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[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.

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Die Rippen waren entzwey, und er litte
große Schmerzen; da ließ er den Prediger
kommen, und bekannte ihm die Sache, daß er
just auf den verrückten Gränzpfahl hätte fallen
müßen, der sonst nicht da gestanden, wenn er
ihn nicht so weit verrückt gehabt hätte. Er
starb, und der Meyer ward hart gestraft, und
als ein Schelm und Betrüger, auf die Vestung
gefangen gesetzt.

Ihr müßt auch nicht mehr Freyheiten und
Rechte begehren, als wie euch zukommen: Wenn
ihr etwa selbst kein Holz habt, und die Herr-
schaft verstattet euch das Holzlesen und aufraf-
fen dessen, was abfällt, so müßt ihr nicht ab-
hauen; denn das kommt euch nicht zu. Ihr
müßt nicht weiter schreiten, als eure Erlaub-
niß geht; sonst seyd ihr straffällig. Denn wie
wollte sonst die Herrschaft sorgen können, daß
beständig das Holz im Stande bliebe, so wohl
für sie jährliche Einkünfte abzugeben, als zum
Bau und zur nöthigen Feuerung, für sie und
für euch auf immer zuzureichen. Wenn aber
ein jeder hauen könnte, was ihm gefiele, so würde
ein jeder nach dem Besten greifen, und keiner
würde ans Sparen denken: Endlich würde al-
les Holz ausgehen, und die Herrschaft mit
sammt den Unterthanen würden Holz kaufen
müßen.

Aber


Die Rippen waren entzwey, und er litte
große Schmerzen; da ließ er den Prediger
kommen, und bekannte ihm die Sache, daß er
juſt auf den verruͤckten Graͤnzpfahl haͤtte fallen
muͤßen, der ſonſt nicht da geſtanden, wenn er
ihn nicht ſo weit verruͤckt gehabt haͤtte. Er
ſtarb, und der Meyer ward hart geſtraft, und
als ein Schelm und Betruͤger, auf die Veſtung
gefangen geſetzt.

Ihr muͤßt auch nicht mehr Freyheiten und
Rechte begehren, als wie euch zukommen: Wenn
ihr etwa ſelbſt kein Holz habt, und die Herr-
ſchaft verſtattet euch das Holzleſen und aufraf-
fen deſſen, was abfaͤllt, ſo muͤßt ihr nicht ab-
hauen; denn das kommt euch nicht zu. Ihr
muͤßt nicht weiter ſchreiten, als eure Erlaub-
niß geht; ſonſt ſeyd ihr ſtraffaͤllig. Denn wie
wollte ſonſt die Herrſchaft ſorgen koͤnnen, daß
beſtaͤndig das Holz im Stande bliebe, ſo wohl
fuͤr ſie jaͤhrliche Einkuͤnfte abzugeben, als zum
Bau und zur noͤthigen Feuerung, fuͤr ſie und
fuͤr euch auf immer zuzureichen. Wenn aber
ein jeder hauen koͤnnte, was ihm gefiele, ſo wuͤrde
ein jeder nach dem Beſten greifen, und keiner
wuͤrde ans Sparen denken: Endlich wuͤrde al-
les Holz ausgehen, und die Herrſchaft mit
ſammt den Unterthanen wuͤrden Holz kaufen
muͤßen.

Aber
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[154/0176] Die Rippen waren entzwey, und er litte große Schmerzen; da ließ er den Prediger kommen, und bekannte ihm die Sache, daß er juſt auf den verruͤckten Graͤnzpfahl haͤtte fallen muͤßen, der ſonſt nicht da geſtanden, wenn er ihn nicht ſo weit verruͤckt gehabt haͤtte. Er ſtarb, und der Meyer ward hart geſtraft, und als ein Schelm und Betruͤger, auf die Veſtung gefangen geſetzt. Ihr muͤßt auch nicht mehr Freyheiten und Rechte begehren, als wie euch zukommen: Wenn ihr etwa ſelbſt kein Holz habt, und die Herr- ſchaft verſtattet euch das Holzleſen und aufraf- fen deſſen, was abfaͤllt, ſo muͤßt ihr nicht ab- hauen; denn das kommt euch nicht zu. Ihr muͤßt nicht weiter ſchreiten, als eure Erlaub- niß geht; ſonſt ſeyd ihr ſtraffaͤllig. Denn wie wollte ſonſt die Herrſchaft ſorgen koͤnnen, daß beſtaͤndig das Holz im Stande bliebe, ſo wohl fuͤr ſie jaͤhrliche Einkuͤnfte abzugeben, als zum Bau und zur noͤthigen Feuerung, fuͤr ſie und fuͤr euch auf immer zuzureichen. Wenn aber ein jeder hauen koͤnnte, was ihm gefiele, ſo wuͤrde ein jeder nach dem Beſten greifen, und keiner wuͤrde ans Sparen denken: Endlich wuͤrde al- les Holz ausgehen, und die Herrſchaft mit ſammt den Unterthanen wuͤrden Holz kaufen muͤßen. Aber

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Zitationshilfe: [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/176>, abgerufen am 29.04.2024.