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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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dai und Laokoon verschiedene Titel für dasselbe Stück seien,
reicht unser Material nicht aus, und die Strabostelle XIII p. 608
würde, wenn sie sich wirklich auf die Antenoriden bezieht, der
Annahme der Identität nicht günstig sein.

So wenig sich also im Einzelnen über den Gang des sophok-
leischen Stückes erkennen lässt, so ist doch die Stelle, die es in
der Entwickelungsgeschichte der Sage einnimmt, klar bezeichnet:
es vereinigt die Version des Arktinos mit der des Bakchylides;
vom ersteren entlehnt Sophokles den Zusammenhang des teras mit
dem Auszug des Aineias, vom letzterem die Schuld des Laokoon
und den Tod der beiden Söhne.

Auf den attischen Tragiker folgt sofort der römische Epiker.
Vergil war durch die ganze Tendenz seiner Dichtung zu weit-
greifenden Umgestaltungen der Laokoonepisode genötigt. In-
dem er einerseits ängstlich bemüht ist, auch jeden Schein der
Feigheit von seinem Helden fern zu halten, und es andererseits
nach der ganzen Anlage des Gedichtes unumgänglich ist, dass
Aineias als Augenzeuge die Eroberung Ilions erzählt, verlegt
er den Auszug desselben, den sämmtliche alten und ursprüng-
lichen Berichte vor die eigentliche Eroberung, in die Zeit
zwischen die Einführung des hölzernen Pferdes und das Feuer-
signal des Sinon, setzen, ans Ende derselben und lässt Aineias
an der Nyktomachie tatkräftigen Anteil nehmen. Dadurch ver-
liert aber die Laokoonepisode ihren Charakter als Warnungs-
zeichen für Aineias, den sie bei Arktinos und Sophokles hat.
Und da das Schicksal des Laokoon an sich, seine Schuld und
seine Strafe, wie sie Bakchylides und Sophokles erzählen,
für die Schilderung des Vergil völlig ohne Belang ist, weil
sie ausser jeder Beziehung zu Ilions Untergang steht, so hätte
man erwarten sollen, dass Vergil die ganze Episode einfach
fallen liesse. Er hat dies nicht gethan. Die Katastrophe, deren
Schilderung ja für die Eigenart des Vergilschen Talentes ganz
besonders verlockend sein musste, behielt er bei, aber die Moti-
vierung derselben, wie sie die griechischen Lyriker und Tragiker
geschaffen hatten, liess er fallen, und setzte eine andere, frei er-
fundene an deren Stelle. In der Odyssee singt Demodokos th 507 f.,

δαι und Λαοκόων verschiedene Titel für daſselbe Stück seien,
reicht unser Material nicht aus, und die Strabostelle XIII p. 608
würde, wenn sie sich wirklich auf die Antenoriden bezieht, der
Annahme der Identität nicht günstig sein.

So wenig sich also im Einzelnen über den Gang des sophok-
leischen Stückes erkennen läſst, so ist doch die Stelle, die es in
der Entwickelungsgeschichte der Sage einnimmt, klar bezeichnet:
es vereinigt die Version des Arktinos mit der des Bakchylides;
vom ersteren entlehnt Sophokles den Zusammenhang des τέρας mit
dem Auszug des Aineias, vom letzterem die Schuld des Laokoon
und den Tod der beiden Söhne.

Auf den attischen Tragiker folgt sofort der römische Epiker.
Vergil war durch die ganze Tendenz seiner Dichtung zu weit-
greifenden Umgestaltungen der Laokoonepisode genötigt. In-
dem er einerseits ängstlich bemüht ist, auch jeden Schein der
Feigheit von seinem Helden fern zu halten, und es andererseits
nach der ganzen Anlage des Gedichtes unumgänglich ist, daſs
Aineias als Augenzeuge die Eroberung Ilions erzählt, verlegt
er den Auszug desselben, den sämmtliche alten und ursprüng-
lichen Berichte vor die eigentliche Eroberung, in die Zeit
zwischen die Einführung des hölzernen Pferdes und das Feuer-
signal des Sinon, setzen, ans Ende derselben und läſst Aineias
an der Nyktomachie tatkräftigen Anteil nehmen. Dadurch ver-
liert aber die Laokoonepisode ihren Charakter als Warnungs-
zeichen für Aineias, den sie bei Arktinos und Sophokles hat.
Und da das Schicksal des Laokoon an sich, seine Schuld und
seine Strafe, wie sie Bakchylides und Sophokles erzählen,
für die Schilderung des Vergil völlig ohne Belang ist, weil
sie auſser jeder Beziehung zu Ilions Untergang steht, so hätte
man erwarten sollen, daſs Vergil die ganze Episode einfach
fallen lieſse. Er hat dies nicht gethan. Die Katastrophe, deren
Schilderung ja für die Eigenart des Vergilschen Talentes ganz
besonders verlockend sein muſste, behielt er bei, aber die Moti-
vierung derselben, wie sie die griechischen Lyriker und Tragiker
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[202/0216] δαι und Λαοκόων verschiedene Titel für daſselbe Stück seien, reicht unser Material nicht aus, und die Strabostelle XIII p. 608 würde, wenn sie sich wirklich auf die Antenoriden bezieht, der Annahme der Identität nicht günstig sein. So wenig sich also im Einzelnen über den Gang des sophok- leischen Stückes erkennen läſst, so ist doch die Stelle, die es in der Entwickelungsgeschichte der Sage einnimmt, klar bezeichnet: es vereinigt die Version des Arktinos mit der des Bakchylides; vom ersteren entlehnt Sophokles den Zusammenhang des τέρας mit dem Auszug des Aineias, vom letzterem die Schuld des Laokoon und den Tod der beiden Söhne. Auf den attischen Tragiker folgt sofort der römische Epiker. Vergil war durch die ganze Tendenz seiner Dichtung zu weit- greifenden Umgestaltungen der Laokoonepisode genötigt. In- dem er einerseits ängstlich bemüht ist, auch jeden Schein der Feigheit von seinem Helden fern zu halten, und es andererseits nach der ganzen Anlage des Gedichtes unumgänglich ist, daſs Aineias als Augenzeuge die Eroberung Ilions erzählt, verlegt er den Auszug desselben, den sämmtliche alten und ursprüng- lichen Berichte vor die eigentliche Eroberung, in die Zeit zwischen die Einführung des hölzernen Pferdes und das Feuer- signal des Sinon, setzen, ans Ende derselben und läſst Aineias an der Nyktomachie tatkräftigen Anteil nehmen. Dadurch ver- liert aber die Laokoonepisode ihren Charakter als Warnungs- zeichen für Aineias, den sie bei Arktinos und Sophokles hat. Und da das Schicksal des Laokoon an sich, seine Schuld und seine Strafe, wie sie Bakchylides und Sophokles erzählen, für die Schilderung des Vergil völlig ohne Belang ist, weil sie auſser jeder Beziehung zu Ilions Untergang steht, so hätte man erwarten sollen, daſs Vergil die ganze Episode einfach fallen lieſse. Er hat dies nicht gethan. Die Katastrophe, deren Schilderung ja für die Eigenart des Vergilschen Talentes ganz besonders verlockend sein muſste, behielt er bei, aber die Moti- vierung derselben, wie sie die griechischen Lyriker und Tragiker geschaffen hatten, lieſs er fallen, und setzte eine andere, frei er- fundene an deren Stelle. In der Odyssee singt Demodokos ϑ 507 f.,

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/216>, abgerufen am 09.11.2024.