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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912.

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sie bisher bei fast keiner anderen Bahn vorgekommen waren.

Die Vorarbeiten für die Planausarbeitung der beiden Teilstrecken ergaben, daß die Ausführung bei Beibehaltung des bisher ausschließlich angewendeten englischen Lokomotivsystems, das Krümmungen von weniger als 3000 Fuß Halbmesser und Steigungen von mehr als 1 : 200 nur ungern zuließ, unerschwingliche Kosten erfordern würde. Eine Minderung dieser Kosten konnte durch Übernahme des vor kurzem bekannt gewordenen amerikanischen Lokomotivsystems erreicht werden, das noch gestattete, Krümmungen von weniger als 1000 Fuß und Steigungen von mehr als 1 : 100 ohne Gefahr zu befahren. Allerdings mußte mit der Annahme des amerikanischen Lokomotivsystems auch der Nachteil einer geringeren Geschwindigkeit und höherer Betriebskosten in den Kauf genommen werden.

Auf dieser Grundlage wurde 1843 die Aufsuchung neuer Linien zwischen Donauwörth-Nürnberg und Kulmbach-Hof angeordnet und hierbei der Grundsatz aufgestellt, daß nicht der kürzeste, sondern der staatswirtschaftlich nützlichere Weg den Vorzug verdiene.

Die nun durchzuführenden umfangreichen Geländeaufnahmen gaben dem damaligen Ingenieurpraktikanten und späteren Sektionsingenieur in Immenstadt Friedrich von Lößl Veranlassung, für die Darstellung der stark kupierten Geländeverhältnisse Kosten- und Schichtenpläne (Horizontalkurven, Isopedenpläne) einzuführen, eine Methode, die bald nachher das allgemein vorgeschriebene Trassierungsmittel beim bayerischen Eisenbahnbau wurde.

Die neuen Untersuchungen, die nun auch auf die Strecke Augsburg-Lindau ausgedehnt wurden, zeigten, daß auf der Strecke Donauwörth-Nürnberg über den Hahnenkamm auch bei Anwendung des amerikanischen Projektierungssystems das wirtschaftlich erwünschte günstigere Ergebnis nicht zu erreichen war. Man gab daher einer Bahnführung durch das Ries über Nördlingen und Gunzenhausen, trotz der 4 Meilen längeren Entfernung, den Vorzug vor der kürzesten Linie über Donauwörth-Treuchtlingen nach Nürnberg, zumal dadurch auch erreicht werden konnte, daß die ganze Bahnstrecke von Kulmbach über Nürnberg-Augsburg bis Kempten ohne Unterbrechung mit Maschinen des englischen Systems befahren werden konnte, so daß nur an den beiden Endstrecken der Südnordbahn (Lindau-Kempten und Kulmbach-Hof) amerikanische Lokomotiven angewendet werden mußten.

In der Strecke Kulmbach-Hof wurde zur Überwindung der zu ersteigenden bedeutenden Höhe bei Himmelkron eine schiefe Ebene mit der Steigung von 1 : 40 angeordnet, die mit amerikanischen Lokomotiven von 25 t Gewicht befahren werden sollte. Für schwere Güterzüge oder bei ungünstiger Witterung war die Verwendung von 2 Lokomotiven vorgesehen.

Am 22. Februar 1843 wurde ein Gesetzentwurf, betreffend "die Aufnahme eines Anlehens zur Deckung der Kosten des Eisenbahnbaues von der Reichsgrenze bei Hof bis Lindau", beim Landtage eingebracht und kurz darauf mit wenigen nicht wesentlichen Änderungen von den beiden Kammern genehmigt. Unterm 25. August 1843 wurde das erste bayerische Eisenbahndotationsgesetz veröffentlicht.

Die Bauarbeiten auf der Augsburg-Hofer Strecke wurden gleichzeitig von Nürnberg und Augsburg aus in nördlicher Richtung in Angriff genommen und so gefördert, daß die erste Abteilung von Nürnberg bis Bamberg am 25. August 1844 feierlich eröffnet werden konnte, während die Betriebseröffnung der Strecke Augsburg-Donauwörth am 20. November 1844 erfolgte.

