Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



Wer dadurch zum Betrüger wird, der ladet
ein schwer Gewißen auf sich, und es geht ihm
in seiner eignen Haushaltung gemeiniglich nicht
gut. Die Pächte und Gaben müßt ihr ehr-
lich abgeben, nicht das Schlechteste aussuchen,
sondern gerade durch, wie ihrs habt, hingeben.
Eure Güter, als Aecker, Wiesen und Gärten,
müßt ihr nicht heimlich, ohne Vorwißen der
Obrigkeit, vergrößern, noch eure Gränze ver-
rücken, und weiter machen, zum Schaden des-
sen, der an euren Aeckern oder Wiese, und Gär-
ten gränzt. Gott hat in Seinem Wort einen
Fluch darauf gesetzt und will den nicht unge-
straft lassen, der seinen Fluch verachtet.

Ich habe von einem Ackermanne gehört, der
wohnte unter einem Edelmann, der im Kriege
diente, und in vielen Jahren nicht zu Hause
kam. Die alte Mutter des Herrn wirthschaf-
tete indeß, und hatte einen Meyer, der war
des Ackermanns Bruder. Diese beyden wur-
den eins, die Herrschaft zu betrügen. Der
Ackermann pflügte alle Jahr, wo er an herr-
schaftlichem Acker gränzte, etwas Land ab, und
den Gränzpfahl von den Wiesen, die an seine
Wiese stießen, schlug er alle Jahr einen Schritt
weiter. Als er aber einst an der Wiese Weiden
kröpfte, fiel er mit der Leiter um, und fiel auf
den Gränzpfahl, den er dahin verrückt hatte.

Die
K 5



Wer dadurch zum Betruͤger wird, der ladet
ein ſchwer Gewißen auf ſich, und es geht ihm
in ſeiner eignen Haushaltung gemeiniglich nicht
gut. Die Paͤchte und Gaben muͤßt ihr ehr-
lich abgeben, nicht das Schlechteſte ausſuchen,
ſondern gerade durch, wie ihrs habt, hingeben.
Eure Guͤter, als Aecker, Wieſen und Gaͤrten,
muͤßt ihr nicht heimlich, ohne Vorwißen der
Obrigkeit, vergroͤßern, noch eure Graͤnze ver-
ruͤcken, und weiter machen, zum Schaden deſ-
ſen, der an euren Aeckern oder Wieſe, und Gaͤr-
ten graͤnzt. Gott hat in Seinem Wort einen
Fluch darauf geſetzt und will den nicht unge-
ſtraft laſſen, der ſeinen Fluch verachtet.

Ich habe von einem Ackermanne gehoͤrt, der
wohnte unter einem Edelmann, der im Kriege
diente, und in vielen Jahren nicht zu Hauſe
kam. Die alte Mutter des Herrn wirthſchaf-
tete indeß, und hatte einen Meyer, der war
des Ackermanns Bruder. Dieſe beyden wur-
den eins, die Herrſchaft zu betruͤgen. Der
Ackermann pfluͤgte alle Jahr, wo er an herr-
ſchaftlichem Acker graͤnzte, etwas Land ab, und
den Graͤnzpfahl von den Wieſen, die an ſeine
Wieſe ſtießen, ſchlug er alle Jahr einen Schritt
weiter. Als er aber einſt an der Wieſe Weiden
kroͤpfte, fiel er mit der Leiter um, und fiel auf
den Graͤnzpfahl, den er dahin verruͤckt hatte.

