Die zweite lusis beginnt mit alii dicunt; ähnlich wie bei der ersten wird vorausgesetzt, dass die Troer einen eigentlichen Poseidonpriester nicht gehabt hätten, nur wird dieser Umstand, Gott weiss nach wessen Vorgang, durch das feindliche Verhältnis zwischen Poseidon und Laomedon motiviert.
Der zwischen diese beiden luseis eingeschobene mittlere Abschnitt (hic piaculum -- decepti sunt) ist durchaus selb- ständig; er behandelt eine andere, allerdings verwante aporia und sucht sie auch mit ähnlicher Methode zu lösen. Wieder geht der Anstoss aus von dem Widerspruch der Vergil'schen Sagen- form mit den mythologischen Handbüchern; nach letzteren büsst Laokoon für die Entweihung des Heiligtums, davon findet sich bei Vergil keine Spur. Servius führt nun zunächst die historia, wie es scheint, wesentlich nach Sophokles an, nur dass, wie bekanntlich häufig in den Scholien, die mythische Ge- schichte dem Vergiltext noch besser angepasst wird, indem er- zählt wird, dass der Vater und die beiden Söhne umgekommen seien. Das sei nun, sagt Servius, auch nach Vergils Meinung der wahre Grund von Laokoon's Tod gewesen; die Troer aber hätten das Ereigniss anders aufgefasst und seien dadurch betrogen worden. Genau in denselben Gedankenzusammenhang gehören die Worte, welche wir jetzt hinter der zweiten lusis lesen: quod autem ad arcem ierunt serpentes, id est ad templum Mi- nervae, aut quod et ipsa inimica Troianis fuit, aut signum fuit periturae civitatis9). Gegen die gezwungene und offenbar falsche Erklärung, dass auch bei Vergil Laokoon zur Strafe für eine frühere Schuld umkomme, konnte man nämlich den sehr triftigen Einwand erheben, dass die Schlangen von Athena gesandt sein müssten, da sie sich später zu ihr flüchten. Diesem Einwand suchen die angeführten Worte zu begegnen, indem sie für diesen Zug zwei anderweitige Erklärungsversuche beibringen, beide gleich gesucht und gleich verkehrt.
9) Die Überlieferung ist vollkommen untadelig; natürlich ist zu dem ersten Teil des Nachsatzes factum est zu ergänzen, aber es einzusetzen, wie Thilo will, ist man deshalb noch lange nicht berechtigt.
Die zweite λύσις beginnt mit alii dicunt; ähnlich wie bei der ersten wird vorausgesetzt, daſs die Troer einen eigentlichen Poseidonpriester nicht gehabt hätten, nur wird dieser Umstand, Gott weiſs nach wessen Vorgang, durch das feindliche Verhältnis zwischen Poseidon und Laomedon motiviert.
Der zwischen diese beiden λύσεις eingeschobene mittlere Abschnitt (hic piaculum — decepti sunt) ist durchaus selb- ständig; er behandelt eine andere, allerdings verwante ἀπορία und sucht sie auch mit ähnlicher Methode zu lösen. Wieder geht der Anstoſs aus von dem Widerspruch der Vergil’schen Sagen- form mit den mythologischen Handbüchern; nach letzteren büſst Laokoon für die Entweihung des Heiligtums, davon findet sich bei Vergil keine Spur. Servius führt nun zunächst die historia, wie es scheint, wesentlich nach Sophokles an, nur daſs, wie bekanntlich häufig in den Scholien, die mythische Ge- schichte dem Vergiltext noch besser angepaſst wird, indem er- zählt wird, daſs der Vater und die beiden Söhne umgekommen seien. Das sei nun, sagt Servius, auch nach Vergils Meinung der wahre Grund von Laokoon’s Tod gewesen; die Troer aber hätten das Ereigniſs anders aufgefaſst und seien dadurch betrogen worden. Genau in denselben Gedankenzusammenhang gehören die Worte, welche wir jetzt hinter der zweiten λύσις lesen: quod autem ad arcem ierunt serpentes, id est ad templum Mi- nervae, aut quod et ipsa inimica Troianis fuit, aut signum fuit periturae civitatis9). Gegen die gezwungene und offenbar falsche Erklärung, daſs auch bei Vergil Laokoon zur Strafe für eine frühere Schuld umkomme, konnte man nämlich den sehr triftigen Einwand erheben, daſs die Schlangen von Athena gesandt sein müſsten, da sie sich später zu ihr flüchten. Diesem Einwand suchen die angeführten Worte zu begegnen, indem sie für diesen Zug zwei anderweitige Erklärungsversuche beibringen, beide gleich gesucht und gleich verkehrt.
9) Die Überlieferung ist vollkommen untadelig; natürlich ist zu dem ersten Teil des Nachsatzes factum est zu ergänzen, aber es einzusetzen, wie Thilo will, ist man deshalb noch lange nicht berechtigt.
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Die zweite λύσις beginnt mit alii dicunt; ähnlich wie bei der
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Poseidonpriester nicht gehabt hätten, nur wird dieser Umstand,
Gott weiſs nach wessen Vorgang, durch das feindliche Verhältnis
zwischen Poseidon und Laomedon motiviert.
Der zwischen diese beiden λύσεις eingeschobene mittlere
Abschnitt (hic piaculum — decepti sunt) ist durchaus selb-
ständig; er behandelt eine andere, allerdings verwante ἀπορία
und sucht sie auch mit ähnlicher Methode zu lösen. Wieder geht
der Anstoſs aus von dem Widerspruch der Vergil’schen Sagen-
form mit den mythologischen Handbüchern; nach letzteren
büſst Laokoon für die Entweihung des Heiligtums, davon findet
sich bei Vergil keine Spur. Servius führt nun zunächst die
historia, wie es scheint, wesentlich nach Sophokles an, nur
daſs, wie bekanntlich häufig in den Scholien, die mythische Ge-
schichte dem Vergiltext noch besser angepaſst wird, indem er-
zählt wird, daſs der Vater und die beiden Söhne umgekommen
seien. Das sei nun, sagt Servius, auch nach Vergils Meinung
der wahre Grund von Laokoon’s Tod gewesen; die Troer aber
hätten das Ereigniſs anders aufgefaſst und seien dadurch betrogen
worden. Genau in denselben Gedankenzusammenhang gehören
die Worte, welche wir jetzt hinter der zweiten λύσις lesen:
quod autem ad arcem ierunt serpentes, id est ad templum Mi-
nervae, aut quod et ipsa inimica Troianis fuit, aut signum
fuit periturae civitatis 9). Gegen die gezwungene und offenbar falsche
Erklärung, daſs auch bei Vergil Laokoon zur Strafe für eine
frühere Schuld umkomme, konnte man nämlich den sehr triftigen
Einwand erheben, daſs die Schlangen von Athena gesandt sein
müſsten, da sie sich später zu ihr flüchten. Diesem Einwand
suchen die angeführten Worte zu begegnen, indem sie für diesen
Zug zwei anderweitige Erklärungsversuche beibringen, beide gleich
gesucht und gleich verkehrt.
9) Die Überlieferung ist vollkommen untadelig; natürlich ist zu dem
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Thilo will, ist man deshalb noch lange nicht berechtigt.
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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/222>, abgerufen am 17.06.2024.
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