentik einiger Vasen des sogen. vierten Stils zu Grunde liegend: Myken. Vasen XXXVII. 378, 379, 382. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0170" n="144"/><fw place="top" type="header">B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.</fw><lb/> grösseren unteren Hälfte nimmt eine Configuration ein, die aus zwei<lb/> zusammentretenden Doppelspiralen gebildet ist; nach unten reihen sich<lb/> an jede der beiden Spiralen koncentrisch gezeichnete, immer kleiner<lb/> werdende Schraffirungen an. Wenn man die beiderseitigen Schraffi-<lb/> rungen zusammen als ein Ganzes betrachtet, so geben sie mit ihrem<lb/> Fächer eine Art <hi rendition="#i">Palmette</hi>, deren Kelch die beiden darüber zusammen-<lb/> tretenden Voluten bilden. Das solchermaassen zu Stande gekommene<lb/> palmettenartige Motiv ist aber keineswegs das Ursprüngliche; die<lb/> Schraffirungen kehren nämlich auf mykenischen Goldsachen häufig<lb/> wieder, dienen aber immer als eine Art Zwickelfüllung für bloss ein-<lb/> fache Spiralen, so dass sie sozusagen Halbpalmetten bilden. Man vgl.<lb/> z. B. Fig. 65<note place="foot" n="50)">Schliemann, Mykenä Fig. 369, vgl. auch Fig. 418, 484, 487, 488, 491.<lb/> Ähnliches vermuthe ich als der Ornamentik einiger Vasen des sogen. vierten<lb/> Stils zu Grunde liegend: Myken. Vasen XXXVII. 378, 379, 382.</note>. Hier zweigen von einer grossen Doppelspirale kleinere<lb/> Spiralen ab; wo diese letzteren mit den Umgrenzungslinien, sei es der<lb/> grösseren Spirale, sei es der Peripherie des ganzen Plättchens, Zwickel<lb/> bilden, sind diese letzteren koncentrisch zur Windung der betreffenden<lb/> Spirale mit parallelen, sich verjüngenden Schraffen ausgefüllt.</p><lb/> <p>Dasselbe System zeigen nun einmal <hi rendition="#g">neuseeländische Spiral-<lb/> zwickel</hi>: so einige unten an der äussersten Windung in Fig. 28, ferner<lb/> besonders charakteristisch an den Nasen der Köpfe Fig. 31 und 32, wo<lb/> je zwei solcher Spiralen fächerartig genau zu der gleichen Palmette<lb/> zusammen treten, wie wir es an Fig. 64 gesehen haben. Zur Erklä-<lb/> rung dieses Motivs bei den Maori vermag ich nicht<supplied>s</supplied> Anderes anzu-<lb/> zuführen, als das Postulat der Zwickelfüllung; dies scheint wenigstens<lb/> aus Fig. 28 hervorzugehen, wo die gebrochenen (nicht im Halbkreis<lb/> gekrümmten) Schraffen mit Dreiecken (vgl. Fig. 59) abwechseln.</p><lb/> <p>Ferner lässt sich für diese Erscheinung aber auch eine höchst be-<lb/> merkenswerthe Analogie mit der <hi rendition="#g">späteren griechischen Rankenorna-<lb/> mentik</hi> (siehe Fig. 125, 127) verzeichnen. Auch an den späteren Palmetten-<lb/> ranken, wie sie sich namentlich unter den Vasenhenkeln aufgemalt finden,<lb/> überziehen die freien Rankenlinien symmetrisch die Fläche und rollen<lb/> sich zu Spiralen ein, die von Palmettenfächern gekrönt sind; wo aber<lb/> für ganze Palmetten kein Raum ist — etwa in einem spitz zulaufenden<lb/> Zwickel — dort hat die Halbpalmette Platz, mit bloss <hi rendition="#g">einer</hi> Volute<lb/> und einem <hi rendition="#g">halben</hi> Fächer. Der Unterschied zwischen dem mykeni-<lb/> schen und dem reifhellenischen Motiv besteht hauptsächlich darin, dass<lb/> der Fächer der späteren griechischen Palmette analog der egyptisch-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0170]
B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.
grösseren unteren Hälfte nimmt eine Configuration ein, die aus zwei
zusammentretenden Doppelspiralen gebildet ist; nach unten reihen sich
an jede der beiden Spiralen koncentrisch gezeichnete, immer kleiner
werdende Schraffirungen an. Wenn man die beiderseitigen Schraffi-
rungen zusammen als ein Ganzes betrachtet, so geben sie mit ihrem
Fächer eine Art Palmette, deren Kelch die beiden darüber zusammen-
tretenden Voluten bilden. Das solchermaassen zu Stande gekommene
palmettenartige Motiv ist aber keineswegs das Ursprüngliche; die
Schraffirungen kehren nämlich auf mykenischen Goldsachen häufig
wieder, dienen aber immer als eine Art Zwickelfüllung für bloss ein-
fache Spiralen, so dass sie sozusagen Halbpalmetten bilden. Man vgl.
z. B. Fig. 65 50). Hier zweigen von einer grossen Doppelspirale kleinere
Spiralen ab; wo diese letzteren mit den Umgrenzungslinien, sei es der
grösseren Spirale, sei es der Peripherie des ganzen Plättchens, Zwickel
bilden, sind diese letzteren koncentrisch zur Windung der betreffenden
Spirale mit parallelen, sich verjüngenden Schraffen ausgefüllt.
Dasselbe System zeigen nun einmal neuseeländische Spiral-
zwickel: so einige unten an der äussersten Windung in Fig. 28, ferner
besonders charakteristisch an den Nasen der Köpfe Fig. 31 und 32, wo
je zwei solcher Spiralen fächerartig genau zu der gleichen Palmette
zusammen treten, wie wir es an Fig. 64 gesehen haben. Zur Erklä-
rung dieses Motivs bei den Maori vermag ich nichts Anderes anzu-
zuführen, als das Postulat der Zwickelfüllung; dies scheint wenigstens
aus Fig. 28 hervorzugehen, wo die gebrochenen (nicht im Halbkreis
gekrümmten) Schraffen mit Dreiecken (vgl. Fig. 59) abwechseln.
Ferner lässt sich für diese Erscheinung aber auch eine höchst be-
merkenswerthe Analogie mit der späteren griechischen Rankenorna-
mentik (siehe Fig. 125, 127) verzeichnen. Auch an den späteren Palmetten-
ranken, wie sie sich namentlich unter den Vasenhenkeln aufgemalt finden,
überziehen die freien Rankenlinien symmetrisch die Fläche und rollen
sich zu Spiralen ein, die von Palmettenfächern gekrönt sind; wo aber
für ganze Palmetten kein Raum ist — etwa in einem spitz zulaufenden
Zwickel — dort hat die Halbpalmette Platz, mit bloss einer Volute
und einem halben Fächer. Der Unterschied zwischen dem mykeni-
schen und dem reifhellenischen Motiv besteht hauptsächlich darin, dass
der Fächer der späteren griechischen Palmette analog der egyptisch-
50) Schliemann, Mykenä Fig. 369, vgl. auch Fig. 418, 484, 487, 488, 491.
Ähnliches vermuthe ich als der Ornamentik einiger Vasen des sogen. vierten
Stils zu Grunde liegend: Myken. Vasen XXXVII. 378, 379, 382.
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