Die
K 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0175" n="153"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Wer dadurch zum Betru&#x0364;ger wird, der ladet<lb/>
ein &#x017F;chwer Gewißen auf &#x017F;ich, und es geht ihm<lb/>
in &#x017F;einer eignen Haushaltung gemeiniglich nicht<lb/>
gut. Die Pa&#x0364;chte und Gaben mu&#x0364;ßt ihr ehr-<lb/>
lich abgeben, nicht das Schlechte&#x017F;te aus&#x017F;uchen,<lb/>
&#x017F;ondern gerade durch, wie ihrs habt, hingeben.<lb/>
Eure Gu&#x0364;ter, als Aecker, Wie&#x017F;en und Ga&#x0364;rten,<lb/>
mu&#x0364;ßt ihr nicht heimlich, ohne Vorwißen der<lb/>
Obrigkeit, vergro&#x0364;ßern, noch eure Gra&#x0364;nze ver-<lb/>
ru&#x0364;cken, und weiter machen, zum Schaden de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, der an euren Aeckern oder Wie&#x017F;e, und Ga&#x0364;r-<lb/>
ten gra&#x0364;nzt. Gott hat in Seinem Wort einen<lb/>
Fluch darauf ge&#x017F;etzt und will den nicht unge-<lb/>
&#x017F;traft la&#x017F;&#x017F;en, der &#x017F;einen Fluch verachtet.</p><lb/>
          <p>Ich habe von einem Ackermanne geho&#x0364;rt, der<lb/>
wohnte unter einem Edelmann, der im Kriege<lb/>
diente, und in vielen Jahren nicht zu Hau&#x017F;e<lb/>
kam. Die alte Mutter des Herrn wirth&#x017F;chaf-<lb/>
tete indeß, und hatte einen Meyer, der war<lb/>
des Ackermanns Bruder. Die&#x017F;e beyden wur-<lb/>
den eins, die Herr&#x017F;chaft zu betru&#x0364;gen. Der<lb/>
Ackermann pflu&#x0364;gte alle Jahr, wo er an herr-<lb/>
&#x017F;chaftlichem Acker gra&#x0364;nzte, etwas Land ab, und<lb/>
den Gra&#x0364;nzpfahl von den Wie&#x017F;en, die an &#x017F;eine<lb/>
Wie&#x017F;e &#x017F;tießen, &#x017F;chlug er alle Jahr einen Schritt<lb/>
weiter. Als er aber ein&#x017F;t an der Wie&#x017F;e Weiden<lb/>
kro&#x0364;pfte, fiel er mit der Leiter um, und fiel auf<lb/>
den Gra&#x0364;nzpfahl, den er dahin verru&#x0364;ckt hatte.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">K 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0175] Wer dadurch zum Betruͤger wird, der ladet ein ſchwer Gewißen auf ſich, und es geht ihm in ſeiner eignen Haushaltung gemeiniglich nicht gut. Die Paͤchte und Gaben muͤßt ihr ehr- lich abgeben, nicht das Schlechteſte ausſuchen, ſondern gerade durch, wie ihrs habt, hingeben. Eure Guͤter, als Aecker, Wieſen und Gaͤrten, muͤßt ihr nicht heimlich, ohne Vorwißen der Obrigkeit, vergroͤßern, noch eure Graͤnze ver- ruͤcken, und weiter machen, zum Schaden deſ- ſen, der an euren Aeckern oder Wieſe, und Gaͤr- ten graͤnzt. Gott hat in Seinem Wort einen Fluch darauf geſetzt und will den nicht unge- ſtraft laſſen, der ſeinen Fluch verachtet. Ich habe von einem Ackermanne gehoͤrt, der wohnte unter einem Edelmann, der im Kriege diente, und in vielen Jahren nicht zu Hauſe kam. Die alte Mutter des Herrn wirthſchaf- tete indeß, und hatte einen Meyer, der war des Ackermanns Bruder. Dieſe beyden wur- den eins, die Herrſchaft zu betruͤgen. Der Ackermann pfluͤgte alle Jahr, wo er an herr- ſchaftlichem Acker graͤnzte, etwas Land ab, und den Graͤnzpfahl von den Wieſen, die an ſeine Wieſe ſtießen, ſchlug er alle Jahr einen Schritt weiter. Als er aber einſt an der Wieſe Weiden kroͤpfte, fiel er mit der Leiter um, und fiel auf den Graͤnzpfahl, den er dahin verruͤckt hatte. Die K 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/175
Zitationshilfe: [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/175>, abgerufen am 29.04.2024.