werden. Sei dem wie ihm wolle, das Fehlen der Figur auf den übrigen archaischen Darstellungen der Scene beweist wenigstens so viel, dass sie nicht zu dem alten Typus gehört; und da sie uns zuerst auf einer aus zwei Scenen kombinierten Darstellung begegnet, erscheint die Frage berechtigt, ob sie nicht mit dem- selben Recht in nahe Beziehung zu B wie zu A gesetzt werden kann. Bedenkt man, wie passend neben der Darstellung von Helena und Menelaos ein Hinweis auf die entscheidende That, durch die schliesslich Helena wiedergewonnen wird, auf die Tötung ihres dritten Gatten, sein würde, so wird man wohl die Deutung des Toten auf den von Menelaos getöteten Deiphobos neben der auf Polites oder Agenor oder einen anderen von Neoptolemos getöteten Troer zunächst wenigstens als gleichbe- rechtigt gelten lassen müssen.
Mit einer anderen Scene, der Wegführung der Polyxena D, erscheint, wie die Beischriften lehren, die Darstellung von Priamos Tod vereinigt auf der Iliupersisvase des Brygos11) (Heyde- mann Iliupersis Taf. I. Wiener Vorlegebl Ser. VIII. T. 4). Durch diese Verbindung werden die drei Haupttaten des Neoptolemos zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefasst, die Tötung des Königs von Troja, die Tötung von Hektors Kind, die Opferung der Polyxena am Grabe des Achill. Natürlich musste in D die Gestalt des Neoptolemos, die nicht auf demselben Bilde zweimal in zwei verschiedenen Situationen vorkommen konnte, durch einen anderen Griechen ersetzt werden. Der attische Vasenmaler nimmt dazu den ihm zunächst liegenden Helden, den Theseiden Akamas; dass auch in der Hekabe des Euripides (V. 123) bei der Beratung über Polyxena die beiden Theseiden eine hervor- ragende Rolle spielen, ist zwar ein zufälliges, aber doch recht bezeichnendes Zusammentreffen; dass ferner in dieser Darstellung, wo nicht B, sondern D mit A kombiniert ist, der Tote fehlt, ver- dient immerhin hervorgehoben zu werden. Brunn hat allerdings gegen die Glaubwürdigkeit der Namensbeischriften Bedenken
11) Dieselbe ist vor kurzem aus dem Besitze Jolly de Bammeville's in das Louvre gekommen.
werden. Sei dem wie ihm wolle, das Fehlen der Figur auf den übrigen archaischen Darstellungen der Scene beweist wenigstens so viel, daſs sie nicht zu dem alten Typus gehört; und da sie uns zuerst auf einer aus zwei Scenen kombinierten Darstellung begegnet, erscheint die Frage berechtigt, ob sie nicht mit dem- selben Recht in nahe Beziehung zu B wie zu A gesetzt werden kann. Bedenkt man, wie passend neben der Darstellung von Helena und Menelaos ein Hinweis auf die entscheidende That, durch die schlieſslich Helena wiedergewonnen wird, auf die Tötung ihres dritten Gatten, sein würde, so wird man wohl die Deutung des Toten auf den von Menelaos getöteten Deiphobos neben der auf Polites oder Agenor oder einen anderen von Neoptolemos getöteten Troer zunächst wenigstens als gleichbe- rechtigt gelten lassen müssen.
Mit einer anderen Scene, der Wegführung der Polyxena D, erscheint, wie die Beischriften lehren, die Darstellung von Priamos Tod vereinigt auf der Iliupersisvase des Brygos11) (Heyde- mann Iliupersis Taf. I. Wiener Vorlegebl Ser. VIII. T. 4). Durch diese Verbindung werden die drei Haupttaten des Neoptolemos zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefasst, die Tötung des Königs von Troja, die Tötung von Hektors Kind, die Opferung der Polyxena am Grabe des Achill. Natürlich musste in D die Gestalt des Neoptolemos, die nicht auf demselben Bilde zweimal in zwei verschiedenen Situationen vorkommen konnte, durch einen anderen Griechen ersetzt werden. Der attische Vasenmaler nimmt dazu den ihm zunächst liegenden Helden, den Theseiden Akamas; daſs auch in der Hekabe des Euripides (V. 123) bei der Beratung über Polyxena die beiden Theseiden eine hervor- ragende Rolle spielen, ist zwar ein zufälliges, aber doch recht bezeichnendes Zusammentreffen; daſs ferner in dieser Darstellung, wo nicht B, sondern D mit A kombiniert ist, der Tote fehlt, ver- dient immerhin hervorgehoben zu werden. Brunn hat allerdings gegen die Glaubwürdigkeit der Namensbeischriften Bedenken
11) Dieselbe ist vor kurzem aus dem Besitze Jolly de Bammeville’s in das Louvre gekommen.
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werden. Sei dem wie ihm wolle, das Fehlen der Figur auf den
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uns zuerst auf einer aus zwei Scenen kombinierten Darstellung
begegnet, erscheint die Frage berechtigt, ob sie nicht mit dem-
selben Recht in nahe Beziehung zu B wie zu A gesetzt werden
kann. Bedenkt man, wie passend neben der Darstellung von
Helena und Menelaos ein Hinweis auf die entscheidende That,
durch die schlieſslich Helena wiedergewonnen wird, auf die
Tötung ihres dritten Gatten, sein würde, so wird man wohl die
Deutung des Toten auf den von Menelaos getöteten Deiphobos
neben der auf Polites oder Agenor oder einen anderen von
Neoptolemos getöteten Troer zunächst wenigstens als gleichbe-
rechtigt gelten lassen müssen.
Mit einer anderen Scene, der Wegführung der Polyxena
D, erscheint, wie die Beischriften lehren, die Darstellung von
Priamos Tod vereinigt auf der Iliupersisvase des Brygos 11) (Heyde-
mann Iliupersis Taf. I. Wiener Vorlegebl Ser. VIII. T. 4). Durch
diese Verbindung werden die drei Haupttaten des Neoptolemos
zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefasst, die Tötung des
Königs von Troja, die Tötung von Hektors Kind, die Opferung
der Polyxena am Grabe des Achill. Natürlich musste in D die
Gestalt des Neoptolemos, die nicht auf demselben Bilde zweimal in
zwei verschiedenen Situationen vorkommen konnte, durch einen
anderen Griechen ersetzt werden. Der attische Vasenmaler
nimmt dazu den ihm zunächst liegenden Helden, den Theseiden
Akamas; daſs auch in der Hekabe des Euripides (V. 123) bei
der Beratung über Polyxena die beiden Theseiden eine hervor-
ragende Rolle spielen, ist zwar ein zufälliges, aber doch recht
bezeichnendes Zusammentreffen; daſs ferner in dieser Darstellung,
wo nicht B, sondern D mit A kombiniert ist, der Tote fehlt, ver-
dient immerhin hervorgehoben zu werden. Brunn hat allerdings
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11) Dieselbe ist vor kurzem aus dem Besitze Jolly de Bammeville’s in
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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/75>, abgerufen am 17.06.2024.
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