sein? Ich sollte meinen, der Peripatetiker-Kniff, einen grossen Dichter des Plagiats zu zeihen und ein angeblich gänzlich ver- nachlässigtes Gedicht, was entweder nie existiert hat oder früh verloren gegangen ist, als Quelle zu präsentieren, wo möglich einzelne Stellen von eigener Mache daraus zu citieren, wäre be- kannt genug. Dass Stesichoros wirklich von einem Xanthos ge- sprochen, zu bezweifeln ist kein Grund; aber wer weiss, in welchem Zusammenhang und ob es wirklich ein Dichter war; dies bot dem Megakleides die Handhabe für seine Fiktion. Allein die Notiz über Elektra sieht nicht nach Erfindung eines Peripatetikers aus, und wenn Megakleides behauptete, dass Stesi- choros in der Oresteia sich genau an Xanthos angeschlossen habe, so konnte er ja den Inhalt einer Stelle der Oresteia des Stesi- choros ruhig unter Xanthos' Namen geben.
Sollte indessen auch wirklich das Gedicht des Xanthos existiert haben, so würde eben aus der von Megakleides bezeugten Übereinstimmung des Stesichoros und des Xanthos folgen, dass auch bei ersterem Elektra vorkam; und die Art, wie wir sie im fünften Jahrhundert plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses gerückt finden, lässt auf die Einwirkung eines schöpferisch wirken- den und viel beliebten Dichters, also nicht des gänzlich ver- schollenen Xanthos, sondern des sehr populären Stesichoros schliessen. Wie sehr übrigens die Erkennungsscene der Ge- schwister am Grabe gerade zur Behandlung in einem lyrischen Gedichte geeignet war, brauche ich kaum besonders hervor- zuheben.
Direkt bezeugt ist dann noch aus der Oresteia des Stesi- choros, dass Apollo dem Orestes einen goldenen Bogen als Waffe gegen die Erinyen giebt, ein Zug, den Euripides bekanntlich in seinem Orestes benutzt hat (schol. Eur. Orestes 40). Für Stesi- choros lernen wir hieraus, dass auch bei ihm schon die Erinyen als Rächerinnen des Muttermordes auftraten, eine indirekte Be- stätigung dafür, dass auch bei Stesichoros Klytaimnestra von der Hand ihres Sohnes fällt; und weiter, dass schon bei Stesi- choros Apollo als Schützer des Orestes erscheint, woraus sich unmittelbar der Schluss ergiebt, dass der Muttermord auch bei
sein? Ich sollte meinen, der Peripatetiker-Kniff, einen groſsen Dichter des Plagiats zu zeihen und ein angeblich gänzlich ver- nachlässigtes Gedicht, was entweder nie existiert hat oder früh verloren gegangen ist, als Quelle zu präsentieren, wo möglich einzelne Stellen von eigener Mache daraus zu citieren, wäre be- kannt genug. Daſs Stesichoros wirklich von einem Xanthos ge- sprochen, zu bezweifeln ist kein Grund; aber wer weiſs, in welchem Zusammenhang und ob es wirklich ein Dichter war; dies bot dem Megakleides die Handhabe für seine Fiktion. Allein die Notiz über Elektra sieht nicht nach Erfindung eines Peripatetikers aus, und wenn Megakleides behauptete, daſs Stesi- choros in der Oresteia sich genau an Xanthos angeschloſsen habe, so konnte er ja den Inhalt einer Stelle der Oresteia des Stesi- choros ruhig unter Xanthos’ Namen geben.
Sollte indessen auch wirklich das Gedicht des Xanthos existiert haben, so würde eben aus der von Megakleides bezeugten Übereinstimmung des Stesichoros und des Xanthos folgen, daſs auch bei ersterem Elektra vorkam; und die Art, wie wir sie im fünften Jahrhundert plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses gerückt finden, läſst auf die Einwirkung eines schöpferisch wirken- den und viel beliebten Dichters, also nicht des gänzlich ver- schollenen Xanthos, sondern des sehr populären Stesichoros schlieſsen. Wie sehr übrigens die Erkennungsscene der Ge- schwister am Grabe gerade zur Behandlung in einem lyrischen Gedichte geeignet war, brauche ich kaum besonders hervor- zuheben.
Direkt bezeugt ist dann noch aus der Oresteia des Stesi- choros, daſs Apollo dem Orestes einen goldenen Bogen als Waffe gegen die Erinyen giebt, ein Zug, den Euripides bekanntlich in seinem Orestes benutzt hat (schol. Eur. Orestes 40). Für Stesi- choros lernen wir hieraus, daſs auch bei ihm schon die Erinyen als Rächerinnen des Muttermordes auftraten, eine indirekte Be- stätigung dafür, daſs auch bei Stesichoros Klytaimnestra von der Hand ihres Sohnes fällt; und weiter, daſs schon bei Stesi- choros Apollo als Schützer des Orestes erscheint, woraus sich unmittelbar der Schluſs ergiebt, daſs der Muttermord auch bei
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sein? Ich sollte meinen, der Peripatetiker-Kniff, einen groſsen
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einzelne Stellen von eigener Mache daraus zu citieren, wäre be-
kannt genug. Daſs Stesichoros wirklich von einem Xanthos ge-
sprochen, zu bezweifeln ist kein Grund; aber wer weiſs, in
welchem Zusammenhang und ob es wirklich ein Dichter war;
dies bot dem Megakleides die Handhabe für seine Fiktion.
Allein die Notiz über Elektra sieht nicht nach Erfindung eines
Peripatetikers aus, und wenn Megakleides behauptete, daſs Stesi-
choros in der Oresteia sich genau an Xanthos angeschloſsen habe,
so konnte er ja den Inhalt einer Stelle der Oresteia des Stesi-
choros ruhig unter Xanthos’ Namen geben.
Sollte indessen auch wirklich das Gedicht des Xanthos
existiert haben, so würde eben aus der von Megakleides bezeugten
Übereinstimmung des Stesichoros und des Xanthos folgen, daſs
auch bei ersterem Elektra vorkam; und die Art, wie wir sie im
fünften Jahrhundert plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses
gerückt finden, läſst auf die Einwirkung eines schöpferisch wirken-
den und viel beliebten Dichters, also nicht des gänzlich ver-
schollenen Xanthos, sondern des sehr populären Stesichoros
schlieſsen. Wie sehr übrigens die Erkennungsscene der Ge-
schwister am Grabe gerade zur Behandlung in einem lyrischen
Gedichte geeignet war, brauche ich kaum besonders hervor-
zuheben.
Direkt bezeugt ist dann noch aus der Oresteia des Stesi-
choros, daſs Apollo dem Orestes einen goldenen Bogen als Waffe
gegen die Erinyen giebt, ein Zug, den Euripides bekanntlich in
seinem Orestes benutzt hat (schol. Eur. Orestes 40). Für Stesi-
choros lernen wir hieraus, daſs auch bei ihm schon die Erinyen
als Rächerinnen des Muttermordes auftraten, eine indirekte Be-
stätigung dafür, daſs auch bei Stesichoros Klytaimnestra von
der Hand ihres Sohnes fällt; und weiter, daſs schon bei Stesi-
choros Apollo als Schützer des Orestes erscheint, woraus sich
unmittelbar der Schluſs ergiebt, daſs der Muttermord auch bei
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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/189>, abgerufen am 17.06.2024.
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