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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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Tötung, sondern höchstens einen Armbruch herbeiführen", so
würde das vollständig ausreichen, den Knaben an der Flucht zu
verhindern, und das genügt zu seinem Verderben. War es die
Meinung der rhodischen Künstler, dass der ältere Sohn am Leben
bleiben sollte, so haben sie es meisterhaft verstanden, ihre Ge-
danken zu verstecken; und wir haben um so weniger Ursache,
uns unserer "Blindheit" zu schämen, als schon sämtliche antike
Nachbildner der Gruppe in das gleiche Missverständnis ver-
fallen sind.

Es darf nun vielleicht darauf hingewiesen werden, dass es
kein Zufall ist, wenn gerade die römische Kunst diese Sage bildlich
gestaltet hat; denn wegen der engen Verbindung, in welcher
dieselbe seit alten Zeiten mit der Aineiassage steht, mussten
gerade die Römer an ihr ein hervorragendes Interesse haben.
Bei den Griechen hingegen scheint sie nie besonders populär ge-
wesen zu sein, und dazu stimmt es, wenn sie von der griechischen
Kunst nicht dargestellt wird.

Diese letzte Beobachtung ist freilich hinfällig, wenn Klein die
bekannte Darstellung auf dem Kantharos Pourtales (abgeb. Raoul-
Rochette Mon. ined. pl. 40. Panofka Cab. Pourtales pl. 7. Arch.
Zeit. 1880 S. 189) mit Recht auf Laokoon gedeutet hat. Klein
meint, dass die Wunde des sterbenden Jünglings, wie ihre Form
zeige, nicht von dem Schwert des Mannes auf dem Altar, sondern
von dem Biss der Schlange, die jetzt auch jenen umringelt hat
und in die Schulter beisst, herrühre. Man mag dies zugestehen,
obgleich sich für das Fehlen des frischen roten die Schwertwunde
andeutenden Strichs immerhin Analogien anführen liessen, z. B.
bei dem Priamos auf der Brygosvase, dem Memnon auf der Duris-
schale und durchweg bei den Verwundeten auf einer unpublizier-
ten Schale des letzteren Malers im Berliner Museum. Klein hält
nun dies und die Erinnerung an die Version des Arktinos für
ausreichend, um die Deutung auf Laokoon zu sichern. Diesen
selbst erkennt er in dem schlangenumwundenen Manne auf dem
Altar, der sterbende Jüngling sei der ältere Sohn, den Thanatos
in seinen Armen auffange; der königliche Mann endlich, der mit
einem Stein in der Hand, zum Wurf bereit, herbeieilt, sei Laokoons

Tötung, sondern höchstens einen Armbruch herbeiführen“, so
würde das vollständig ausreichen, den Knaben an der Flucht zu
verhindern, und das genügt zu seinem Verderben. War es die
Meinung der rhodischen Künstler, daſs der ältere Sohn am Leben
bleiben sollte, so haben sie es meisterhaft verstanden, ihre Ge-
danken zu verstecken; und wir haben um so weniger Ursache,
uns unserer „Blindheit“ zu schämen, als schon sämtliche antike
Nachbildner der Gruppe in das gleiche Miſsverständnis ver-
fallen sind.

Es darf nun vielleicht darauf hingewiesen werden, daſs es
kein Zufall ist, wenn gerade die römische Kunst diese Sage bildlich
gestaltet hat; denn wegen der engen Verbindung, in welcher
dieselbe seit alten Zeiten mit der Aineiassage steht, muſsten
gerade die Römer an ihr ein hervorragendes Interesse haben.
Bei den Griechen hingegen scheint sie nie besonders populär ge-
wesen zu sein, und dazu stimmt es, wenn sie von der griechischen
Kunst nicht dargestellt wird.

