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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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Agamemnon, der die Wütenden zu beschwichtigen sucht. Auf
der ältesten3) dieser Vasen (Br. Mus. 830, abgeb. Archaeologia
XXXII pl. 10) ist das Objekt des Streites, die Waffen des
Achilleus, überhaupt nicht angegeben; Aias und Odysseus halten
bereits beide das gezückte Schwert in der Hand. Auch auf der ihr
zeitlich zunächst stehenden Leydener Amphora (Roulez Choix de
vases pl. 13), auf welcher Aias und Odysseus behelmt, Aga-
memnon sogar vollständig gerüstet erscheint, und auf jeder Seite
nur ein Achaier die Streitenden zurückhält, fehlt jede Andeutung
der Waffen des Achilleus. Dieselben begegnen uns in der rot-
figurigen Vasenmalerei zum ersten Male auf einer Trinkschale
des Britischen Museums (No. 829, abgeb. Archaelogia XXXII
pl. 11, darnach wiederholt in den Wiener Vorlegeblättern Ser. VI
T. 2), auf welcher sie in sinnreicher Weise zur Ausfüllung des
leeren Raumes unter den Henkeln verwant sind. Auf dieser
Vase wird auch zum ersten Mal der Versuch gemacht, die beiden
streitenden Helden etwas näher zu charakterisieren. Der be-
dächtige Odysseus ist erst im Begriff, das Schwert aus der
Scheide zu ziehen; Aias hat es schon gezogen; derselbe ist sowohl
hier wie auf der Darstellung der Rückseite durch starken Haarwuchs
auf der Brust charakterisiert, der bei Odysseus nur leicht ange-
deutet ist; in der Abbildung ist das nicht genügend wiedergegeben.
Duris endlich (M. d. I. VIII 41, Wiener Vorlegebl. Ser. VI T. 1, dar-
nach die nebenstehende Abbildung), der gleichfalls Odysseus das
Schwert erst ziehen lässt, legt die umstrittenen Waffen in die Mitte
zwischen Aias und Odysseus, und das ist weitaus das natürlichste
und schönste. Ausserdem aber trägt bei ihm Aias einen Panzer,
dessen rechte Schulterklappe jedoch lose in die Höhe steht.
Klein meint, derselbe habe mit so plötzlicher Heftigkeit das
Schwert aus der Scheide gerissen, dass die Achselklappe seines
Panzers aufgesprungen sei. Allein etwas höhere Vorstellungen
dürfen wir uns doch wohl von der Kriegsbrauchbarkeit home-
rischer Montierungsstücke machen. Überdies darf man bei einem
Werk des Duris die Frage aufwerfen, wie es denn komme, dass

3) Der Harcontur ist noch eingeritzt.

Agamemnon, der die Wütenden zu beschwichtigen sucht. Auf
der ältesten3) dieser Vasen (Br. Mus. 830, abgeb. Archaeologia
XXXII pl. 10) ist das Objekt des Streites, die Waffen des
Achilleus, überhaupt nicht angegeben; Aias und Odysseus halten
bereits beide das gezückte Schwert in der Hand. Auch auf der ihr
zeitlich zunächst stehenden Leydener Amphora (Roulez Choix de
vases pl. 13), auf welcher Aias und Odysseus behelmt, Aga-
memnon sogar vollständig gerüstet erscheint, und auf jeder Seite
nur ein Achaier die Streitenden zurückhält, fehlt jede Andeutung
der Waffen des Achilleus. Dieselben begegnen uns in der rot-
figurigen Vasenmalerei zum ersten Male auf einer Trinkschale
des Britischen Museums (No. 829, abgeb. Archaelogia XXXII
pl. 11, darnach wiederholt in den Wiener Vorlegeblättern Ser. VI
T. 2), auf welcher sie in sinnreicher Weise zur Ausfüllung des
leeren Raumes unter den Henkeln verwant sind. Auf dieser
Vase wird auch zum ersten Mal der Versuch gemacht, die beiden
streitenden Helden etwas näher zu charakterisieren. Der be-
dächtige Odysseus ist erst im Begriff, das Schwert aus der
Scheide zu ziehen; Aias hat es schon gezogen; derselbe ist sowohl
hier wie auf der Darstellung der Rückseite durch starken Haarwuchs
auf der Brust charakterisiert, der bei Odysseus nur leicht ange-
deutet ist; in der Abbildung ist das nicht genügend wiedergegeben.
Duris endlich (M. d. I. VIII 41, Wiener Vorlegebl. Ser. VI T. 1, dar-
nach die nebenstehende Abbildung), der gleichfalls Odysseus das
Schwert erst ziehen läſst, legt die umstrittenen Waffen in die Mitte
zwischen Aias und Odysseus, und das ist weitaus das natürlichste
und schönste. Auſserdem aber trägt bei ihm Aias einen Panzer,
dessen rechte Schulterklappe jedoch lose in die Höhe steht.
Klein meint, derselbe habe mit so plötzlicher Heftigkeit das
Schwert aus der Scheide gerissen, daſs die Achselklappe seines
Panzers aufgesprungen sei. Allein etwas höhere Vorstellungen
dürfen wir uns doch wohl von der Kriegsbrauchbarkeit home-
rischer Montierungsstücke machen. Überdies darf man bei einem
Werk des Duris die Frage aufwerfen, wie es denn komme, daſs

