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[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.

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Wie die Kinder groß wurden, und ihre
Nahrung und Erhaltung selbst besorgen konn-
ten, wollten sie auch Aeltern werden, oder
Kinder haben, und eine Familie stiften. Die
Aeltern gaben ihnen daher etwas Eignes,
und ließen sie von sich. Als sich nun die
Menschen immer mehr vermehrten; so gab
es auch immer mehr Familien, und diese
breiteten sich endlich über die Erde aus.
So lange Platz da war, gieng das wohl
an. Ein Fleck aber war doch beßer, als
der andre, gut Wasser, gute Aecker, gute
Weide, gut Holz, war doch nicht allenthal-
ben gleich gut zu finden. Eine jede Fami-
lie wollte gerne das Beste besitzen. Wer
aber was Gutes hatte, wollte es nicht mis-
sen. Da entstand Feindschaft unter den
Familien. Der Neid kam dazu, wie die
Bibel sagt. Daß Gott den einen mehr ge-
seegnet hatte, weil er frömmer war, das
verdroß den andern; da ward aus Feind-
schaft, Gewaltthätigkeit, und einer schlug den
andern todt; oder wenn die eine Familie
stärker war, als die andre, so jagte die
stärkere, die schwächere Familie weg, und
raubte ihnen das Ihrige. Wenn nun die,
die vertrieben waren, Gelegenheit fanden, so
rächten sie sich, und thaten den Räubern

wie

Wie die Kinder groß wurden, und ihre
Nahrung und Erhaltung ſelbſt beſorgen konn-
ten, wollten ſie auch Aeltern werden, oder
Kinder haben, und eine Familie ſtiften. Die
Aeltern gaben ihnen daher etwas Eignes,
und ließen ſie von ſich. Als ſich nun die
Menſchen immer mehr vermehrten; ſo gab
es auch immer mehr Familien, und dieſe
breiteten ſich endlich uͤber die Erde aus.
So lange Platz da war, gieng das wohl
an. Ein Fleck aber war doch beßer, als
der andre, gut Waſſer, gute Aecker, gute
Weide, gut Holz, war doch nicht allenthal-
ben gleich gut zu finden. Eine jede Fami-
lie wollte gerne das Beſte beſitzen. Wer
aber was Gutes hatte, wollte es nicht miſ-
ſen. Da entſtand Feindſchaft unter den
Familien. Der Neid kam dazu, wie die
Bibel ſagt. Daß Gott den einen mehr ge-
ſeegnet hatte, weil er froͤmmer war, das
verdroß den andern; da ward aus Feind-
ſchaft, Gewaltthaͤtigkeit, und einer ſchlug den
andern todt; oder wenn die eine Familie
ſtaͤrker war, als die andre, ſo jagte die
ſtaͤrkere, die ſchwaͤchere Familie weg, und
raubte ihnen das Ihrige. Wenn nun die,
die vertrieben waren, Gelegenheit fanden, ſo
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[72/0094] Wie die Kinder groß wurden, und ihre Nahrung und Erhaltung ſelbſt beſorgen konn- ten, wollten ſie auch Aeltern werden, oder Kinder haben, und eine Familie ſtiften. Die Aeltern gaben ihnen daher etwas Eignes, und ließen ſie von ſich. Als ſich nun die Menſchen immer mehr vermehrten; ſo gab es auch immer mehr Familien, und dieſe breiteten ſich endlich uͤber die Erde aus. So lange Platz da war, gieng das wohl an. Ein Fleck aber war doch beßer, als der andre, gut Waſſer, gute Aecker, gute Weide, gut Holz, war doch nicht allenthal- ben gleich gut zu finden. Eine jede Fami- lie wollte gerne das Beſte beſitzen. Wer aber was Gutes hatte, wollte es nicht miſ- ſen. Da entſtand Feindſchaft unter den Familien. Der Neid kam dazu, wie die Bibel ſagt. Daß Gott den einen mehr ge- ſeegnet hatte, weil er froͤmmer war, das verdroß den andern; da ward aus Feind- ſchaft, Gewaltthaͤtigkeit, und einer ſchlug den andern todt; oder wenn die eine Familie ſtaͤrker war, als die andre, ſo jagte die ſtaͤrkere, die ſchwaͤchere Familie weg, und raubte ihnen das Ihrige. Wenn nun die, die vertrieben waren, Gelegenheit fanden, ſo raͤchten ſie ſich, und thaten den Raͤubern wie

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Zitationshilfe: [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/94>, abgerufen am 03.05.2024.