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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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der bildlichen Tradition tritt dem Entstehen einer genauen Illustra-
tion hemmend in den Weg.

Eine letzte bedeutende stoffliche Bereicherung erfährt die
Kunst noch durch die alexandrinischen Dichter, ja sogar schon
durch ihre Vorläufer im vierten Jahrhundert. Hier bedarf es
keines besonderen Beweises, dass die Quelle nicht die Volksvor-
stellung, sondern die Dichtung war, die sich nicht mehr an das
ganze Volk, sondern an einen engen Kreis hochgebildeter und fein-
sinniger Männer wendete, wie sie an den Höfen der Diadochen
und später in Rom den Mittelpunkt des geistigen Lebens bildeten;
es kann also auch nicht mehr der vom Dichter beeinflusste Vor-
stellungsreichtum der Nation, sondern nur der dieser Kreise sein,
aus welchem der Künstler seinen Gegenstand empfängt, wenn er
es nicht, was jetzt immer häufiger geschieht, vorzieht, sich direkt
an den Dichter zu wenden und sich mit deutlichem Bewusstsein
und unverkennbarer Absichtlichkeit an die Worte des Dichters an-
zuschliessen; auch hier also entsteht eine Art Illustration; wie
uns denn die letzten Jahre in Pompeji drei Bilder geliefert haben,
welche direkt drei alexandrinische Epigramme illustrieren65). Der
enge Anschluss an die Worte des Dichters führt aber auch zu
mannigfachen Auswüchsen, die zu ernsten Erwägungen über die
Gränzen der Poesie und Malerei in noch andern Fällen, als den
von Lessing erörterten, Anlass geben. Ich meine namentlich das
vielleicht schon im vierten Jahrhundert aufgekommene Verfahren,
bildliche Ausdrücke des Dichters im Kunstwerk darzustellen. An-
sätze auch hierzu finden sich schon in früher Zeit, wie wenn Eros
gegen den Verliebten das Kentron schwingt oder ihm Liebes-
sehnsucht in die Augen träufelt66). Allein zur eigentlichen Herr-
schaft kommt dies Verfahren erst in der alexandrinischen Zeit.
Ein Dichter des vierten Jahrhunderts67) hat den artigen Einfall

65) M. d. I. X tav. XXV, XXXV. Dilthey A. d. I. 1876 p. 294 s. vgl. das
von mir Eratosth. catast. rel. p. 7 n. 10 Bemerkte.
66) vgl. B. d I. 1871 p. 155. 1874 p. 8 S. 102. v. Duhn Commentat.
Bonn. p. 102.
67) Likymnios von Chios (Bergk P. L. G. III S. 1250) bei Athen. XIII
564 C Likumnios d o Khios ton Upnon phesas eran tou Endumionos oude katheu-
Philolog. Untersuchungen V. 4

der bildlichen Tradition tritt dem Entstehen einer genauen Illustra-
tion hemmend in den Weg.

Eine letzte bedeutende stoffliche Bereicherung erfährt die
Kunst noch durch die alexandrinischen Dichter, ja sogar schon
durch ihre Vorläufer im vierten Jahrhundert. Hier bedarf es
keines besonderen Beweises, daſs die Quelle nicht die Volksvor-
stellung, sondern die Dichtung war, die sich nicht mehr an das
ganze Volk, sondern an einen engen Kreis hochgebildeter und fein-
sinniger Männer wendete, wie sie an den Höfen der Diadochen
und später in Rom den Mittelpunkt des geistigen Lebens bildeten;
es kann also auch nicht mehr der vom Dichter beeinfluſste Vor-
stellungsreichtum der Nation, sondern nur der dieser Kreise sein,
aus welchem der Künstler seinen Gegenstand empfängt, wenn er
es nicht, was jetzt immer häufiger geschieht, vorzieht, sich direkt
an den Dichter zu wenden und sich mit deutlichem Bewuſstsein
und unverkennbarer Absichtlichkeit an die Worte des Dichters an-
zuschlieſsen; auch hier also entsteht eine Art Illustration; wie
uns denn die letzten Jahre in Pompeji drei Bilder geliefert haben,
welche direkt drei alexandrinische Epigramme illustrieren65). Der
enge Anschluſs an die Worte des Dichters führt aber auch zu
mannigfachen Auswüchsen, die zu ernsten Erwägungen über die
Gränzen der Poesie und Malerei in noch andern Fällen, als den
von Lessing erörterten, Anlaſs geben. Ich meine namentlich das
vielleicht schon im vierten Jahrhundert aufgekommene Verfahren,
bildliche Ausdrücke des Dichters im Kunstwerk darzustellen. An-
sätze auch hierzu finden sich schon in früher Zeit, wie wenn Eros
gegen den Verliebten das Kentron schwingt oder ihm Liebes-
sehnsucht in die Augen träufelt66). Allein zur eigentlichen Herr-
schaft kommt dies Verfahren erst in der alexandrinischen Zeit.
Ein Dichter des vierten Jahrhunderts67) hat den artigen Einfall