Schon im Jahre 1845 wurden Baunormen für die ersten bayerischen Staatsbahnen herausgegeben, nach denen es Grundsatz war, die Doppelbahnen zwar auszustecken und Grund und Boden dafür zu erwerben, wie auch die größeren Kunstbauten und die Durchlässe für ständig fließendes Wasser sofort auf Doppelbahnen auszuführen, dagegen die Bahn selbst nur für ein Gleis herzustellen. Bei der Trassierung war zunächst die kleinste Baukostensumme maßgebend. Die Krümmungswiderstände wurden völlig unbeachtet gelassen, wie auch auf die damals noch ziemlich unbekannten Betriebskosten nur wenig Rücksicht genommen wurde.

Bei den Erdarbeiten strebte man möglichste Ausgleichung der Damm- und Einschnittmassen an, was durch das von dem bayerischen Sektionsingenieur Brückner in Lindau im Jahre 1844 zum ersten Male angewendete Verfahren der zeichnerischen Darstellung der zu verführenden Erdmassen und der Verführungsentfernungen (Massennivellement) wesentlich erleichtert wurde. Dieses Verfahren wurde von dem damaligen Ingenieurpraktikanten Röckl auf einfache Art zur Bestimmung der kleinsten Verführungsstrecken und -kosten verbessert und sodann für den ganzen bayerischen Eisenbahnbau bindend eingeführt.

sie bisher bei fast keiner anderen Bahn vorgekommen waren.

Die Vorarbeiten für die Planausarbeitung der beiden Teilstrecken ergaben, daß die Ausführung bei Beibehaltung des bisher ausschließlich angewendeten englischen Lokomotivsystems, das Krümmungen von weniger als 3000 Fuß Halbmesser und Steigungen von mehr als 1 : 200 nur ungern zuließ, unerschwingliche Kosten erfordern würde. Eine Minderung dieser Kosten konnte durch Übernahme des vor kurzem bekannt gewordenen amerikanischen Lokomotivsystems erreicht werden, das noch gestattete, Krümmungen von weniger als 1000 Fuß und Steigungen von mehr als 1 : 100 ohne Gefahr zu befahren. Allerdings mußte mit der Annahme des amerikanischen Lokomotivsystems auch der Nachteil einer geringeren Geschwindigkeit und höherer Betriebskosten in den Kauf genommen werden.

Auf dieser Grundlage wurde 1843 die Aufsuchung neuer Linien zwischen Donauwörth-Nürnberg und Kulmbach-Hof angeordnet und hierbei der Grundsatz aufgestellt, daß nicht der kürzeste, sondern der staatswirtschaftlich nützlichere Weg den Vorzug verdiene.

Die nun durchzuführenden umfangreichen Geländeaufnahmen gaben dem damaligen Ingenieurpraktikanten und späteren Sektionsingenieur in Immenstadt Friedrich von Lößl Veranlassung, für die Darstellung der stark kupierten Geländeverhältnisse Kosten- und Schichtenpläne (Horizontalkurven, Isopedenpläne) einzuführen, eine Methode, die bald nachher das allgemein vorgeschriebene Trassierungsmittel beim bayerischen Eisenbahnbau wurde.

Die neuen Untersuchungen, die nun auch auf die Strecke Augsburg-Lindau ausgedehnt wurden, zeigten, daß auf der Strecke Donauwörth-Nürnberg über den Hahnenkamm auch bei Anwendung des amerikanischen Projektierungssystems das wirtschaftlich erwünschte günstigere Ergebnis nicht zu erreichen war. Man gab daher einer Bahnführung durch das Ries über Nördlingen und Gunzenhausen, trotz der 4 Meilen längeren Entfernung, den Vorzug vor der kürzesten Linie über Donauwörth-Treuchtlingen nach Nürnberg, zumal dadurch auch erreicht werden konnte, daß die ganze Bahnstrecke von Kulmbach über Nürnberg-Augsburg bis Kempten ohne Unterbrechung mit Maschinen des englischen Systems befahren werden konnte, so daß nur an den beiden Endstrecken der Südnordbahn (Lindau-Kempten und Kulmbach-Hof) amerikanische Lokomotiven angewendet werden mußten.