Diese letzte Beobachtung ist freilich hinfällig, wenn Klein die
bekannte Darstellung auf dem Kantharos Pourtalès (abgeb. Raoul-
Rochette Mon. inéd. pl. 40. Panofka Cab. Pourtalès pl. 7. Arch.
Zeit. 1880 S. 189) mit Recht auf Laokoon gedeutet hat. Klein
meint, daſs die Wunde des sterbenden Jünglings, wie ihre Form
zeige, nicht von dem Schwert des Mannes auf dem Altar, sondern
von dem Biſs der Schlange, die jetzt auch jenen umringelt hat
und in die Schulter beiſst, herrühre. Man mag dies zugestehen,
obgleich sich für das Fehlen des frischen roten die Schwertwunde
andeutenden Strichs immerhin Analogien anführen lieſsen, z. B.
bei dem Priamos auf der Brygosvase, dem Memnon auf der Duris-
schale und durchweg bei den Verwundeten auf einer unpublizier-
ten Schale des letzteren Malers im Berliner Museum. Klein hält
nun dies und die Erinnerung an die Version des Arktinos für
ausreichend, um die Deutung auf Laokoon zu sichern. Diesen
selbst erkennt er in dem schlangenumwundenen Manne auf dem
Altar, der sterbende Jüngling sei der ältere Sohn, den Thanatos
in seinen Armen auffange; der königliche Mann endlich, der mit
einem Stein in der Hand, zum Wurf bereit, herbeieilt, sei Laokoons

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[210/0224] Tötung, sondern höchstens einen Armbruch herbeiführen“, so würde das vollständig ausreichen, den Knaben an der Flucht zu verhindern, und das genügt zu seinem Verderben. War es die Meinung der rhodischen Künstler, daſs der ältere Sohn am Leben bleiben sollte, so haben sie es meisterhaft verstanden, ihre Ge- danken zu verstecken; und wir haben um so weniger Ursache, uns unserer „Blindheit“ zu schämen, als schon sämtliche antike Nachbildner der Gruppe in das gleiche Miſsverständnis ver- fallen sind. Es darf nun vielleicht darauf hingewiesen werden, daſs es kein Zufall ist, wenn gerade die römische Kunst diese Sage bildlich gestaltet hat; denn wegen der engen Verbindung, in welcher dieselbe seit alten Zeiten mit der Aineiassage steht, muſsten gerade die Römer an ihr ein hervorragendes Interesse haben. Bei den Griechen hingegen scheint sie nie besonders populär ge- wesen zu sein, und dazu stimmt es, wenn sie von der griechischen Kunst nicht dargestellt wird. Diese letzte Beobachtung ist freilich hinfällig, wenn Klein die bekannte Darstellung auf dem Kantharos Pourtalès (abgeb. Raoul- Rochette Mon. inéd. pl. 40. Panofka Cab. Pourtalès pl. 7. Arch. Zeit. 1880 S. 189) mit Recht auf Laokoon gedeutet hat. Klein meint, daſs die Wunde des sterbenden Jünglings, wie ihre Form zeige, nicht von dem Schwert des Mannes auf dem Altar, sondern von dem Biſs der Schlange, die jetzt auch jenen umringelt hat und in die Schulter beiſst, herrühre. Man mag dies zugestehen, obgleich sich für das Fehlen des frischen roten die Schwertwunde andeutenden Strichs immerhin Analogien anführen lieſsen, z. B. bei dem Priamos auf der Brygosvase, dem Memnon auf der Duris- schale und durchweg bei den Verwundeten auf einer unpublizier- ten Schale des letzteren Malers im Berliner Museum. Klein hält nun dies und die Erinnerung an die Version des Arktinos für ausreichend, um die Deutung auf Laokoon zu sichern. Diesen selbst erkennt er in dem schlangenumwundenen Manne auf dem Altar, der sterbende Jüngling sei der ältere Sohn, den Thanatos in seinen Armen auffange; der königliche Mann endlich, der mit einem Stein in der Hand, zum Wurf bereit, herbeieilt, sei Laokoons

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/224>, abgerufen am 21.11.2024.