3) Der Harcontur ist noch eingeritzt.
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[214/0228] Agamemnon, der die Wütenden zu beschwichtigen sucht. Auf der ältesten 3) dieser Vasen (Br. Mus. 830, abgeb. Archaeologia XXXII pl. 10) ist das Objekt des Streites, die Waffen des Achilleus, überhaupt nicht angegeben; Aias und Odysseus halten bereits beide das gezückte Schwert in der Hand. Auch auf der ihr zeitlich zunächst stehenden Leydener Amphora (Roulez Choix de vases pl. 13), auf welcher Aias und Odysseus behelmt, Aga- memnon sogar vollständig gerüstet erscheint, und auf jeder Seite nur ein Achaier die Streitenden zurückhält, fehlt jede Andeutung der Waffen des Achilleus. Dieselben begegnen uns in der rot- figurigen Vasenmalerei zum ersten Male auf einer Trinkschale des Britischen Museums (No. 829, abgeb. Archaelogia XXXII pl. 11, darnach wiederholt in den Wiener Vorlegeblättern Ser. VI T. 2), auf welcher sie in sinnreicher Weise zur Ausfüllung des leeren Raumes unter den Henkeln verwant sind. Auf dieser Vase wird auch zum ersten Mal der Versuch gemacht, die beiden streitenden Helden etwas näher zu charakterisieren. Der be- dächtige Odysseus ist erst im Begriff, das Schwert aus der Scheide zu ziehen; Aias hat es schon gezogen; derselbe ist sowohl hier wie auf der Darstellung der Rückseite durch starken Haarwuchs auf der Brust charakterisiert, der bei Odysseus nur leicht ange- deutet ist; in der Abbildung ist das nicht genügend wiedergegeben. Duris endlich (M. d. I. VIII 41, Wiener Vorlegebl. Ser. VI T. 1, dar- nach die nebenstehende Abbildung), der gleichfalls Odysseus das Schwert erst ziehen läſst, legt die umstrittenen Waffen in die Mitte zwischen Aias und Odysseus, und das ist weitaus das natürlichste und schönste. Auſserdem aber trägt bei ihm Aias einen Panzer, dessen rechte Schulterklappe jedoch lose in die Höhe steht. Klein meint, derselbe habe mit so plötzlicher Heftigkeit das Schwert aus der Scheide gerissen, daſs die Achselklappe seines Panzers aufgesprungen sei. Allein etwas höhere Vorstellungen dürfen wir uns doch wohl von der Kriegsbrauchbarkeit home- rischer Montierungsstücke machen. Überdies darf man bei einem Werk des Duris die Frage aufwerfen, wie es denn komme, daſs 3) Der Harcontur ist noch eingeritzt.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/228>, abgerufen am 21.11.2024.