In der Strecke Kulmbach-Hof wurde zur Überwindung der zu ersteigenden bedeutenden Höhe bei Himmelkron eine schiefe Ebene mit der Steigung von 1 : 40 angeordnet, die mit amerikanischen Lokomotiven von 25 t Gewicht befahren werden sollte. Für schwere Güterzüge oder bei ungünstiger Witterung war die Verwendung von 2 Lokomotiven vorgesehen.

Am 22. Februar 1843 wurde ein Gesetzentwurf, betreffend „die Aufnahme eines Anlehens zur Deckung der Kosten des Eisenbahnbaues von der Reichsgrenze bei Hof bis Lindau“, beim Landtage eingebracht und kurz darauf mit wenigen nicht wesentlichen Änderungen von den beiden Kammern genehmigt. Unterm 25. August 1843 wurde das erste bayerische Eisenbahndotationsgesetz veröffentlicht.

Die Bauarbeiten auf der Augsburg-Hofer Strecke wurden gleichzeitig von Nürnberg und Augsburg aus in nördlicher Richtung in Angriff genommen und so gefördert, daß die erste Abteilung von Nürnberg bis Bamberg am 25. August 1844 feierlich eröffnet werden konnte, während die Betriebseröffnung der Strecke Augsburg-Donauwörth am 20. November 1844 erfolgte.

Schon im Jahre 1845 wurden Baunormen für die ersten bayerischen Staatsbahnen herausgegeben, nach denen es Grundsatz war, die Doppelbahnen zwar auszustecken und Grund und Boden dafür zu erwerben, wie auch die größeren Kunstbauten und die Durchlässe für ständig fließendes Wasser sofort auf Doppelbahnen auszuführen, dagegen die Bahn selbst nur für ein Gleis herzustellen. Bei der Trassierung war zunächst die kleinste Baukostensumme maßgebend. Die Krümmungswiderstände wurden völlig unbeachtet gelassen, wie auch auf die damals noch ziemlich unbekannten Betriebskosten nur wenig Rücksicht genommen wurde.

Bei den Erdarbeiten strebte man möglichste Ausgleichung der Damm- und Einschnittmassen an, was durch das von dem bayerischen Sektionsingenieur Brückner in Lindau im Jahre 1844 zum ersten Male angewendete Verfahren der zeichnerischen Darstellung der zu verführenden Erdmassen und der Verführungsentfernungen (Massennivellement) wesentlich erleichtert wurde. Dieses Verfahren wurde von dem damaligen Ingenieurpraktikanten Röckl auf einfache Art zur Bestimmung der kleinsten Verführungsstrecken und -kosten verbessert und sodann für den ganzen bayerischen Eisenbahnbau bindend eingeführt.