65) M. d. I. X tav. XXV, XXXV. Dilthey A. d. I. 1876 p. 294 s. vgl. das
von mir Eratosth. catast. rel. p. 7 n. 10 Bemerkte.
66) vgl. B. d I. 1871 p. 155. 1874 p. 8 S. 102. v. Duhn Commentat.
Bonn. p. 102.
67) Likymnios von Chios (Bergk P. L. G. III S. 1250) bei Athen. XIII
564 C Λικύμνιος δ̕ ὁ Χῖος τὸν Ὕπνον φήσας ἐρᾶν τοῦ Ἐνδυμίωνος οὐδὲ καϑεύ-
Philolog. Untersuchungen V. 4
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[49/0063] der bildlichen Tradition tritt dem Entstehen einer genauen Illustra- tion hemmend in den Weg. Eine letzte bedeutende stoffliche Bereicherung erfährt die Kunst noch durch die alexandrinischen Dichter, ja sogar schon durch ihre Vorläufer im vierten Jahrhundert. Hier bedarf es keines besonderen Beweises, daſs die Quelle nicht die Volksvor- stellung, sondern die Dichtung war, die sich nicht mehr an das ganze Volk, sondern an einen engen Kreis hochgebildeter und fein- sinniger Männer wendete, wie sie an den Höfen der Diadochen und später in Rom den Mittelpunkt des geistigen Lebens bildeten; es kann also auch nicht mehr der vom Dichter beeinfluſste Vor- stellungsreichtum der Nation, sondern nur der dieser Kreise sein, aus welchem der Künstler seinen Gegenstand empfängt, wenn er es nicht, was jetzt immer häufiger geschieht, vorzieht, sich direkt an den Dichter zu wenden und sich mit deutlichem Bewuſstsein und unverkennbarer Absichtlichkeit an die Worte des Dichters an- zuschlieſsen; auch hier also entsteht eine Art Illustration; wie uns denn die letzten Jahre in Pompeji drei Bilder geliefert haben, welche direkt drei alexandrinische Epigramme illustrieren 65). Der enge Anschluſs an die Worte des Dichters führt aber auch zu mannigfachen Auswüchsen, die zu ernsten Erwägungen über die Gränzen der Poesie und Malerei in noch andern Fällen, als den von Lessing erörterten, Anlaſs geben. Ich meine namentlich das vielleicht schon im vierten Jahrhundert aufgekommene Verfahren, bildliche Ausdrücke des Dichters im Kunstwerk darzustellen. An- sätze auch hierzu finden sich schon in früher Zeit, wie wenn Eros gegen den Verliebten das Kentron schwingt oder ihm Liebes- sehnsucht in die Augen träufelt 66). Allein zur eigentlichen Herr- schaft kommt dies Verfahren erst in der alexandrinischen Zeit. Ein Dichter des vierten Jahrhunderts 67) hat den artigen Einfall 65) M. d. I. X tav. XXV, XXXV. Dilthey A. d. I. 1876 p. 294 s. vgl. das von mir Eratosth. catast. rel. p. 7 n. 10 Bemerkte. 66) vgl. B. d I. 1871 p. 155. 1874 p. 8 S. 102. v. Duhn Commentat. Bonn. p. 102. 67) Likymnios von Chios (Bergk P. L. G. III S. 1250) bei Athen. XIII 564 C Λικύμνιος δ̕ ὁ Χῖος τὸν Ὕπνον φήσας ἐρᾶν τοῦ Ἐνδυμίωνος οὐδὲ καϑεύ- Philolog. Untersuchungen V. 4

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/63>, abgerufen am 21.11.2024.