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[46/0054] sie bisher bei fast keiner anderen Bahn vorgekommen waren. Die Vorarbeiten für die Planausarbeitung der beiden Teilstrecken ergaben, daß die Ausführung bei Beibehaltung des bisher ausschließlich angewendeten englischen Lokomotivsystems, das Krümmungen von weniger als 3000 Fuß Halbmesser und Steigungen von mehr als 1 : 200 nur ungern zuließ, unerschwingliche Kosten erfordern würde. Eine Minderung dieser Kosten konnte durch Übernahme des vor kurzem bekannt gewordenen amerikanischen Lokomotivsystems erreicht werden, das noch gestattete, Krümmungen von weniger als 1000 Fuß und Steigungen von mehr als 1 : 100 ohne Gefahr zu befahren. Allerdings mußte mit der Annahme des amerikanischen Lokomotivsystems auch der Nachteil einer geringeren Geschwindigkeit und höherer Betriebskosten in den Kauf genommen werden. Auf dieser Grundlage wurde 1843 die Aufsuchung neuer Linien zwischen Donauwörth-Nürnberg und Kulmbach-Hof angeordnet und hierbei der Grundsatz aufgestellt, daß nicht der kürzeste, sondern der staatswirtschaftlich nützlichere Weg den Vorzug verdiene. Die nun durchzuführenden umfangreichen Geländeaufnahmen gaben dem damaligen Ingenieurpraktikanten und späteren Sektionsingenieur in Immenstadt Friedrich von Lößl Veranlassung, für die Darstellung der stark kupierten Geländeverhältnisse Kosten- und Schichtenpläne (Horizontalkurven, Isopedenpläne) einzuführen, eine Methode, die bald nachher das allgemein vorgeschriebene Trassierungsmittel beim bayerischen Eisenbahnbau wurde. Die neuen Untersuchungen, die nun auch auf die Strecke Augsburg-Lindau ausgedehnt wurden, zeigten, daß auf der Strecke Donauwörth-Nürnberg über den Hahnenkamm auch bei Anwendung des amerikanischen Projektierungssystems das wirtschaftlich erwünschte günstigere Ergebnis nicht zu erreichen war. Man gab daher einer Bahnführung durch das Ries über Nördlingen und Gunzenhausen, trotz der 4 Meilen längeren Entfernung, den Vorzug vor der kürzesten Linie über Donauwörth-Treuchtlingen nach Nürnberg, zumal dadurch auch erreicht werden konnte, daß die ganze Bahnstrecke von Kulmbach über Nürnberg-Augsburg bis Kempten ohne Unterbrechung mit Maschinen des englischen Systems befahren werden konnte, so daß nur an den beiden Endstrecken der Südnordbahn (Lindau-Kempten und Kulmbach-Hof) amerikanische Lokomotiven angewendet werden mußten. In der Strecke Kulmbach-Hof wurde zur Überwindung der zu ersteigenden bedeutenden Höhe bei Himmelkron eine schiefe Ebene mit der Steigung von 1 : 40 angeordnet, die mit amerikanischen Lokomotiven von 25 t Gewicht befahren werden sollte. Für schwere Güterzüge oder bei ungünstiger Witterung war die Verwendung von 2 Lokomotiven vorgesehen. Am 22. Februar 1843 wurde ein Gesetzentwurf, betreffend „die Aufnahme eines Anlehens zur Deckung der Kosten des Eisenbahnbaues von der Reichsgrenze bei Hof bis Lindau“, beim Landtage eingebracht und kurz darauf mit wenigen nicht wesentlichen Änderungen von den beiden Kammern genehmigt. Unterm 25. August 1843 wurde das erste bayerische Eisenbahndotationsgesetz veröffentlicht. Die Bauarbeiten auf der Augsburg-Hofer Strecke wurden gleichzeitig von Nürnberg und Augsburg aus in nördlicher Richtung in Angriff genommen und so gefördert, daß die erste Abteilung von Nürnberg bis Bamberg am 25. August 1844 feierlich eröffnet werden konnte, während die Betriebseröffnung der Strecke Augsburg-Donauwörth am 20. November 1844 erfolgte. Schon im Jahre 1845 wurden Baunormen für die ersten bayerischen Staatsbahnen herausgegeben, nach denen es Grundsatz war, die Doppelbahnen zwar auszustecken und Grund und Boden dafür zu erwerben, wie auch die größeren Kunstbauten und die Durchlässe für ständig fließendes Wasser sofort auf Doppelbahnen auszuführen, dagegen die Bahn selbst nur für ein Gleis herzustellen. Bei der Trassierung war zunächst die kleinste Baukostensumme maßgebend. Die Krümmungswiderstände wurden völlig unbeachtet gelassen, wie auch auf die damals noch ziemlich unbekannten Betriebskosten nur wenig Rücksicht genommen wurde. Bei den Erdarbeiten strebte man möglichste Ausgleichung der Damm- und Einschnittmassen an, was durch das von dem bayerischen Sektionsingenieur Brückner in Lindau im Jahre 1844 zum ersten Male angewendete Verfahren der zeichnerischen Darstellung der zu verführenden Erdmassen und der Verführungsentfernungen (Massennivellement) wesentlich erleichtert wurde. Dieses Verfahren wurde von dem damaligen Ingenieurpraktikanten Röckl auf einfache Art zur Bestimmung der kleinsten Verführungsstrecken und -kosten verbessert und sodann für den ganzen bayerischen Eisenbahnbau bindend eingeführt.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen02_1912/54>, abgerufen am 16.07.2024.